Название | Über den Kopf hinaus |
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Автор произведения | Werner Huemer |
Жанр | Математика |
Серия | |
Издательство | Математика |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783831257355 |
Erster Ausflug in das Reich des Glaubens
1941 formulierte Albert Einstein in einem Aufsatz mit dem Titel „Naturwissenschaft und Religion“ seine Ansicht über den Bezug des Glaubens zum Wissen: „Ein Bild mag dieses Verhältnis veranschaulichen: Naturwissenschaft ohne Religion ist lahm, Religion ohne Naturwissenschaft ist blind.“ (Zitat aus „Physik und Transzendenz“, 1986)
Freilich sprach Einstein mit dem Begriff „Religion“ keine bestimmte Konfession an, und auch nicht den Glauben an Wunder oder ähnliches. Aber er war davon überzeugt, dass eine streng wissenschaftliche Gesinnung, die „durch und durch von dem Streben nach Wahrheit und Erkenntnis erfüllt ist“, von einer Glaubensquelle gespeist werden müsse, die auf religiösen Gebiet entspringt. Und er sah die Ursache aller Konflikte zwischen Naturwissenschaft und Religion in verhängnisvollen Irrtümern, die nicht zwangsläufig zu bestehen brauchten.
Es wäre im Sinne einer einfachen, ungeteilten Wahrheitssuche ja wirklich erfreulich, wenn Brücken zwischen Glaubensinhalten – die sich, so Einstein, „mit der Bewertung des menschlichen Denkens und Tuns“ befassen – und wissenschaftlichen Erkenntnissen – die „von realen Tatsachen und Beziehungen zwischen ihnen“ sprechen – gebaut werden könnten. Vielleicht erweisen sich die Denkansätze, die sich aus der Quantenphysik ergeben, als geeignet dafür.
Die Frage nach dem Wesen der Gedanken oder überhaupt nach der menschlichen Innen- oder Seelenwelt ist jedenfalls naturgemäß auch eine religiös-spirituelle.
Unternehmen wir an dieser Stelle daher einen kurzen Ausflug in das Reich des Glaubens und gehen wir – im Sinne des traditionellen Menschenbildes – von der Existenz einer immateriellen Seele aus. Wenn diese der Träger von Bewusstsein wäre – welche Funktion hätte das Gehirn dann? Gibt es ein plausibles Alternativ-Szenario zu der Annahme, unser Ich würde durch das Gehirn generiert, ein Szenario, das aber die offensichtlichen Zusammenhänge zwischen dem neuronalen Feuer in unserem Schädel und den Bewusstseinsleistungen mit umfasst?
Im wesentlichen bieten sich wohl nur zwei Möglichkeiten an: Entweder das Gehirn erzeugt Bewusstsein – womit wir vor dem „Qualia-Problem“ stehen –, oder es vermittelt Bewusstsein nur. Nach diesem Modell, das heute vor allem von Sterbeforschern und spirituell orientierten Menschen vertreten wird, kann Bewusstsein grundsätzlich auch außerhalb der körperlichen Begrenzungen bestehen. Sofern es aber im physischen Umfeld funktionieren, also in der Lage sein soll, Eindrücke aufzunehmen und Willensentschlüsse zu etablieren, braucht das immaterielle Bewusstsein ein materielles Werkzeug, das seinen Ansprüchen gerecht wird – eben das Gehirn. Ist dieses – aus welchen Gründen auch immer – geschädigt oder nicht voll funktionstüchtig, dann kann natürlich auch nur unvollkommen Bewusstsein vermittelt werden. Krankheiten wie Schizophrenie oder der teilweise Verlust des Ichs könnten auch nach diesem unkonventionellen Konzept eine Erklärung finden.
Das Gehirn wäre aus dieser Sicht also ein Empfangsorgan, welches das immaterielle Bewusstsein empfängt und an den Körper überträgt; gleichzeitig aber auch ein Sendeorgan, weil es körperliche Reize oder Sinneseindrücke an das Bewusstsein vermittelt.
Demnach würde das menschliche Bewusstsein nicht aus dem Körper entstehen, sondern sich diesem nur anschließen – wodurch ein Vorgang im Raum steht, der in spirituellen Kreisen als „Inkarnation“ bezeichnet wird, als Eintritt der Seele „in das Fleisch“. Mit diesem Eintritt entwickelt sich das körperbezogene Tages- oder Wachbewusstsein, durch das der Mensch sein Ich definiert und das eng an die sinnlichen Wahrnehmungen und das Gedächtnis gekoppelt ist.
Prinzipiell aber könnte das menschliche Bewusstsein aus dieser Sicht als frei und unabhängig von der körperlichen Begrenzung betrachtet werden; es müsste nicht mit dem physischen Körper vergehen. Und es wäre auch nicht weiter verwunderlich, wenn Menschen schildern, in Todesnähe ihren Körper bewusst von oben beobachtet zu haben. Denn diesem Konzept zufolge würde nur die enge Bindung der Seele an den Körper und an das Gehirn das Erleben eines erweiterten Bewusstseins verhindern. Dagegen könnte man die Wirkung der von Ulrich Warnke angesprochenen körpereigenen Drogen – ebenso wie die Stimulation bestimmter Hirnregionen – so erklären, dass sie zu einer „Lockerung“ der Bindung des Bewusstseins an den Körper führen und eben dadurch Kontakte zur „Anderswelt“ (oder wie immer man eine Sphäre „jenseits der fünf Sinne“ nennen will) erlauben.
Auch das sogenannte Unterbewusstsein ließe sich in dieses Menschenbild zwanglos einordnen. Es wäre einfach jener Teil unseres eigentlichen, freien Bewusstseins, der nicht an das Gehirn gebunden ist, uns aber dennoch beeinflusst – etwa in Form von intuitiven Überzeugungen, Gemütswerten, Empfindungen oder auch Gewissensregungen. Interessanterweise geht der Begriff „Bewusstsein“ (lat. conscencia) auf den Begriff „Gewissen“ zurück, der wiederum mit „geistigem Wissen“ und im Sprachgebrauch mit „Geist“ und „Seele“ in Verbindung steht.
Eine solche Sicht der Dinge läuft dem modernen Welt- und Menschenbild freilich ziemlich radikal zuwider. Immerhin aber liefert sie für einige Phänomene rund um das menschliche Bewusstsein, wie zum Beispiel für sogenannte Ausleibigkeitserfahrungen, eine bildhafte Erklärung. Das „Seelenkonzept“ sollte daher nicht ganz außer Acht gelassen werden, solange es keinen schlüssigen Beweis dafür gibt, dass Bewusstsein tatsächlich auf materieller Grundlage entstehen kann.
Ein zweites Resümee: Ich erlebe, also bin ich!
Welcher Art unsere innere Natur letztlich auch sein mag, ob materieller oder immaterieller – sicher ist zunächst, dass uns das Thema Gedanken und Bewusstsein weit über Gehirnströme hinaus führt.
Unsere gedankliche Innenwelt wird nicht durch nackte, nüchterne Informationsfakten befeuert, sondern durch Empfindungen und Erlebnisse, die ihrerseits Gedanken verursachen – Erinnerungen, Wünsche, Hoffnungen, Erwartungen.
Als Resümee könnten wir also René Descartes Daseinsformel „Ich denke, also bin ich“ ohne weiteres erweitern in: „Ich erlebe, also bin ich!“
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