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Unser Plan wurde immer konkreter … bis Lukas die Riesenspritzen sah, mit denen man sich gegen alles Mögliche impfen sollte. „Daddy, am besten, du fliegst erst einmal alleine, fragst, ob Gott da ist, und ich flieg dann ein bisschen später hinterher!“

Teil 2 Meine eigene Entdeckungsreise

       Wir haben ihn verloren!“

      Also habe ich mich alleine impfen lassen und saß im März 2008 mit 20 anderen Deutschen und ganz viel Gepäck im Flieger nach Uganda. Was wollte ich dort eigentlich?

       1. Nicht immer nur über soziale Gerechtigkeit reden, sondern endlich was tun!

      Wobei ich zugeben muss, dass ich mir in diesem Moment in der Rolle des guten Menschen mit einem ausgeprägten sozialen Gewissen sehr gefiel. Was tut man nicht alles, damit Leute einen gut finden! Was würde ich für coole Geschichten erzählen können, wenn ich wieder zurück wäre …

       2. Ich wünsche mir eine Möglichkeit, eine Partnerschaft für unsere Gemeinde (ein Dorf, eine Schule, eine Kirche) zu beginnen, durch die wir zusammen aktiv mithelfen können, damit ein Ort mehr und mehr Gottes neue Welt erlebt!

      Das war mir jetzt wirklich ein Anliegen, ganz einfach deswegen, weil es die praktische Hilfe von Mitchristen gewesen war, die in der Zeit des Burnouts meinen Glauben hatte überleben lassen!

       3. Und natürlich wollte ich hier nachfragen, ob jemand Gott gesehen hat, damit ich Lukas davon erzählen kann!

      Stimmt das tatsächlich, dass man Gott trifft, wenn man einem Schwachen die Hand schüttelt? Das man sich mit Gott anfreundet, wenn man Freund von jemandem wird, der nichts zu essen hat? Läuft Gott tatsächlich in Uganda rum? Werde ich ihn tatsächlich selbst erleben?

      Stimmt das tatsächlich, dass man Gott trifft, wenn man einem Schwachen die Hand schüttelt?

      Auf jeden Fall schrieb ich zum ersten Mal in meinem Leben Tagebuch. Falls Er tatsächlich auftauchen würde, wollte ich das nicht verpassen! Los geht´s!

       50 Koffer nach Uganda

      Nach fast genau 24 Stunden Bahnfahrt, Flugzeug und Busreise haben wir unser Ziel Kampala erreicht. Allerdings geht’s erst mal nicht ins Hotelzimmer – also keine Dusche, kein Bett, obwohl es jetzt genau das wäre, was ich unbedingt bräuchte. Auf dem Programm steht aber zunächst eine Jubiläumsparty in der Naomi-Froese-Schule, um die es bei unserem Einsatz hier hauptsächlich gehen wird. Die Schule ist gerade zehn Jahre alt geworden, und wir sind natürlich die Ehrengäste, wie fast überall, wo wir ab jetzt hinkommen. Was mir zuerst auff ällt: Sobald wir aus den alten Bussen steigen, sind wir von Kindern umringt. Ein paar ganz Mutige sind anscheinend von den anderen „bestochen“ worden und trauen sich, unsere weiße Haut anzufassen.

      Irgendwann sitzen wir auf weißen Plastikstühlen – wie sooft in der nächsten Zeit –, um das Jubiläumsprogramm zu genießen. Wir werden in den nächsten Wochen ständig bei irgendwelchen Programmen dabei sein und meistens den Anfang und das Ende verpassen, weil noch andere Termine hinzukommen. Die Afrikaner haben einfach ein ganz anderes Zeitgefühl, und nie scheint jemand noch andere Termine zu haben oder nach Hause zu müssen, um sich auszuruhen. Jetzt sitzen wir also hier und genießen unsere ersten Eindrücke. Es werden viele Lieder gespielt, und die Gerüchte stimmen: Hier kann absolut jeder tanzen. Mir fällt auf, dass fast alle Kids die Mikrofone wie amerikanische Rapper halten. Die westliche Welt hat hier natürlich auch schon Einzug gehalten.

      Das Essen ist auch eine spannende Angelegenheit: Erst werden uns mit Wasser in großen Kanistern die Hände gewaschen, dann werden wir von lächelnden, vor uns knienden Damen abgetrocknet. Das ist schon ein komisches Gefühl! Es folgen gekochte Bananen, Obst (das angeblich gefährlich ist, weil es andere Keime hat als die zu Hause), Hühnchen (ich passe, weil meine Schwester Sonja mich gewarnt hat), Reis und immer so weiter. Wir bekommen Gabeln, alle anderen essen mit der Hand. Das Händewaschen hatte also nicht nur metaphysisch-symbolische Bedeutung.

      Nach dem Essen kommen ganz viele Reden. Die Afrikaner sind dankbar für die Naomi-Froese-Schule. Bildung ist hier absolut nichts Selbstverständliches. Ich erinnere mich an den Abend, als ich meine Tochter Jubilee mal ins Kino eingeladen habe, um zusammen „Die Päpstin“ zu sehen. Natürlich mit dem Hintergedanken, dass sie bestaunt, wie sehr Mädchen damals kämpfen mussten, um eine Schule besuchen zu dürfen. Ich weiß nicht, ob der Film meine Tochter tatsächlich dankbarer für ihre Hausaufgaben gemacht hat, aber ich weiß, dass sie zumindest von den negativen Umständen, den wenigen Bildungsangeboten, die es im Mittelalter für Frauen gab, beeindruckt war.

      Hier in Afrika ist es auch nur für Kinder mit verhältnismäßig wohlhabenden Eltern möglich, eine Schule zu besuchen, und diese Freude, diesen Stolz, dazuzugehören, kannst du wirklich bei allen – Eltern, Lehrern, Schülern – spüren.

      Fast jeder der locker 500 Leute, die hier rumsitzen, wird dann auch einzeln vorgestellt. Ein besonderer Höhepunkt ist erreicht, als wir der Schule ein Keyboard und ein paar der Gitarren übergeben, die meine Konfis gespendet haben, ebenso wie einen Haufen Fußbälle; jetzt kommt Stimmung auf.

      Mein persönliches Highlight sind die vielen Kinder. Total lebendig, fröhlich und gleichzeitig absolut diszipliniert. Einfach schön! Irgendwann verlassen wir die Party, was der Stimmung aber keinen Abbruch zu tun scheint. Nach einem letzten spontanen Abendbrot im Hause der Missionare, in dem wir die kommende Zeit hier untergebracht sein werden, dem Aufhängen der Moskitonetze und Ohrstöpsel-Ausprobieren – falls einer meiner fünf Zimmerkollegen schnarcht – falle ich knappe 35 Stunden nach dem Aufstehen ins Koma!

      Fazit des 1. Tages: Keine Ahnung, ob ich hier tatsächlich Gott finden werde. Keine Ahnung, ob ich hier irgendetwas Wertvolles, Gutes zurücklassen werde, obwohl ich das wirklich möchte. Aber schon nach den ersten Eindrücken ist mir klar, dass ich hier viel Gutes lernen werde.

       Wie ich mit einer schwarzen Gemeinde Polonaise tanze und als Jesus in eine Hochzeit platze

      Der Tag beginnt mit einem kanadischen Frühstück, Pfannkuchen und Ahornsirup. Unsere Gastgeber, die Stevensons, sind Kanadier, und das spielt mir natürlich in die Karten. Essen wie zu Hause mit der Familie. Als wir anschließend mit einer kleinen Gruppe durch die Slums von Motunga zu einem Einzimmergebäude mit dem obligatorischen Blechdach fahren, um einen Gottesdienst zu feiern, werden wir, auch schon obligatorisch, von einer Horde Kinder begrüßt. Wieder dieses Ritual im Gottesdienst: Alle Gäste werden einzeln vorgestellt und gebeten, ihre Geschichte zu erzählen. Mein Kommentar: „Ich bin hier, weil mein Sohn nicht mehr an Gott glauben kann, obwohl er ihn gerne treffen würde, und ich soll hier in Uganda nach ihm suchen!“ Das Statement wird interessiert, aber mit Unverständnis aufgenommen: „Wieso sollte jemand nicht an Gott glauben können? Der ist doch einfach überall!“

      Ich lasse den Blick über die hier versammelten Menschen streifen. Sofort fallen mir die angelesenen Infos ein, die ich mir vor der Reise reingezogen habe: Überall in diesem eigentlich so wunderschönen Land herrscht Aids. Auch hier gibt es kaum eine Familie, die nicht betroffen ist. Was mich an diesem Morgen total berührt: Fast jede Familie in dieser kleinen Kirche hat Aidswaisen als Kinder angenommen!

      Durch die schreckliche Krankheit fehlt fast eine ganze Generation.

      Durch die schreckliche Krankheit fehlt fast eine ganze Generation,,aber hier sitzen (bzw. tanzen) Omas, Opas, Onkel und Tanten und ihre neuen Kinder – und feiern einen Gott, der so unglaublich gut zu ihnen ist.

      Im Gottesdienst wird dann einer meiner Träume wahr: Ich darf mit einer afrikanischen Gemeinde und ganz vielen Kindern „When I think about his goodness“ („Wenn ich an Seine Güte denke“) singen. Mein Lieblings-Kinderaktions-Lied! Dabei wird natürlich eine verrückte afrikanische Polonaise getanzt. Irre! So ganz anders als die norddeutsche Variante, für die ich jetzt wohl für immer verloren sein werde.

      Nach dem Gottesdienst geht