Der Ring der Niedersachsen. Cornelia Kuhnert

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Название Der Ring der Niedersachsen
Автор произведения Cornelia Kuhnert
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783866741027



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das Leben unserer Männer aufs Spiel zu setzen, vielleicht hatten die Götter alles so vorherbestimmt, wie es kam, und es war nicht an uns, nicht an mir, zu intervenieren.

      Der blonde junge Mann trat an meine Seite, betrachtete den Ring. »Welch schöne Arbeit«, sagte er mit wohltönender Stimme. »Noch nie habe ich Derartiges gesehen. Darf ich ihn näher betrachten?«

      Ich hielt ihm meine Hand hin, bewegte die Finger hin und her, damit er die feine Schnitzerei, das glutvolle Glitzern bewundern könne.

      »Ah, ganz wunderbar. Gerne hätte ich einmal Ägypten gesehen, doch meine Auxilie3 wurde dort nie gebraucht, schade.«

      Ich zog meine Hand zurück. »Wer bist du? Ein Römer bist du nicht.«

      »Mein Name ist Arminius, römischer Bürger, geboren indes in deiner neuen Provinz. Des Tiberius’ Bruder brachte mich nach Rom, wo ich aufwuchs, unter der besonderen Gunst des Princeps. Ich führe eine Reiterkohorte, war bis vor Kurzem in Pannonien, und ich stehe ganz zu deinen Diensten, denn ich werde dich begleiten und beraten.« Er schloss mit einer angedeuteten Verbeugung.

      Augustus mischte sich ein, legte einen Arm um die Schulter des Blonden, den anderen um mich. »Ja, Quinctilius, ich gebe dir einen hervorragenden Mann mit, einen, der Land und Leute kennt, und dem du vertrauen kannst. Ich weiß es, denn er wuchs quasi in meinem Haus auf, da er aus einer Fürstenfamilie stammt. Er ist mir sehr ans Herz gewachsen.«

      Ich erinnerte des Tiberius’ Worte damals, als wir gemeinsam die Alpenprovinz eroberten. Augustus liebe die jungen Geiseln zu sehr.

      Einmal noch traf ich Naso, nur kurz und nicht allein. »Überstürze nichts, nimm dir Zeit, bis du die Provinzbewohner auf deiner Seite hast«, riet er mir, und, mit einem skeptischen Blick auf den Ring: »Traue den Griechen nicht, wenn sie Geschenke bringen. Homer wusste, was er sagte. Wirf ihn weg, diesen Ring, verschenke ihn, lasse dich nicht vom Princeps fangen.«

      »An dich verschenken, was?« Ich lachte. »Nein, Naso, sei unbesorgt, ich lasse mich nicht durch Geschenke abbringen von unserem Plan. – Und du, mein Freund, sei vorsichtig, diese letzten Zeilen deiner ›Metamorphosen‹ sind gefährlich.«

      Er reichte mir zum Abschied die Hände. »Ich weiß, Publius, aber ich konnte es mir nicht verkneifen. Gute Götter, man kann doch nicht immer stillschweigen und das Wissen, das man hat, nur für sich behalten. Es will heraus, es will sich verbreiten. – Und auch meine ›Liebeskunst‹ wird ihm nicht gefallen, sie steht zu sehr gegen seine Politik des züchtigen Lebens, der alten Sitten, gegen alles das, was er uns und dem Volk wieder auferlegen will, selbst aber nicht lebt. Doch genau das will ich mitteilen.«

      »Sei vorsichtig«, warnte ich noch einmal, »wir brauchen dich noch, Naso.«

      Ein letzter Händedruck, ein letzter konspirativer Blick. Naso, guter alter Freund.

      Ich freute mich auf meine Provinz, auf die Aufgabe, auf die Aussicht, die Welt zu verändern. Ich hatte dieses Land schon damals gemocht, als ich weiter im Süden weilte, aber hier, im Norden, war es noch grüner, noch sumpfiger, noch wilder. Pulchra mochte es nicht, schimpfte auf die Anordnung des Princeps, mich begleiten zu müssen. Diverse Mal hatte ich versucht zu ergründen, ob sie eher auf der Seite des Augustus stand oder gegen ihn, wie Julia, mit der sie gut befreundet gewesen war. Sie war ausgewichen. Also musste ich vorsichtig sein.

      Ich ließ sie zurück in Vetera, einem gut befestigten Zweilegionenlager am Rhenus, das allen Komfort bot, den ein Militärstützpunkt eben bieten konnte. Sie hatte mitreisen wollen in das Innere der Germania, doch ich lehnte ab, zu gefährlich sei es.

      Wir zogen los, meine Legionen und ich, auf gut ausgebauten Straßen, meine Vorgänger hatten ganze Arbeit geleistet in den letzten zwanzig Jahren. Die Lager entlang der Lupia waren gepflegt, die Häfen intakt, die Märkte florierten. In den neu gegründeten Städten mischten sich Römer und Einheimische, Handwerker und Händler, Arbeiter und Bauern. Unsere Männer liebten die blonden Frauen der Barbaren, die liebten unser Geld, unseren Schmuck, unsere Speisen. Nicht nur für die Legionen wurden jetzt Wein und Oliven, Südfrüchte und Würste die Flüsse heruntergeschafft, für die Fürsten der Stämme gehörte es zum guten Ton, gleiches auf den Märkten zu erwerben.

      Ich hatte mich gut vorbereitet, die Akten gelesen, in den Archiven gestöbert, mit meinem Vorgänger Saturninus gesprochen, und ich stellte fest, dass zwar die schriftlichen Zeugnisse nicht alle stimmten, die mündlichen indes schon. In den Gegenden, die wir kolonialisiert hatten, waren die Menschen ruhig, doch in den entfernteren Gebieten lebten die Einheimischen nach ihren alten Mustern – in Dörfern, die aus wenigen Häusern bestanden, zusammen mit ihrem Vieh, in Dreck, Schmutz, Kälte. Diese Menschen zogen noch immer gegen ihre Nachbarn zu Felde, stahlen deren Weiber und mageren Rinder und Ziegen. Hin und wieder versuchten sie, Raubzüge gegen die wachsenden Städte vorzunehmen, allein, die waren gut befestigt, unsere Männer besser bewaffnet, die hier lebenden Barbaren nicht bereit, auf das gute Leben zu verzichten. So wurden die Eindringlinge zurückgeschlagen, wagten immer seltener anzugreifen. Im Großen und Ganzen lag die Provinz ruhig, wartete auf weitere Erschließung.

      Ich bereitete den Rückmarsch nach Vetera vor, der Eindruck genügte für das erste Jahr. Erst in diesem Sommer in meiner Provinz eingetroffen, wollte ich nicht den Winter in den Tiefen des Landes, das ich noch nicht genügend kannte, verbringen. »Ich bleibe und führe Gespräche, wenn du nichts dagegen hast«, sagte der Blonde, »und bereite die Provinz weiter für dich und deine Pläne vor.«

      Was meinte er? Hatte er mich durchschaut? Aber nein, das konnte nicht sein, ich war vorsichtig gewesen. Dennoch konnte und wollte ich seine Bitte nicht abschlagen, zumal er des Augustus’ Günstling war. So ließ ich ihn und seine Reiter zurück. Es war wie eine Befreiung, seinen wachen Augen entronnen zu sein.

      Zurück in Vetera, richtete ich mich für den Winter ein. Das Lager war groß und bot Komfort, wenn auch keine Kultur. Pulchra langweilte sich, wurde missmutig, mied mein Bett. »Lass uns in die Belgica gehen«, bat sie.

      »Nein«, lehnte ich ab, »ich kann meine Provinz nicht verlassen, ich muss mich vorbereiten auf den Zug im nächsten Jahr. Geh doch allein, wenn du möchtest, ich gebe dir genügend Männer mit, um die Reise zu sichern.« Doch das wollte sie nicht. Der Princeps wäre erzürnt, reiste sie allein. Ich sagte nicht, was mir auf der Zunge lag, dass es egal sei, was Augustus denke und sage, bald habe er ohnehin nichts mehr zu sagen. Pulchra verließ schimpfend den Raum.

      Doch des Nachts legte sie sich wieder zu mir. Nach einigen Monaten verkündete sie, sie sei schwanger. Ich freute mich, verordnete ihr Ruhe und keinen Verkehr, es könne dem Kind schaden.

      Privatus, mein treuer Sklave, war es, der mir die Augen öffnete. »Ich hörte von einem der anderen Sklaven, Herr«, sagte er eines Abends, »dass die Dame Pulchra sich mit einem Einheimischen vergnügt, es schon während deiner Abwesenheit getan hat.«

      Ich starrte ihn an. Darum also! Sofort ließ ich Pulchra rufen. »Mit einem Einheimischen!«, brüllte ich sie an, »mit einem Barbaren treibst du es, versuchst, mir sein Balg als meines unterzuschieben! In Rom hast du doch auch aufgepasst.«

      Sie erbleichte, legte die Hände auf den Bauch, fing sich. »Du wagst es, mir Vorhaltungen zu machen? Was soll ich denn tun in dieser tristen Gegend? Sitzen und warten, dass du von deinem Feldzug nach Hause kommst? Ich stamme aus dem Hause der Claudier, ich bin ein anderes Leben gewohnt!«

      »Oh ja, du bist eine Claudierin, dem Princeps anverwandt, und so solltest du dich auch verhalten. Was ist, wenn er es erfährt? Ein Kind von einem Einheimischen! Du wirst froh sein, wenn du deine Insel mit Julia teilen kannst und dein Exil nicht schlimmer sein wird!«

      »Es ist nicht sein Kind, es ist deines! Beweise, dass es nicht von dir ist!« kreischte sie, Panik in den Augen.

      Ich fühlte, wie der Zorn in mir hochstieg, mir die Kehle zuschnürte und das Denken raubte. »Das wird Scribonia auch gesagt haben, als sie Augustus ihre Schwangerschaft gestand. Ich weiß nicht, ob er deine Geschichte positiv aufnehmen wird.«

      Pulchra wurde totenbleich. »Du redest wie einer von den Verschwörern.«