Aleister Crowley & die westliche Esoterik. Группа авторов

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Название Aleister Crowley & die westliche Esoterik
Автор произведения Группа авторов
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783944180502



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Tage später bereitete sich Crowley, der in der Folge seines „Opfers“ auf dem Da’leh Addin erkannt hatte, „ich habe nicht existiert“, formell darauf vor, die Prüfung des Abyssus zu durchlaufen. Er verstand, dass dies der Fall sein würde, wenn er es schaffte, John Dees zehnten Aethyr zu betreten. Er wusste, dass er im zehnten Aethyr den schrecklichen „Choronzon, den mächtigen Teufel, der den äußersten Abyssus bewohnt“18, treffen würde und ihn besiegen müßte. Er wusste auch, dass er dieses nur als Perdurabo, als magischer Adept, bewerkstelligen könne, und dass sein Erfolg von seiner Fähigkeit abhinge, Choronzon der Kraft seines magischen Willens zu unterwerfen. Die komplizierten Techniken, Rituale und das ganze Drum und Dran der magischen Praxis sind die Mittel, mit welchen ein Magier seinen Willen entwickelt und „entflammt“, das einzig wichtige Attribut, das ein Magier benötigt. Crowley verstand, dass die Kraft Choronzons nur durch die stille, aber erbarmungslose Anwendung des magischen Willens gebunden und unter Kontrolle gebracht werden konnte, und dass dies für ein erfolgreiches Überschreiten des Abyssus entscheidend wäre. Versagt der Magier darin, Choronzon seinem Willen zu unterwerfen, so wird er zu dessen Sklaven, und in der Folge wird Unheil über ihn kommen. Angesichts dessen und wegen der Warnungen, die er in den vorausgegangenen Aethyren empfangen hatte, änderte Crowley seine magische Vorgehensweise.

      Am 6. Dezember 1909 verließen Crowley und Neuburg Bou Saada und gingen weit in die Wüste hinaus, bis sie ein passendes Tal in den Dünen fanden. Dort zogen sie einen Kreis in den Sand, in den sie die verschiedenen heiligen Namen Gottes schrieben. Dann zeichneten sie nahe daran ein Dreieck, dessen Eingrenzungen sie ebenfalls mit göttlichen Namen und mit dem Namen Choronzon versahen. So entsprach es der korrekten magischen Praxis. Der magische Kreis bot dem Magier Schutz; in dem Dreieck sollten sich alle sichtbaren Manifestationen jener Kräfte zeigen, die Perdurabo herbeirief oder beschwor. In diesem Fall sollte der Vorgang der Beschwörung die physische Materialisierung des Dämons herbeiführen, der den Abyssus bewohnt. Drei Tauben wurden dazu geopfert, deren Blut in den drei Spitzen des Dreiecks verteilt wurde, wobei Crowley sorgsam darauf achtete, dass es innerhalb der Begrenzungen der Figur blieb. Das Blut diente zur leichteren Herbeiführung und Aufrechterhaltung der Manifestation, und dazu war es essentiell erforderlich, dass es innerhalb des Dreiecks verbliebe. An dieser Stelle betrat Neuburg den Kreis. Er war mit einem magischen Dolch bewaffnet und hatte die strikte Anweisung, diesen zu benutzen, wenn etwas – selbst, wenn dieses Etwas so aussah wie Crowley – versuchte, in den Kreis einzudringen. Auf Crowleys Veranlassung hin schwor Neuburg einen Eid, die Unverletzbarkeit des Kreises mit seinem Leben zu verteidigen. Dann wich Crowley, der in sein schwarzes Ritualgewand gekleidet war, erstaunlicherweise von der anerkannten magischen Praxis ab: anstatt sich zu seinem Chela in die relative Sicherheit des Kreises zu begeben, betrat er das Dreieck. Während Neuburg die Bannrituale des Pentagramms und des Hexagramms ausführte, die ihn schützen sollten, begab sich Crowley an die Anrufung des zehnten Aethyrs.19

      Der mächtige Choronzon kündigte sich unter dem großen Geschrei „Zazas, Zazas, Nasatanada Zazas“ im Schaustein an:

      Ich bin Ich. … Von mir kommen Lepra und Pocken und Pest und Krebs und Cholera und die Fallsucht. Ah! Ich werde dem Allerhöchsten bis zu den Knien hinaufreichen und seinen Phallus mit meinen Zähnen zerbeißen, und ich werde seine Hoden in einem Mörser zermalmen, und daraus werde ich Gift machen, um die Söhne der Menschen zu töten.20

      Wahrscheinlich hatte Crowley diese Worte geäußert. Danach jedoch verfiel er, soweit Neuburg sich erinnert, in Schweigen; er blieb, bekleidet mit seiner Robe und seiner Kopfbedeckung, in dem Dreieck im Sand sitzen, tief in sich zurückgezogen, und „bewegte sich oder sprach während der Zeremonie nicht mehr“.21 Doch Neuburg hörte, und er sah. – Anders als bei früheren Anrufungen, bei denen er nur als Sekretär fungiert hatte, erblickte er nun: Nicht Crowley war es, der in dem Dreieck saß, sondern das Wesen, das Crowley beschworen hatte. Vor ihm erschien Choronzon in Gestalt einer schönen Frau, die er einst in Paris kennen- und liebengelernt hatte, und die nun versuchte, ihn aus dem Kreis herauszulocken. Nach der Frau erschien ein heiliger Mann, dann eine Schlange.

      Langsam gelang es dem Dämon in seinen unterschiedlichen Manifestationen, den unerfahrenen Neuburg in Gespräche zu verwickeln. Er fuhr fort, ihn zu täuschen. Hatte er nicht – „O Geschwätziger“ – die Anweisung, keine Gespräche mit dem mächtigen Choronzon zu führen? Zweifellos hatte er diese Instruktion von Crowley erhalten, doch im Eifer des Gefechts vergaß er sich selbst. Während der heftigen Debatte, die folgte, und während Neuburg, der jede Einzelheit festhalten wollte, wild draufloskritzelte, begann Choronzon heimlich, die schützenden Ränder des Kreises im Sand zu verwischen. Plötzlich sprang Choronzon aus dem Dreieck in den Kreis hinein und rang Neuburg zu Boden. Der Schreiber fand sich selbst mit einem Dämon in Gestalt eines „nackten Wilden“ ringen, eines starken Mannes „mit Schaum vor dem Mund, der ihm mit seinen Fangzähnen die Kehle zerreißen wollte“. Neuburg rief die magischen Namen Gottes an, holte mit seinem Dolch aus und zwang die sich windende Gestalt schließlich zurück in das Dreieck. Der Chela reparierte den Kreis, und Choronzon wechselte mehrfach seine Gestalt und fuhr mit seinem wirren Gerede fort. Er schmeichelte, verführte, schimpfte, flehte und versuchte so, den Schreiber zu schwächen. Schlussendlich begannen die Manifestationen zu verblassen, und das Dreieck leerte sich.22

      Nun wurde Neuburg Crowleys gewahr, der allein in dem Dreieck saß. Er sah, wie Crowley mit seinem heiligen Ring den Namen BABALON in den Sand schrieb, was hier für die Überwältigung Choronzons stehen sollte.23 Die Zeremonie war abgeschlossen. Sie hatte mehr als zwei Stunden gedauert. Die beiden Männer entzündeten ein großes Feuer der Reinigung und vernichteten den Kreis und das Dreieck. Sie hatten eine schreckliche Tortur durchlaufen. Crowley bekundet, dass er sich während des Rituals mit Choronzon durch und durch „astral identifiziert“ hatte, und dass er „jede Qual, jeden Zorn, jede Verzweiflung und jeden Ausbruch von Wahnsinn erlebt“ habe.24 Neuburg jedoch hatte verbotene Konversation mit dem Bewohner des Abyssus geführt. Beide Männer hatten nun das Gefühl, das Wesen des Abyssus verstanden zu haben. Er steht für Zerstreuung: ein entsetzliches Chaos, in dem es keine Mitte und kein kontrollierendes Bewusstsein gibt. Sein Furcht erregender Bewohner war kein Individuum, sondern die Personifizierung eines Ausmaßes bösartiger Gewalten, die sich durch die geballte Energie des beschwörenden Magiers manifestieren. Diese Kräfte auf einer so unmittelbaren und zutiefst persönlichen Ebene zu erfahren, und, wie Victor, zu glauben, dass er einen Kampf auf Leben und Tod mit ihnen durchgemacht hat, war niederschmetternd. Oder wie Crowley sagte, „ich weiß kaum noch, wie wir je nach Bou Saada zurückgekommen sind“.25

      Die nächsten zwei Wochen hindurch setzten Crowley und Neuburg ihre Anrufungen fort, während sie sich auf ihrem über einhundert Meilen weiten Weg durch die Wüste nach Biskra befanden. Einige von Crowleys Erlebnissen in den Aethyren lesen sich wie lyrische Hymnen der Schönheit und der Ekstase, doch andere erscheinen voll unheilvoller Vorahnungen – sie deuten darauf hin, dass er in eine Welt gestolpert ist, für die er noch nicht bereit war. Als sie am 16. Dezember Biskra erreichten, wusste Crowley, dass er gefährlich nahe am äußersten Ende seiner Kräfte angekommen war. Vier Tage später schloss er mit der letzten Anrufung ab. Das magische Werk war vollbracht. Die beiden Männer waren äußerst erschöpft, jedoch nicht von den körperlichen Strapazen ihrer Reise, die zumindest Crowley ergötzlich fand. Die magischen Erlebnisse waren es, die ihren Tribut forderten. Die sie kannten, meinten, dass Neuburg „die Zeichen dieses magischen Abenteuers bis ins Grab getragen“ habe, und dass Crowley, psychisch zerschmettert, nie von dieser Tortur genesen sei.26 Die beiden Männer erholten sich in Bisra, bevor sie nach Algier zurückkehrten. Am letzten Dezembertag des Jahres 1909 schifften sie sich ein und fuhren nach England zurück.

       „Auch ich bin die Seele der Wüste“

      Auch wenn Crowley bei der Inszenierung seiner Anrufungen zwanglos vorging, ist es unwahrscheinlich, dass die Umgebung dieser magischen Unternehmung reiner Zufall war.27 „Arabien“ und die Wüste hatten besondere Bedeutung für ihn. Crowley weidete sich an der arabischen Kultur, insbesondere an der der Beduinen. Nach einem langen Tagesmarsch, so sagte er einmal aus, erfreue ihn nichts mehr, als die Männer eines fernen Dorfes zu besuchen und die Nacht dort mit Kaffeetrinken und dem Rauchen von Tabak oder „Kif“ (Haschisch) zu verbringen. Er war bereits vertraut mit