Hilfskreuzer „Chamäleon“ auf Kaperfahrt in ferne Meere. Heinz-Dietmar Lütje

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Название Hilfskreuzer „Chamäleon“ auf Kaperfahrt in ferne Meere
Автор произведения Heinz-Dietmar Lütje
Жанр Исторические любовные романы
Серия
Издательство Исторические любовные романы
Год выпуска 0
isbn 9783954888023



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„Damn …“, weiter kam er nicht. In diesem Moment flog ein Teil der Brückenaufbauten, wie von der Hand eines Riesen zerfetzt, vor seinen Augen davon. Dort wo der Wachmatrose eben noch mit schreckverzerrtem Gesicht gestanden hatte, klaffte ein großes Loch. Er selbst war verschwunden. Das fremde Schiff hatte das Feuer eröffnet. Rudergänger und Erster warfen sich zu Boden. Der Erste lief zum Sprachrohr und wollte mit der Rechten den Stöpsel abziehen. Unverständnis und Verwirrtheit breiteten sich auf seinem Gesicht aus. Er griff dann mit dem rechtem Arm zum Sprachrohr. Allein die rechte Hand und der halbe Unterarm fehlten. Er starrte auf den verkürzten Unterarm, aus dem das Blut in breitem Strahl aus einer verletzten Arterie spritzte und sackte langsam auf die Knie. Jetzt endlich hatte auch der Captain seinen Schock überwunden. Glücklicherweise funktionierte die Sprachverbindung zur Maschine noch und er gab Befehl zu stoppen. Eine Verbindung zum Funker kam hingegen nicht zustande. Mehrmals schrie er nach dem Funkoffizier, erhielt jedoch keine Antwort. Erst jetzt registrierte er, dass das Schießen bereits wieder aufgehört hatte.

      Zu dieser Zeit auf dem deutschen Hilfskreuzer.

      „Gegner funkt“, meldete der 1. Funkoffizier Oberleutnant z.S. Fritz Borchard. „Sofort stören“, befahl der Kommandant, „1 AO, eine Salve auf die Brücke! 2 AO, Flawaffen Oberkante Schiffsbrücke bestreichen, Antenne zerschießen!“

      Ruumms donnerten alle 15 Zentimeter Geschütze, die den Gegner auffassen konnten, los. „Treffer, Treffer“, jubelten die mittlerweile vollständig auf der Brücke erschienenen Offiziere, soweit sie nicht dienstlich wie die beiden Artillerieoffiziere, Funker und Torpedooffizier auf ihren Gefechtsstationen gebraucht wurden. Graf von Terra fuhr dazwischen: „Ruhe! Wir sind doch hier nicht zum Ringreiten.“

      „Gegner hat aufgehört zu funken“, kam die Meldung des FO (Funkoffizier). „Gegner stoppt“, bemerkte der Kommandant, „Blinkspruch rübermachen: Haben Sie Verletzte? Benötigen Sie ärztliche Hilfe?“ Der Kommandant wollte die Anfrage gerade wiederholen lassen, als nach langen Minuten per Blinkspruch erwidert wurde: „Ich ergebe mich. Ein Toter, ein Schwerverwundeter, drei leicht Verletzte.“

      Noch in der Dunkelheit setzte das Prisenkommando unter Leitung des 2. Offiziers, Oberleutnant z. S. Uwe Semmler, mit dem 2. Schiffsarzt und 2 Sanitätsgasten über. Alle Bemühungen des Schiffsarztes waren vergebens, kurz nach Eintreffen war der tapfere 1. Offizier des Engländers seinem Blutverlust erlegen. Die Überprüfung durch den LI und seine Mannschaft ergab, dass die Brücke stark beschädigt war, zudem eine der 15 Zentimeter Granaten den Maschinenraum getroffen hatte, sodass auch dieser Tanker als Prise nicht in die Heimat geschickt werden konnte und somit nach Übernahme der Besatzung, die selbstverständlich Kleidung und persönliche Habe mitnehmen durfte, durch öffnen der Seeventile versenkt wurde. Drei Stunden dauerte es, bis das Schiff endlich auf ebenem Kiel letztlich ganz in seinem Element versunken war. In die britische Flagge gehüllt wurde kurz darauf die Leiche des 1. Offiziers im Beisein seiner gesamten Besatzung und seines Captains sowie eines angetretenen deutschen Ehrenkommandos der See übergeben. Die Leiche des zweiten Briten wurde nicht gefunden. Der Funker hingegen hatte Glück, er wurde vom Einschlag lediglich gegen die Wand seiner Kammer geschleudert und hatte kurzfristig das Bewusstsein verloren und konnte daher seinem Captain nicht antworten.

      Drei Tage später, am 20. Dezember 1939, hielt der Kommandant mit seinen Offizieren Kriegsrat. Der Tod der beiden Engländer ließ ihn nicht unberührt.

      „Meine Herren, was können wir tun um auch die Verluste beim Gegner möglichst gering zu halten und wenn es irgend geht, auch im eigenen Interesse, nicht nur um Munition zu sparen, sondern darüber hinaus auch möglichst unbeschädigte Gegnerschiffe aufzubringen, damit wir uns nicht evtl. eine wertvolle Prise selbst in Klump schießen“, fragte Waldau, nachdem er Raucherlaubnis erteilt hatte und bis auf die zwei Nichtraucher alle ihre Zigaretten bzw. drei der älteren Sonderführer, die an der Besprechung teilnahmen, ihre Zigarren und Graf von Terra seine unvermeidliche Pfeife in Brand gesetzt hatten. Der von der Luftwaffe abkommandierte Fliegeroffizier, Leutnant Elmar Spaß, hob die Hand: „Feldwebel Schütze hat möglicherweise eine Idee.“

      „Und die wäre“, fragte Graf von Terra und stieß eine gewaltige Rauchwolke aus. Der neben ihm sitzende Oberleutnant z.S. Carstens wedelte diese mühsam beiseite und deutete einen Erstickungsanfall an. Alle lachten. Der Kommandant wurde wieder ernst: „Na dann mal her mit unserem Feldwebel, mal sehen was er zu sagen hat! Welche Idee hat er denn? Nun mal raus damit“, der Kommandant schaute den Luftwaffenleutnant fragend an. Dieser versuchte im Sitzen leicht Haltung anzunehmen, wurde aber sofort vom Kommandanten unterbrochen: „Hören Sie auf mit dem Spaß, Spaß, wir sind hier nicht auf dem Kasernenhof, sondern auf Feindfahrt!“

      „Das sollte auch dieser Schlipssoldat langsam gemerkt haben“, gab Graf von Terra seinen unvermeidlichen Senf dazu und spielte mit der Bezeichnung Schlipssoldat darauf an, dass bei den Luftwaffenuniformen Hemd und Schlips üblich waren, was beim Heer gar nicht und bei der Marine nur bei Offizieren und höheren Feldwebeldienstgraden zur Ausgehuniform der Fall war. Der Backschafter (Bursche) des Kommandanten, Matrosenobergefreiter Karl „Kalle“ Kerst öffnete nach kurzem Klopfen die Tür und Feldwebel Gottfried Schütze trat ein und nahm Haltung an: „Herr Kaptän haben mich rufen lassen.“

      „Ja, mein lieber Schütze“, versetzte der Kommandant, „Leutnant Spaß berichtet, Sie hätten eine Idee, wie wir vielleicht auch ohne den Gebrauch unserer Kanonen zukünftig die Gegner am Funken hindern können. Nun schießen Sie mal los!“ In strammer Haltung wollte Feldwebel Schütze seine Ausführung beginnen, als er nochmals von seinem Kommandanten unterbrochen wurde: „Nicht so steif, mein lieber Schütze, nehmen Sie Platz – am Besten neben Ihrem Flugzeugführer“, deutete Waldau mit einer kurzen Handbewegung auf die Längsbank an der Backbordseite der von ihm bewohnten ehemaligen Kapitänskabine, die im Gegensatz zu entsprechenden Unterkünften auf regulären Kriegsschiffen geradezu luxuriös und geräumig wirkte. Etwas unsicher nahm der Flugzeugführer Platz und kam dann schnell zur Sache: „Ich wollte vorschlagen, Herr Kaptän, dass wir vielleicht an den Kufen des Bordflugzeuges eine Stahlschlinge befestigen, die dann im Flug zwischen den Schwimmern herabhängt, also mehr oder weniger ein großes U oder auch unter Berücksichtigung der Arado ein großes O bildet. Damit könnten wir evtl. den Frachtern die Antenne kappen.“

      Einige Offiziere guckten etwas ungläubig den Feldwebel an.

      „Mann Gottes, wie soll das denn gehen“, drang aus einer Wolke von Pfeifenrauch Graf Terras Stimme, „dabei können Sie doch höchstens Bruch machen und unseren schönen Flieger verschrotten.“

      „Verzeihung“, mischte sich der LI Oberleutnant (Ing.) Wessels ein, „Herr Kaleu, dass könnte schon klappen, wenn die Schlinge oder wohl besser der Sliphaken richtig konstruiert ist. Die Antenne leistet schließlich keinen großen Widerstand. Und sollte der Haken sich in den Aufbauten verfangen, oder gar am Mast, muss dieser so konstruiert sein, dass er dann ohne das die Maschine durch einen zu starken Ruck abstürzt, vom Schwimmer gleitet bzw. die Verbindung reißt. Das sollte vielleicht tatsächlich klappen. Zumindest halte ich dieses technisch für durchaus nicht ausgeschlossen.“

      „Durchaus nicht ausgeschlossen, welch eine Rede“, grinste Terra aus seiner Qualmwolke.

      „Nun mal ruhig Kameraden“, ergriff der Kommandant das Wort. „Sie, Wessels setzen sich mit Schütze und Spaß zusammen, diskutieren die Sache aus, bauen so’n Haken und überlegen wie wir das vielleicht zunächst einmal am eigenen Schiff testen können. Da hat doch unsere Zusammenkunft evtl. schon etwas gebracht. Sonstige Wortmeldungen oder Vorschläge?“ Der Kommandant schaute in die Runde, aber niemand meldete sich. „Ich bin ja etwas enttäuscht, dass von unserem Ersten kein konstruktiver Vorschlag kommt“, wollte der Kommandant seinen Freund und IO, Graf von Terra, gerade anfrotzeln, als es klopfte. Einer der zwei Funk-Obermaaten, die neben dem 2. Funkoffizier das Funkpersonal des Kreuzers vervollständigten, trat ein und reichte dem Kommandant ein FT. Dieser warf einen Blick darauf. Alle Anwesenden bemerkten, wie die Gesichtszüge des Kommandanten erstarrten. Dieser warf noch einen Blick auf das erhaltene FT (Funkspruch), erhob sich und sprach: „Unser Panzerschiff Admiral Graf Spee hat sich vor der Hafeneinfahrt von Montevideo selbst versenkt, der Kommandant,