Beverly Malibu. Katherine V. Forrest

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Название Beverly Malibu
Автор произведения Katherine V. Forrest
Жанр Зарубежные детективы
Серия
Издательство Зарубежные детективы
Год выпуска 0
isbn 9783867549882



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sie anstarrten. Sie ging vorsichtig um den Stuhl herum, der neben dem Bett stand.

      Owen Sinclair musste in seinem Todeskampf wild am Bettzeug gezerrt haben. Die Thermodecke und das obere Laken bildeten ein einziges wirres Knäuel, das Spannbetttuch war durch das Scheuern der Füße zerrissen.

      »S und M«, schlug Taylor vor, indem er auf die Handschellen deutete. »Und dann eine Überdosis von irgendeiner verrückten neuen Droge.«

      »Wir hatten noch nie jemanden mit einer Überdosis, der so ausgesehen hätte«, entgegnete Kate. »Aber möglich ist alles.« Vorsichtig ging sie etwas näher an die Leiche heran.

      Die schlaffe, haarige Hautoberfläche war schwach purpurn gefleckt, aber Sinclairs Arme wiesen keine Einstiche auf. Sie berührte seine Schulter. Überrascht zog sie die Hand zurück. »Er ist noch ganz warm, Ed. Aber schau ihn dir an – völlige Leichenstarre.«

      »Ja, so schnell habe ich das auch noch nie erlebt.« Taylor hatte seine Aufmerksamkeit auf den Nachttisch neben dem Bett gerichtet: Neben einem CD-Player befanden sich mehrere umgekippte Gläser und Tassen, einige davon mit Bodensatz, außerdem ein Schlüssel, der, wie Kate bemerkte, zu den Handschellen gehörte, und ein Telefon, dessen Schnur unübersehbar durchgeschnitten war.

      »Dieser Stuhl …« Kate betrachtete den billigen Metallstuhl mit roter Plastiksitzfläche und Rückenlehne, der neben dem Bett stand.

      »Ja, hab ich schon abgecheckt – der gehört in die Küche.« Taylor kratzte sich am Kopf, strich dann die dünnen blonden Haarsträhnen wieder in Form. »Also, Kate, ich denke, es war so: Jemand hat ihn ans Bett gehakt, für irgendwelche SM-Späße. Dann hat er ihm was eingegeben, die Telefonschnur gekappt, diesen Stuhl geholt, sich draufgesetzt und einfach zugesehen. Ich könnte wetten, dass wir es mit einem Perversen zu tun haben – jemand, der es geil findet, Leute zu foltern und zuzugucken, wie sie sich langsam zu Tode quälen …«

      Kate sagte ruhig: »Im Moment kann ich deiner Theorie nichts entgegenhalten.«

      »Bei dem Stuhl könnten wir Glück mit Fingerabdrücken haben.«

      Kate nickte, während sie nachdenklich den Nachttisch betrachtete. Auf dem Handschellenschlüssel waren sicher keine Fingerabdrücke, dazu war er zu kantig. »Vielleicht auch beim Telefon. Wenn wir es mit so einem Perversen zu tun haben, wie du ihn beschrieben hast, hat er es vielleicht hochgehalten, um seinem Opfer die durchgeschnittene Schnur zu zeigen. Um ihn zu verhöhnen.«

      »Ich würde sagen, Stuhl und Telefon wären ein Superglue wert.«

      Als leitende Kommissarin in diesem Ermittlungsteam hatte sie die unmittelbare rechtliche Verfügungsgewalt über den Tatort und konnte die Art der Spurensicherung anordnen, die sie für notwendig hielt. Die herkömmliche Methode, um Fingerabdrücke abzunehmen, bestand in der Aufpinselung eines feinen Puders und brachte für gewöhnlich recht brauchbare Ergebnisse. Beim Superglue versprühte man einen feuchten, klebrigen Wirkstoff, der sich als dünner Film auf die Gegenstände legte und dann eingefärbt wurde, um die Fingerabdrücke sichtbar zu machen. Dieses Verfahren war äußerst effektiv, aber auch kostspielig: Fast alle derart behandelten Gegenstände waren hinterher praktisch unbrauchbar. Aber wenn es nötig war, ordnete Kate es an, so wie sie in anderen Fällen auch schon darauf bestanden hatte, dass Teile des Teppichbodens herausgeschnitten wurden, um sie auf Blutflecken untersuchen zu lassen, oder ganze Wände eingerissen wurden, um nach versteckten Waffen oder anderen Beweismitteln zu suchen. Sie war ein staatlich legitimierter Eindringling, ausgestattet mit der Macht, ungehindert im Privatleben anderer Menschen herumzustöbern.

      »Das denke ich auch«, bestätigte sie mit einem kritischen Blick auf die Metall- und Plastikteile des Stuhls. Vielleicht ergab das Superglue ja einen gut aufgelösten Fingerabdruck.

      Sie wandte sich vom Bett ab, um den übrigen Raum zu untersuchen: ein einfacher Toilettentisch ohne Spiegel, ein tragbarer Fernseher auf einem Ständer, zwei Pappkartons, einer randvoll gefüllt mit Sportzeitschriften, der andere mit zerlesenen Taschenbüchern, deren Einbände zerknickt und eingerissen waren.

      Vor dem Fußende des Betts lagen die Kleidungsstücke, die Owen Sinclair ausgezogen hatte: Baumwollhose, ein bedrucktes Sporthemd, Segeltuchschuhe.

      Kate ging zum Toilettentisch und begutachtete etwa ein halbes Dutzend Fläschchen mit Männer-Toilettenartikeln, alle ungeöffnet, wahrscheinlich Geschenke. Daneben lag ein offenbar viel benutztes Set von altmodischen silberverzierten Bürsten mit dem Monogramm OCS, ferner ein Schlüsselbund, eine goldene Seiko-Armbanduhr und einige verstreute Münzen neben einer abgewetzten Lederbrieftasche. Dazwischen zwei gerahmte Fotografien, ungefähr fünf mal sieben Zentimeter groß, und zahllose weitere an der Wand.

      Mit Hilfe ihres Kugelschreibers klappte Kate die Brieftasche auf. Unter einer vergilbten Klarsichtfolie steckte ein Führerschein. Das Foto war nicht zu erkennen, aber sie konnte den Namen und das Geburtsdatum entziffern: Owen Charles Sinclair, geboren am 12. 10. 1915. Aus dem Fach für Papiergeld guckte ein Packen Rechnungen hervor.

      Sie warf einen erneuten Blick auf das Opfer. Zwischen dem gekräuselten Brusthaar schimmerten matt die Glieder einer schweren Goldkette. An der verkrampften Hand, mit der Sinclair ans Bett gefesselt war, steckte ein schwerer goldgefasster Smaragdring. Ein Raubmörder war hier offenbar nicht am Werk gewesen, was für Taylors Theorie sprechen würde.

      Eines der Fotos auf dem Toilettentisch, eine vergilbte Schwarzweißaufnahme, zeigte einen Mann Anfang dreißig mit einer steif gebügelten Hose, einem Hawaiihemd und einem Halstuch. Er stand gegen ein Automodell der Fünfzigerjahre gelehnt, die Arme über der breiten Brust verschränkt. Das lächelnde Gesicht war jungenhaft hübsch, das Haar ungewöhnlich dick und wellig. Kate sah vom Foto zu der Gestalt auf dem Bett und wieder zurück. Die blutüberströmten Augen des Opfers und das starre, verzerrte Grinsen machten einen Vergleich ziemlich schwer, aber der Körperbau war ähnlich und die Cesar Romero-Tolle des welligen grauen Haars unverwechselbar.

      Das andere Bild, ein Farbfoto, zeigte einen dunkelhaarigen jungen Mann in militärischem Tarnanzug mit zwei Patronengürteln über den schmalen Schultern und einer Feldflasche an der Hüfte. Mit dem Gewehr in der Hand, einen matschverkrusteten Stiefel auf das Trittbrett eines schlammbespritzten Wagens gestützt, grinste er über die Schulter in die Kamera. Kate sah sich die Waffe genauer an: eine M-16. Sie hatte viele solcher Waffen und viele junge Männer wie diesen gesehen, als sie für ein Jahr auf der Flugzeugbasis von Tan Son Nhut und in Da Nang stationiert gewesen war. Vielleicht war dieser vor Selbstsicherheit fast platzende junge Kampfhahn der Sohn des Opfers – wenn nicht selbst ein Opfer, einer der fünfzigtausend toten Amerikaner in Vietnam.

      Sie betrachtete das erste der Schwarzweißfotos an der Wand. Sechs Männer und zwei Frauen, die meisten davon in Westernkostümen, lachten fröhlich in die Kamera. Im Hintergrund war ein Saloon zu sehen – offenbar eine Film- oder Bühnendekoration. Sinclair stand in der vorderen Reihe, je einen Arm um eine der beiden Frauen. Kate erkannte ihn sofort an der Haartolle und weil er genauso gekleidet war wie auf dem anderen Foto.

      Es hingen noch mindestens zwei Dutzend solcher Gruppenfotos an der Wand. Die Zusammensetzung wechselte von Bild zu Bild, nur Owen Sinclair war überall dabei. Kates Blick blieb gelegentlich am Gesicht eines Schauspielers oder einer Schauspielerin hängen, das ihr vage bekannt vorkam, ohne dass sie es genau hätte einordnen können. Sie erinnerte sich an Hansens Bemerkung, dass Sinclair früher Filmregisseur gewesen war. Allem Anschein nach hatte er vor allem B-Filme gedreht, mit Darstellern, denen der Starruhm für immer versagt geblieben war.

      Abgesondert von dieser Fotosammlung hingen einige Porträtaufnahmen, die mit Vornamen signiert und mit den üblichen Widmungs-Plattitüden versehen waren: Mit den besten Wünschen. Für einen feinen Menschen. Zwei Fotos waren mit vollem Namen unterschrieben, das eine zeigte Jack Warner, der sein Bild Einem guten Amerikaner gewidmet hatte. Kate, die das Foto interessiert betrachtete, sah einen Mann mit schütterem Haar, buschigen Augenbrauen und bleistiftdünnem Schnurrbart. Das andere Foto zeigte einen großväterlich wirkenden Typ mit Doppelkinn und spärlichem weißem Haarkranz, der einen dunklen Nadelstreifenanzug trug und einem ebenso dunkel angezogenen Owen Sinclair die Hand schüttelte. Das Bild war schlicht mit J. Parnell Thomas signiert.

      Kate