Название | Verschlüsselt |
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Автор произведения | Res Strehle |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783039220489 |
«Thank you for asking me», antwortete B. freundlich und unverbindlich.
Dann wurde B.s Lesebrille gebracht, die erst im Depot hatte geholt werden müssen. B. durfte unter der Augenbinde die Brille aufsetzen und direkt nach unten auf die Schreibunterlage sehen. Vor ihm lag ein Schriftstück. Was B. las, traf ihn wie ein Schlag: «Strafrechtliche Tatbestände: Spionage, Bestechung, Teilnahme an einem illegalen Treffen und Alkoholkonsum.»
«Wir wissen, Sie sind ein Spion der Schweizer Polizei. Was haben Sie dazu zu sagen?» fragte die Stimme.
B. sackte zusammen, diesen Vorwurf hatte er nicht erwartet! Gut fünfzig Jahre seines Lebens rasten im Schnellgang an ihm vorbei, wie ein auf Hochtouren zurückgespulter Film. Die dreizehn Jahre bei der Firma in Steinhausen, die zahllosen Reisen mit den zähen Verhandlungen in Europa, Lateinamerika, Afrika und Mittelost, die Berichterstattungen und technischen Erklärungen in Hotelzimmern und auf Flugreisen, die Missionen fürs Internationale Komitee vom Roten Kreuz in Nigeria und Jemen, die Arbeit als Fernmeldetechniker in Kuwait, Papua-Neuguinea und Senegal, die Jahre als Funker auf Hochseeschiffen, als Fleet Manager in der Hochseefischerei im südchinesischen Meer, die Managementschule und technische Ausbildung in England, die Lehre als Fernmeldebeamter bei den PTT, die Handelsschule in Neuenburg, die ersten Funkerlebnisse mit zwölf Jahren, die Kindheit in Uster. Alle tauchten sie kurz auf und verschwanden wieder, die ihm Eindruck gemacht hatten: der deutsche Kaufmann, der ihn auf der Luxusjacht als Schiffsfunker angestellt hatte, sein Chef bei den PTT, die Frau mit der kleinen Tochter, die er vor dreizehn Jahren kennengelernt hatte, das Mädchen, das ihn Vater nannte und für ihn wie eine eigene Tochter war, die Geschwister mit ihren Familien, die Mutter, die schon über achtzig war und den Lieblingssohn behütete wie einen kleinen Jungen, wenn er jeweils in die Schweiz zurückkehrte, und immer gesagt hatte, er solle auf sich schauen, wenn er auf Reisen ging. Und jetzt war der Film aufgerollt, die Leinwand flimmerte unter B.s Augenbinde wie am Ende einer Vorführung.
«Nein», sagte B. abrupt in die eingetretene Stille, «das ist eine Verwechslung. Ich bin Verkaufsingenieur!»
«Was geschieht, wenn die Schweizer Grenzpolizei Pässe von Einreisenden auf eine Glasscheibe legt?» fragte der Verhörer unbeirrt.
«Ich weiss nicht, womöglich werden die Pässe kopiert.»
Was sollte diese Frage? Wollten die Befrager von ihm erkunden, wie man mit gefälschten Papieren in die Schweiz einreisen konnte? Warum ausgerechnet von ihm? Oder wollten sie testen, was er über solche Details wusste?
«Welche Grenzübergänge in die Schweiz werden am besten bewacht?»
«Ich kann das nicht beurteilen», antwortete B., «vielleicht Genf oder die Südschweiz.»
«Als Polizist müssen Sie das wissen!»
«Ich bin nicht Polizist!»
«Sie lügen!»
«Hören Sie!» antwortete B. erregt, «ich bin Verkaufsingenieur, technical salesman. Seit dreizehn Jahren besuche ich den Iran. Selbst während des Kriegs mit dem Irak, als der Teheraner Flughafen zeitweilig geschlossen war, bin ich unter schwierigsten Umständen ins Land eingereist. Ich habe Kontakte in die höchsten Amtsstellen des Aussenministeriums, zu Militär, Polizei und Gendarmerie. Noch vor meiner letzten Abreise in den Iran war ich anlässlich der Jubiläumsfeier zum Jahrestag der Revolution von der iranischen Botschaft in Bern eingeladen, habe dort mit dem Botschafter und dem Militärattaché gesprochen. Einige Tage später kam der Attaché in unsere Firma. Der Direktor und ich haben ihn betreut. Es gibt an meiner Tätigkeit nichts, das den Vertretern des iranischen Staates hätte verborgen sein können. Ich bin am 6. März zusammen mit einem Kollegen und rund 250 Kilogramm technischem Material, verschiedenen Modellen von Chiffriergeräten samt Zubehör, in Teheran angekommen. Wir sind am Flugplatz durch einen Kunden abgeholt worden. Seither haben wir verschiedene Kunden besucht, unter anderem die Einkaufsstelle der Armee. Konkrete Aufträge wurden bearbeitet und Bestellungen lagen vor, waren aber auf Anweisung des Parlaments pendent zu halten, solange Spannungen zwischen der Schweiz und dem Iran bestanden. Diese Vertragsabschlüsse sind für Ihr Land von grösster Bedeutung!»
«Schreiben Sie alle Kontakte auf, die Sie je zu Iranern gehabt haben», befahl der Verhörer.
Gehorsam schrieb B. auf dem ihm gereichten Papier alle Kontakte zu Iranern auf, an die er sich in den dreizehn Jahren seiner Geschäftstätigkeit erinnerte. Es lag in seinem Interesse, möglichst lückenlos über seine Kontakte Bericht zu erstatten! Wenn er keinen Namen verschwieg, würden sie merken, dass er aufrichtig war. Gleichzeitig würden Sie erkennen, wie wichtig seine Tätigkeit für das Land war. Armee, Innenministerium, Aussenministerium und selbst parastaatliche Organisationen wie die Revolutionswächter waren auf die Geräte der Firma angewiesen. Die abhörsichere Übermittlung sensitiver Meldungen war von höchstem Interesse für die verschiedensten Amtsstellen. B. beschrieb unter der Augenbinde Seite um Seite auf dem Schreibbrett am Stuhl, der Randabstand links nahm gegen unten zu, weil er sonst zu nahe am Körper hätte schreiben müssen.
Am Mittag wurde er in die Zelle zurückgeführt. Ein Mann mit freundlicher Stimme und einem Suchempfangsgerät besuchte ihn, das musste der Gefängnisdirektor sein. Dem Mann schien daran gelegen, dass sich B. wohl fühlte. B. eröffnete ihm, dass sein Flug für die kommende Nacht, Abflugzeit 02 Uhr, gebucht sei und dass er dieses Flugzeug unbedingt erwischen müsse. Der Gefängnisdirektor schien davon Kenntnis zu haben und sah keinerlei Problem.
«Machen Sie sich keine Sorgen, das geht schon in Ordnung!»
Am Nachmittag aber stellte sich rasch heraus, dass es mit dem geplanten Rückflug nichts werden würde. B. sprach die Verhörer gar nicht mehr darauf an, es wäre zwecklos gewesen. Das Verhör war gleich zu Beginn härter geworden. Der Chefverhörer hatte einen Zacken zugelegt, einzig sein Assistent, ein der Stimme nach jüngerer Ermittlungsbeamter, war freundlich geblieben. Der Assistent sprach ein sehr gepflegtes Englisch, brauchte nicht die saloppen Wendungen «sure» oder «come on» aus dem Amerikanischen wie der Verhörer, dafür hatte er B. aufgefordert, alles «very succinctly» niederzuschreiben – das hiess sinngemäss «aufs Tüpfchen genau» und zeugte von einem Aufenthalt an einer englischen Sprachschule.
Vielleicht war der Ältere auch schlecht gelaunt, weil sie ihn am iranischen Neujahr, einem hohen Feiertag im islamischen Kalender, verhören mussten. Oder hatten sie ganz einfach ihre Rollen gemäss professioneller Verhörtechnik verteilt? Der Jüngere, kollegial, verständnisvoll und lieb, sollte von B. ins Vertrauen geschlossen werden, der Ältere, väterlich streng, notfalls auch drohend, sollte Autorität markieren? «Mister Hans» nannte ihn kollegial und freundschaftlich der Jüngere, «Mister Buhler» streng der Ältere.
«Mister Buhler», hatte der Verhörer den Nachmittag eröffnet, «wir wissen, dass Sie am Morgen gelogen haben. Jetzt werden Sie uns die Wahrheit erzählen. Wem haben Sie Geld zwecks Bestechung gegeben? Und was erhofften Sie sich von den Bestechungen? Vergessen Sie nicht, dass wir Sie behalten können, so lange, wie wir wollen.»
Weniger diese Drohung hatte B. erschreckt als eine andere Bemerkung, die der Verhörer kurz danach machte, wonach sie «many methods» hätten, um die Wahrheit herauszufinden. Aber B. hatte nichts zu verbergen, er hatte nichts Krummes getan. Wenn er Iranern Geld gegeben hatte, dann war dies stets legal erfolgt. Seitenweise schrieb er auf, wem er während Ausbildungskursen am Firmensitz in Steinhausen Taggelder zu 30 Dollar ausbezahlt hatte. Würde er nur einen Namen oder einen Kontakt verschweigen, so konnte dahinter eine Absicht vermutet werden. Das Verschwiegene würde ihm später vorgehalten werden und seine Haft auf unabsehbare Zeit verlängern.
«Und Nuri, wieviel haben Sie ihm ausbezahlt?» forschte der Verhörer.
Nuri, wer war das? Nuri hiess der iranische Innenminister, dann gab es im Innenministerium einen Einkaufschef dieses Namens, aber beide waren nach B.s Erinnerung nie in Steinhausen gewesen.
«Welchem Nuri?» fragte B.
«Nuri», sagte der Verhörer streng, «Sie kennen ihn ganz genau! Er war bei Ihnen zu Hause. Wieviel Geld haben Sie ihm gegeben?»
Jetzt