Osteopathie und Swedenborg. David Fuller

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Название Osteopathie und Swedenborg
Автор произведения David Fuller
Жанр Медицина
Серия
Издательство Медицина
Год выпуска 0
isbn 9783941523395



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ihm eine längere, mehrjährige Reise zu den Zentren fortgeschrittener wissenschaftlicher Gelehrsamkeit in Europa bewillige. Swedenborg erhielt die Erlaubnis und musste sich daraufhin die Hälfte seines Lohnes mit drei Mitgliedern des Bergwerksdirektoriums teilen, die seine Pflichten während seiner Abwesenheit übernahmen. Swedenborg war jetzt einer der prominentesten Männer in Schweden. Bevor er Schweden verließ, besuchte er den König und die Königin, die ihn wohlwollend empfingen und seinen Dank entgegennahmen, den er ihnen wegen der bewilligten Abwesenheitserlaubnis überbrachte.58

      1736 begann Swedenborg seine Reise in Amsterdam, wo er jüngste Entdeckungen aus den Sektionslaboren bekannter Wissenschaftler wie Leeuwenhoek, Malpighi, Ruysch, Bidloo, Vieussens und Boerhaave studierte. Er machte sich darüber ausführliche Notizen und zitierte diese und alle anderen Quellen in seinen späteren anatomischen Schriften.59

      Während seiner vierjährigen Reise praktizierte Swedenborg eine von ihm entwickelte Meditationstechnik, die intensive Konzentration und eine veränderte Atemtechnik einschloss, insbesondere Hypoventilation.15* Er hatte diese Praxis über Jahre fortentwickelt und als Mittel kultiviert, um bei bedeutenden Sachverhalten Einsicht zu gewinnen. So erkannte er, dass die Einsichten, die er auf diesem Weg erhielt, ihm dabei halfen, wahre Tatsachen und wertvolle Wahrnehmungen von Fehlern und Irrtümern abzuscheiden. In seinen Schriften aus jener Zeit schilderte er seine Heiterkeit, die bei der Wahrnehmung der Wahrheit eintrat – er beschrieb auch, dass auch das Individuum selbst klar und gelassen werde, sobald alles andere klar und gelassen wird.60 1739 schrieb er im Rückblick auf diese Zeit, dass die Einsicht und echte Entdeckung der Wahrheit von

      „[…] einem heiteren Licht und einer freudvollen, bestätigenden Klarheit […] begleitet werde, „[…] welche um die Sphäre ihres Verstandes spielen; und eine Art rätselhafter Strahlung – ich weiß nicht, wann sie beginnt –, die sich in einem heiligen Tempel im Gehirn ausbreitet.”16*

      Er schilderte weiter diejenigen, die eine derartige Einsicht verfolgen, indem sie durch die Leidenschaft dieser Flamme entzündet würden und verstünden, dass alle Künste und Wissenschaften Mittel der Wahrheit seien, um echte Weisheit zu erlangen, nicht um des Stolzes willen oder um jemanden anderen zu beeindrucken. Er erklärte, dass das Haften am Selbst bloß zu fehlerhaftem Denken und zu Fehlschlüssen, schließlich zur Verwicklung in die Fäden eines missratenen Arguments führe, bis man sich selbst in den verwickelten Falten des Netzes, das man gewoben hat, einschließe und „[…] in Dunkelheit eingehüllt […] sei. Dies müsse in jedem Fall vermieden werden. Swedenborg sah die größte Gefahr für das Verstehen und seine Fähigkeit, die Wahrheit zu sehen und wahrzunehmen, im „[…] Durst nach Ruhm und der Selbstliebe.” Er suchte nicht nur Wahrheit beim Problem der Interaktion von Seele und Körper, er verwendete seine Studien selbst zugleich als Pfad für geistiges Wachsen, wobei er die eigenen, selbstbezogenen Tendenzen in den Hintergrund treten ließ, zugunsten einer Liebe zum Sein, das allein durch seine Klarheit erkennbar ist. 1739 beschrieb Swedenborg echte Wahrheitssucher als diejenigen, die ihr eigenes Selbst in den Hintergrund treten lassen,

      „[…] indem sie alles der Gottheit zuschreiben und sie als die Quelle betrachten, aus der alle Weisheit entstammt.”

      Von den ersten geistesblitzartigen Eingebungen und ihrer Bestätigung wird in Tagebucheintragungen während des Besuchs Swedenborgs in Amsterdam 1736 berichtet.61

      Swedenborg erkannte, dass manche Menschen eine große Begabung zur experimentellen Beobachtung besitzen, ja geradezu dazu geboren scheinen. Andere hingegen besitzen eine natürliche Fähigkeit, bereits entdeckte Tatsachen zu betrachten und die zugrunde liegenden Ursachen zu erkennen und zu bestimmen. Diese Fähigkeit vermag zu wachsen, wenn sie angewendet und entwickelt wird. Swedenborg war der Überzeugung, dass er vom letzteren Typ sei, und einige Zeit später, während seiner anatomischen Studien in Europa, hörte er damit auf, eigene Sektionen vorzunehmen und originäre Beiträge zur anatomischen Forschung vorzulegen, sodass er nicht länger allzu sehr von den Details desjenigen gefangen genommen werden konnte, worüber er arbeitete, sondern solche anatomischen Tatsachen objektiv betrachten konnte, die von anderen entdeckt worden waren. Er befasste sich mit den bedeutendsten Anatomen Europas, absorbierte deren Arbeiten und zog seine eigenen Schlüsse aus dieser Ansammlung anatomischen und physiologischen Wissens. Seine gesamten anatomischen Arbeiten hindurch zitierte er stets die Quellen seiner Informationen und ergänzte diese dann um eigene Einsichten und Anschauungen, womit er beeindruckende, einzigartige und weitreichende Paradigmen entwarf. (Sie werden später in diesem Buch untersucht.) Obgleich er anatomische Studien und Informationen seiner Zeit verwendete, unterscheiden sich Swedenborgs Überlegungen, Einsichten und Schlussfolgerungen stark von denjenigen der damaligen Wissenschaftler und Philosophen.62

      OECONOMIA REGNI ANIMALIS 17*

      Im Herbst 1736 verließ Swedenborg Holland und reiste nach Paris, wo er schließlich in der Rue de l’Observatoire blieb, die einen Steinwurf von der erst kurz zuvor eingerichteten Schule für Chirurgie und Sektion entfernt lag. Sie war unter königlicher Förderung durch Ludwig XIV. geschaffen worden und stand unter Leitung der medizinischen Fakultät, deren Direktor Doktor Petit war. Während seines anderthalb Jahre dauernden Aufenthaltes in Paris widmete Swedenborg sich anatomischen Studien und Sektionen, aber in seinen persönlichen Büchern finden sich darüber nur wenige Aufzeichnungen. Scheinbar ging er gänzlich in seinem Studium der Anatomie und in der Arbeit an seinem nächsten größeren Werk, der Oeconomia regni animalis, auf.63

      Im März 1738 verließ er schließlich Paris und bereiste Italien, wo er das darauf folgende Jahr und einige weitere Monate verbrachte. Während der ersten fünf Monate in Italien entwickelte Swedenborg seine Überlegungen weiter und schrieb an einer Abhandlung über das Gehirn18*, deren über 1.000 Seiten drei Abschnitte umfasst. Im August 1738 vollendete er einen ersten Überblick über das Gehirn in Venedig. Historiker bezeichnen es als das Venezianer Werk. Ursprünglich hatte Swedenborg geplant, seine Oeconomia regni animalis mit dieser Arbeit über das Gehirn zu eröffnen. Doch er änderte sein Vorhaben und begann diese physiologische Buchreihe stattdessen mit einer Abhandlung über das Blut.64

      Für Swedenborg war es ein selbstverständliches und bestimmendes Bestreben, die Existenz der Seele im Körper zu beweisen und die Interaktion zwischen beiden aufzuzeigen. Er bemerkte einen wachsenden Materialismus in der gelehrten Welt und die daraus resultierenden Zweifel an der Existenz Gottes und am Leben nach dem Tod. So hoffte er, durch den Beleg der tatsächlichen Existenz der Seele und ihrer Interaktion mit dem Körper den führenden Denkern seiner Zeit zu helfen, Gott und das Leben nach dem Tod anzuerkennen sowie eine tiefere Wertschätzung des menschlichen Körpers zu entwickeln.65

      Swedenborg reiste im Juni 1739 weiter nach Amsterdam, wo er den ersten der beiden Bände der Oeconomia regni animalis schrieb. Dieses Werk wurde 1845 erstmals durch August Clissold ins Englische übersetzt und erhielt den Titel The Economy of the Animal Kingdom.19* Dabei handelt es sich um die erste Übersetzung ins Englische, weshalb das Werk bis heute unter diesem Titel bekannt ist. Indessen lag aber eine weitere Übersetzung des Titels vor: Dynamic of the Soul’s Domain20*, die das Werk sehr viel besser bezeichnet. Swedenborg beendete im Dezember 1739 den ersten Band und blieb in Amsterdam, um den Druck und das Lesen der Korrekturfahnen bis zur Veröffentlichung des Bandes Oktober 1740 neun Monate lang zu überwachen. Während dieser Zeit schrieb er weiter über das Gehirn und ergänzte das Venezianer Werk um zusätzliches Material (die Amsterdamer Zusätze). Er hatte demnach bereits mit der Arbeit am zweiten Band der Oeconimia regni animalis begonnen.66

      In dieser Zeit notierte Swedenborg in sein Tagebuch: „Diese Sachverhalte sind wahr, weil ich das Zeichen habe.” Dabei handelt es sich um eine jener Erfahrungen, die zuvor im Zusammenhang mit seiner Meditationstechnik erörtert wurden, und es scheint eine der ersten Episoden von Swedenborgs Geistesblitzen und ihrer Bestätigung gewesen zu sein.67

      Im November 1740 kehrte er schließlich wieder nach Schweden zurück und nahm seine offiziellen Pflichten wieder auf. Die Veröffentlichung des zweiten Band der Oeconomia regni animalis erfolgte dann 1741. Die Oeconomia regni animalis wurde in den Rezensionen anatomischer und medizinischer Fachkreise in Europa mit viel Beifall bedacht. Offensichtlich wurde