Aufgeklärtes Heidentum. Andreas Mang

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Название Aufgeklärtes Heidentum
Автор произведения Andreas Mang
Жанр Эзотерика
Серия
Издательство Эзотерика
Год выпуска 0
isbn 9783944180564



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Profanen in Bezug auf Mode, Musik und Marotten. In allem, ausgenommen die Annahme der Existenz von mehr als genau einem Gott, könnte das moderne Heidentum nicht weiter von Einheitlichkeit entfernt sein als das vollständige Chaos, selbst wenn sich nur zwei Heiden träfen. (Dasselbe gilt übrigens für die „Gothik-Szene“, die Ausnahme ist hier nur die Farbe Schwarz.)

      Zum anderen enthält der Begriff als solcher eine implizite Herabwürdigung dahingehend, daß die Teilnehmer nur eine unbedeutende Randgruppe seien, wobei die fehlende Bedeutung des Inhaltlichen aus der fehlenden Masse der Praktizierenden geschlossen wird. Das ist ein logischer Fehler wie aus dem Lehrbuch. Der Begriff „Subkultur“ mag auf exakt dieselbe gesamtgesellschaftliche Belanglosigkeit hinweisen, aber Kultur1 allein deutet auf den Aufbau von Strukturen, die den Emsigen wichtiger als Frisuren oder Spaß in Discos und Wäldern sind.

      Aufgrund des umfangreichen Rücklaufs sowie vieler Gespräche und Diskussionen gibt es jetzt eine zweite und erweiterte Auflage. Neben stellenweisen Ergänzungen im „alten“ Text wurden einige neue Kapitel hinzugefügt. Die zwei größten Kritikpunkte waren, daß es zu viele Fachbegriffe und zu wenig Betrachtung des Irrationalen in der Religion gäbe. Nun ist es wenig sinnvoll, große Absätze zu schreiben, wenn ein einzelnes Wort bereits alles aussagt, aber dazu müssen alle miteinander Redenden zunächst den Begriff als solchen kennen und obendrein schauen, ob sie ihm auch in etwa dieselbe Bedeutung beimessen. Deshalb gibt es nun zu den Fachbegriffen ein Glossar und zum Irrationalen ein eigenes Kapitel.

      An der schwammigen Grenzlinie zwischen Rationalem und Irrationalem liegt die Pseudowissenschaft, die ich weder schätze noch als Weg erachte, dem religiösen Leben mehr Substanz zu verschaffen. Als Kritik daran wurde das Kapitel über den Regenbogen verfaßt – worum es in der Religion eigentlich gehen sollte, ist Aussage des gesamten Buches.

      Ein weiterer zentraler Punkt in religiösen Diskussionen ist die Toleranz. Da um selbige viel Aufhebens gemacht wird, sie jeder haben sollte oder angeblich hat, die meisten sie aber, wie ich finde, völlig mißverstehen, auch hierzu ein eigenes und neues Kapitel.

      Es wurde auch nach einer Darstellung der aktuellen Gesamtsituation des heutigen Heidentums gefragt. Das ist aufgrund der Individualität und großzügigen Verteilung der Anhänger schwierig zu beantworten. Ich habe es versucht, soweit es aus meinem Blickwinkel und meinen Erfahrungen heraus möglich war, und dazu Ergänzungen im Kapitel Warum ich ein Heide bin vorgenommen.

      Nun denn, auf zum nächsten Gang …

      Erzählt man, man sei ein Heide, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, daß man vom Gegenüber viele Mißverständnisse und Vorurteile, aber wenig Einsicht und Verständnis erntet. Ob es sich beim Gegenüber um einen Christen, einen anderen Monotheisten oder Atheisten handelt, tut dabei wenig zur Sache. „Heide“ ist dabei kein Synonym für Atheist oder Nichtchrist, sondern beschreibt einen Anhänger einer oder mehrerer heidnischer Religionen, womit vorchristliche und im Rahmen dieses Buches europäische Polytheismen gemeint sind.

      Die Hauptursache für Verständigungsschwierigkeiten liegt meines Erachtens darin, daß in der westlichen Welt Definitionen und Bedeutungen von religiösen Begriffen wie „Glaube“ und „Gott“ sowie „Religion“ selbst allesamt aus dem christlichen Umfeld stammen und im Heidentum teilweise oder komplett anders besetzt sind. Der Leser hat sich vielleicht schon am Ende des obigen Absatzes gefragt, wie jemand mehreren Religionen folgen kann. Im Heidentum ist das kein Problem, auch wenn man dort dann oft von verschiedenen „Kulten“ statt von „Religionen“ spricht. Angesichts der Tatsache allerdings, daß sich die Pantheons verschiedener – aber gemeinsam ausgeführter – Kulte deutlich voneinander unterscheiden können, halte ich die Kategorisierung in verschiedene Religionen für durchaus statthaft.

      In diesem Buch werden zunächst die Begriffe „Religion“, „Glaube“, „Mythos“ und „Gott“ so beschrieben, wie sie zum Heidentum passen beziehungsweise wie sie im Heidentum verwendet werden. Bei Religion und Gott gibt es zwischen Heidentum und Monotheismen wie Christentum, Judentum und Islam enorme Unterschiede in der Begriffsdefinition, bei Glaube und Mythos ist die Bedeutung und Anwendung innerhalb einer heidnischen Religion eine deutlich andere.

      Danach folgen ein paar Worte zum Atheismus. Nicht, weil ich darin eine Kritik oder Gegnerschaft zum Heidentum sehe, sondern um herauszustreichen, daß der westliche Atheismus, der seine philosophische Grundlage im 19. Jahrhundert erhielt, eine Gegenposition zum Christentum darstellt und dessen Kritikpunkte im Heidentum zumeist irrelevant sind. Desweiteren gibt es in diesem Kapitel einige Anmerkungen zur Religionsfreiheit.

      Dann werden die Bereiche „Opfer“, „Magie“ und „Jenseits“ erläutert, über die es ebenso Mißverständnisse in der öffentlichen Wahrnehmung gibt wie über die grundlegenderen wie „Religion“ und „Gott“.

      An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, daß ich mich zwar bemüht habe, in allen Aussagen einen möglichst breiten Konsens innerhalb des heutigen Heidentums zu treffen, es aber selbstverständlich Heiden geben wird, die nicht mit allem einverstanden sind, was ich hier von mir gebe. Im Bereich „Magie“ mag das besonders der Fall sein. Ich habe ein naturalistisches Weltbild und bin überzeugt, daß nichts von dem, was wir erfahren, übernatürlichen Ursprungs ist.

      Philosophie und Theologie sind keine empirischen Wissenschaften. Ich persönlich halte sie gerade im Vergleich zu Naturwissenschaften für überhaupt keine Wissenschaften, sondern deren Inhalte für komplexe und auf hohem Niveau formulierte Meinungen. Das Niveau mag mitunter so hoch sein, daß man eine akademische Ausbildung benötigt, um sie zu formulieren, zu verstehen und weiterzuentwickeln, aber es bleiben unbeweisbare Ansichten, die man teilen oder ablehnen kann. In diesen Fächern eine objektive oder absolute Wahrheit anzunehmen oder gar zu propagieren, ist alles andere als statthaft, daher würde ich so etwas nie vertreten, und daher soll dieses Buch keinesfalls dahingehend verstanden werden.

      Nach all den Erläuterungen über die heidnische Begriffswelt, stelle ich vor, was mir speziell am nordisch-germanischen Heidentum so zusagt, ihm zu folgen, wobei ich auch eine große Bewunderung für das griechisch-römische hege.

      Gerade mit dem nordisch-germanischen Heidentum werden oft extrem rechts gerichtete politische Ansichten und somit die unheilvolle Vergangenheit des Dritten Reiches verbunden. Da all diese Umtriebe meines Erachtens aber keineswegs mit den in dem Mythen überlieferten Lehren übereinstimmen noch das Heidentum im Dritten Reich gesellschaftlich so relevant war, wie es heute manchmal hingestellt wird, hatte dies keinerlei Einfluß auf meine Entscheidung, ein Heide zu sein. Daher kommen einige ergänzende Erläuterungen zu diesem Thema in einem Nachtrag.

      Ein paar Hinweise zum Aufbau der Literaturangaben:

      Literaturhinweise sind in eckige Klammern gesetzt und bestehen aus einem Kürzel des im zitierten Werk zuerst genannten Autors sowie dem zweistelligen Erscheinungsjahr. Bei fehlender Eindeutigkeit ist der Hinweis durch einen kleinbuchstabigen Index ergänzt. Das Literaturverzeichnis ist nach Autorennamen und vollständigem Erscheinungsjahr sortiert.

      Bei Webseiten und anderen Online-Quellen wird ggf. statt eines Autorenkürzels der Name oder Bezeichnung der Seite verwendet. Im Verzeichnis ist der Zeitpunkt in Monaten referiert, an dem ich die Online-Quelle zuletzt in Augenschein genommen hatte und auf den sich auch die Jahresangabe im Hinweis bezieht, da sich der Inhalt oder der genaue Ort des Auffindens in Zukunft ja schnell ändern könnte.

      Bibelzitate sind in runde Klammern gefaßt und verwenden zum Teil die üblichen Abkürzungen. Deutsche Verse sind dabei generell der Einheitsübersetzung, lateinische der Vulgata entnommen [Bib12].

      Ich möchte noch klarstellen, daß dieses Buch weder eine missionarische noch eine sonstwie bekehrende Funktion ausüben soll, auch wenn die Mitgliederzahlen des organisierten Heidentums nebst entsprechender Dunkelziffer weltweit so gering und damit statistisch so unbedeutend sind, daß ein wenig Zulauf gewiß nicht schaden würde.

      Die Intention liegt darin, die vielfachen Mißverständnisse heutigem und altem Heidentum gegenüber aufzulösen und darzustellen, was einen Menschen am Heidentum faszinieren kann. Ich hoffe, so für eine bessere