Название | Buddhas Tausend Gesichter |
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Автор произведения | Fred von Allmen |
Жанр | Сделай Сам |
Серия | |
Издательство | Сделай Сам |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783942085366 |
Nach dem Tod des Buddha findet Ananda auch wieder Zeit, sich mit aller Energie der eigenen Meditationspraxis zu widmen. Da er der Einzige ist, der alle 84 000 Lehrreden gehört hat, braucht man ihn auf dem Konzil, der ersten Versammlung aller erwachten Schüler. Dort sind jedoch nur vollständig Befreite zugelassen, und dazu gehört Ananda noch nicht. So drängt man Ananda, noch eifriger zu praktizieren, damit er die »Teilnahmebedingungen« für die Versammlung erfüllt. Ananda ist nun gefordert! Tag und Nacht meditiert er ununterbrochen – auch in der letzten Nacht vor dem Konzil, das bei Sonnenaufgang beginnen soll. Während einer Gehmeditation wird ihm plötzlich klar, dass sein Bemühen viel zu angestrengt und verkrampft ist.
So entscheidet er, sich zur weiteren Meditation hinzulegen, um so die Faktoren des Erwachens in seinem Geist in die richtige Balance zu bringen. Genau während er dies tut, öffnet sich sein Geist für die drei noch fehlenden Stufen des Erwachens – die zweite und die dritte Stufe22 – und in dem Moment, als sein Kopf das Kissen berührt, ist er ein Arahat, ein vollständig Befreiter.23 Damit ist er frei von sämtlichen täuschenden und quälenden Fesseln von Herz und Geist wie Verlangen, Abneigung, Anhaften an Zuständen der Reinen Form und des Formlosen sowie den verbleibenden Spuren von Stolz, Ruhelosigkeit und Verblendung. All die Bemühungen und Anstrengungen seines langen, unermüdlichen, beispielhaften Praxisweges sind zur Reife gelangt. Doch ist er nicht nur vollständig befreit, nein, er ist auch gleich mit allen übersinnlichen Kräften24 ausgestattet. Dies erlaubt ihm, so die Überlieferung, sich im nächsten Augenblick auf dem für ihn reservierten Platz auf dem Konzil, wo alle bereits auf ihn warten, zu manifestieren – genau als die Sonne über dem Horizont aufgeht.
Richtiges Bemühen ist die eigentliche Kunst der Meditation. Es bedeutet, immer wieder zur unmittelbaren Erfahrung des Hier und Jetzt aufzuwachen und in direkten Kontakt damit zu treten. Dazu ist die Bereitschaft notwendig, Erfahrungen genau so zu fühlen, so zu belassen und so zu akzeptieren, wie sie gerade sind. Dies steht im Gegensatz zur üblichen Tendenz unseres Geistes, sich mit den Erfahrungen zu identifizieren, sich darin zu verlieren, um dann zu versuchen, sie entweder zu behalten oder loszuwerden oder sonstwie unter Kontrolle zu bekommen. Dieser Tendenz wirken wir entgegen, wenn wir mit sanfter Präzision, entspannter Sorgfalt und liebevoller Entschlossenheit dem Leben so begegnen, wie es in jedem Augenblick wirklich ist.
Dazu kultivieren wir Qualitäten des Geistes, wie zum Beispiel die sogenannten Sieben Faktoren des Erwachens: Achtsames Gewahrsein, Erforschen, Enthusiastisches Bemühen, Freudiges Interesse, Ruhe, Sammlung und Gelassenheit. Diese Erleuchtungsfaktoren ermöglichen es uns, das Wesen der Wirklichkeit, das heißt, deren Vergänglichkeit, Unzulänglichkeit und nichtselbstexistente, leere Natur zutiefst zu erkennen. Eben diese Erkenntnis ist es, die Herz und Geist von den Leid schaffenden Eigenschaften – Verlangen, Abneigung und Verblendung – letztlich zu befreien vermag. Und eben in dem Moment, in dem Ananda von seinem allzu angestrengten Bemühen ablässt, er sich entspannt, gelangen die Qualitäten des Erwachens ins perfekte Gleichgewicht – er realisiert vollständige Befreiung.
Ananda ist für sein außerordentliches Wissen um die Lehre bekannt, aber auch für seine Fürsorglichkeit und seine Bereitschaft, sich vorbehaltlos aufzuopfern. Einmal wird der Buddha, so die Legende, von einem wild gewordenen Elefanten angegriffen. Als Ananda sieht, dass der Erwachte in Gefahr ist, wirft er sich kurzentschlossen vor den Elefanten, um sich für den Erhabenen zu opfern. Der Buddha aber verfügt über übersinnliche Kräfte und vermag so Ananda vor dem sicheren Tod zu retten. Seine unerschütterliche und liebevolle Präsenz besänftigt den Elefanten, der sich beruhigt niederlegt.
Geschichten dieser Art lösen heute oft eine Debatte darüber aus, ob es wirklich solche übersinnlichen Kräfte gibt, wie sie der Buddha bei dieser Gelegenheit eingesetzt hat. Von größerer Relevanz für uns an dieser Geschichte ist aber die grenzenlose Hingabe Anandas, der sich ohne Zögern in Lebensgefahr begibt, um den Buddha vor der drohenden Gefahr zu schützen.
Wirkliche Hingabe an den Dharma und an Menschen, die Hilfreiches bewirken, ist eine mächtige Kraft auf dem spirituellen Weg. Hingabe ist dem Vertrauen nah verwandt, eine Eigenschaft, die oft als »Tor zu allen guten Qualitäten des Herzens und des Geistes« bezeichnet wird. Erst wenn wir Vertrauen und Hingabe entwickelt haben, können wir uns wirkungsvoll einer spirituellen Praxis widmen. Das bedeutet nicht, dass wir uns in blindem Glauben einer charismatischen Person oder einem religiösen Glauben oder Dogma unterwerfen oder hingeben sollten. Vielmehr bedeutet es, eine Praxis, die wir selbst ausprobiert und für wirkungsvoll befunden haben, von ganzem Herzen umzusetzen. Gepaart mit Weisheit und Klarheit können Vertrauen und Hingabe im Inneren wie im Äußeren tiefe spirituelle Wandlung bewirken.
Bittsteller für die Nonnen
Ananda spielt auch eine entscheidende Rolle beim Entstehen des ersten buddhistischen Nonnenordens. Hauptakteurin dabei ist die Stiefmutter des Buddha, Pajapati, die Schwester seiner früh verstorbenen leiblichen Mutter. Nach dem Tod ihres Ehemanns, König Suddhodana, Vater des Buddha, beschließt auch Pajapati, dem Leben im Palast zu entsagen und den Weg der Hauslosen zu gehen. Allerdings gibt es zu dieser Zeit in Indien kaum wandernde Asketinnen und Bettelnonnen. Trotzdem ist Pajapati entschlossen und bittet den Buddha um Aufnahme in seinen Orden. Wissend um die Probleme, die entstehen können, wenn Männer und Frauen im selben Orden sind, lehnt dieser die Bitte mehrfach ab. Ananda aber spürt, dass es nur gerecht und angemessen wäre, Frauen die gleichen Möglichkeiten zuzugestehen, sich voll und ganz der Praxis des Dharma zu widmen. Schließlich hat der Buddha selbst nie einen Zweifel daran gelassen, dass Frauen den Männern in spiritueller Hinsicht vollkommen ebenbürtig sind. Damit hat er sich klar gegen die Vorstellungen der damaligen, durch und durch patriarchalen Gesellschaft gestellt. Von Pajapatis Hingabe, Entschlossenheit und Entsagung bewegt, versucht Ananda immer wieder, den Buddha umzustimmen, bis dieser schließlich nachgibt und der Bildung eines Ordens, einer Sangha der Nonnen, zustimmt.
Im Laufe der Zeit ist die Möglichkeit für Frauen, die volle Ordination als Nonne zu erhalten, in vielen buddhistischen Ländern wieder verloren gegangen. Seit zwei, drei Jahrzehnten gibt es vonseiten westlicher Frauen aber auch Frauen aus buddhistischen Ländern Asiens aber starke Bestrebungen und Initiativen, die volle Nonnen-Ordination wieder in allen Traditionen einzuführen, was bisher erst teilweise gelungen ist. Dabei ist immer noch keineswegs klar, ob die Aufhebung der ursprünglich in den Regeln festgelegten Unterordnung der Frauen25 vom orthodoxen Klerus auch tatsächlich akzeptiert werden wird.
Jedenfalls ist die Rolle Anandas für die damaligen wie für die heutigen Verhältnisse sehr mutig, fortschrittlich und richtungsweisend.
Anführer und Friedensstifter
Nach dem Tod des Buddha wird Mahakassapa, einer seiner wichtigsten Schüler, zum »Ältesten« der Sangha. Diese Funktion wird nach Mahakassapas Ableben von Ananda bekleidet. So gehört Ananda auch in dieser Hinsicht zu den großen Autoritäten in der 2500-jährigen Übermittlung dieser befreienden Praxis. Er soll nach Buddhas Tod noch 40 Jahre gelebt haben und 120 Jahre alt geworden sein.
Anandas Leben ist von tiefer Fürsorglichkeit für die Menschen geprägt, die oftmals in großer Not zu ihm kommen oder in lebenswichtigen Fragen um Rat und Hilfe bitten. Noch am Ende seines Lebens ist er um seine Mitmenschen besorgt. Als er den Tod nahen fühlt, wandert er noch einmal von Rajagaha nach Vesali, wie es sein Meister oft getan hat. Als der König von Magadha und die Prinzen von Vesali hören, dass Anandas Tod bevorsteht, machen sie sich auf den Weg, um ihn zu finden. Ananda kommt dies zu Ohren und er ahnt, dass es einen Streit um seinen toten Körper geben wird, wenn er auf dem Boden einer der beiden oft miteinander im Streit liegenden Parteien aus dem Leben scheidet. Denn die Reliquien großer Heiliger, wie Ananda einer ist, gelten als mächtiger Segen, und den will man sich für das eigene Land oder den eigenen Clan sichern. Es heißt, dass Ananda sich, um keine Seite zu benachteiligen, im Augenblick des Todes mittels seiner übersinnlichen Kräfte in die Lüfte erhob und seinen Körper in Feuer aufgehen lässt. So gibt es keine sterbliche Hülle, über die man sich