Josephine Baker. Mona Horncastle

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Название Josephine Baker
Автор произведения Mona Horncastle
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783990406007



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lässt sie von nun an jeden Abend ihre Nummer „tanzen“.

      Als die Dixie Steppers 1921 die Stadt verlassen, bleibt Josephine in Philadelphia. Josephine darf ihre Clown-Rolle bei der Sandy Burn’s Company, der festen Truppe des Standard Theatre, weitertanzen – sie macht einen weiteren Versuch sesshaft zu werden und heiratet im September Billy Baker. Alles scheint zunächst gut zu laufen: Das Paar wohnt bei Billys Familie, die ein gut gehendes Restaurant betreibt, und Josephine baut ihre Performance aus.

      Josephines Tanz ist von Anfang an vielschichtig: Zu allererst hat sie einen sehr intuitiven Zugang zu Musik und versteht ihren Körper als weiteres „Instrument“: „Ich höre der Musik zu und tu, was sie mir sagt.“33 Hinzukommt die Tradition der schwarzen Tänze wie Shimmy, Shake, Quiver, Grind und Mess Around, die Josephine (später) mit Charlston-Elementen mischt. Sie tanzt alles „cool“, also mit schnellen und wilden Bewegungen aller Körperteile, im Gegensatz zu „hot“, mit schnellen Schritten. Ein Zuschauer beschreibt das so: „Sie streckt ihren Bauch raus, sie schwingt ihre Hüften, verdreht ihre Arme und Beine und wackelt mit dem Po.“34 Zu all dem zieht sie Grimassen, sie schielt und immer wieder lacht sie über sich selbst. Damit folgt sie einer Tradition, die vor ihr die Tänzerin Mama Dinks geprägt hat. Bereits Jahre vor Josephine hat diese als unangefochtener Star der Chorus Line gezeigt, wie man erfolgreich aus der Reihe tanzt: Wild kostümiert, mit goldenem Lippenstift mischt sie effektvoll selbstironische Komik mit erotischen Parodien, tanzt den Bellydance und den Chicken Walk mit schlenkernden Armen, schielend und grimassierend, um schließlich einen Bühnenabgang mit gebeugten Knien zu machen, mit dem rausgestreckten Po wackelnd.35

      Shuffle Along!

      „Wenn du ein ganz normales Mädchen ohne Geld warst, gab es nur drei Möglichkeiten der Armut zu entkommen: als Dienstmädchen, Prostituierte oder als Tänzerin.“

      Die Bühne, ganz gleich in welcher größeren Stadt, ist zu dieser Zeit das Ziel aufstrebender schwarzer Kunstschaffender. Noch immer herrscht bei Vorführungen die Segregation: Weiße spielen für Weiße. Schwarze spielen für Schwarze. Eine Ausnahme bilden schwarze Musizierende, die als Band in Restaurants und Bars auftreten. Als Weißer eine schwarze Show zu besuchen, ist noch immer ein Tabu.36

      Doch ein Ausweg aus dem Dilemma, dass bis 1920 kein Weißer sich nach „unten“ ins Parket setzt, während „oben“ auf der Bühne ein schwarzer Künstler steht, das Interesse an Jazz und dem dazugehörigen Bühnenspektakel allerdings auch außerhalb der schwarzen Community vorhanden ist, sind die sogenannten Minstrel Shows: Bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts adaptieren (zumindest im Norden der USA) weiße Künstler die Tänze und Showeinlagen von Schwarzen, sie spielen Jazzmusik und sie malen sich schwarz an. Dieses aus heutiger Sicht ausgesprochen fragwürdige „Blackfacing“ zeigt über die Jahre Wirkung – die Kultur der Schwarzen wird durch weiße Darstellende, die das Klischee eines Schwarzen auf die Bühne bringen, salonfähig. Beschleunigt wird der Prozess von der sich wandelnden Musikindustrie, die Jazzmusiker populär macht. Jazzplatten werden zu Bestsellern, und am Broadway hält Jazz Eingang in die neuen Musical-Produktionen. Komponisten und Musiker wie Irving Berlin, Jerome Kern, Cole Porter, Richard Rodgers und Paul Whiteman machen Karriere – und alle sind weiß.

      Doch im April 1921 wird Shuffle Along das erste erfolgreiche „All-Black-Musical“. Die Musik stammt von Eubie Blake, die Gesangstexte von Noble Sissle, alle Darstellenden sind schwarz. Die Handlung ist burlesk – Betrug, Misstrauen, eine Liebesgeschichte, eine Schlägerei und schließlich der Triumph der Gerechtigkeit – und wird durch Tanz- und Gesangsnummern zusammengehalten. Vor allem die Darstellung einer Liebesgeschichte zwischen Schwarzen ist ein Tabubruch. Der Erfolg von Shuffle Along markiert die Öffnung für afroamerikanische Shows am Broadway.

      Als Josephine 1921 von Shuffle Along hört, gibt es für sie kein Halten mehr. Wilsie Caldwell, eine Tänzerin, die sie aus dem Restaurant ihres Schwiegervaters in Philadelphia kennt, hat es geschafft, in dem Musical engagiert zu werden. Durch sie bekommt Josephine einen Termin zum Vortanzen bei Eubie Blake und Noble Sissle in New York – und wird abgelehnt. Dieses Mal nicht, weil sie die falsche Hautfarbe hat, zu klein ist und zu dünn, sondern schlicht noch zu jung. In einem Brief wird Noble Sissle später schreiben: „Ich werde sie nie vergessen. Sie ging, ohne ein Wort zu sagen, mit Tränen in den Augen. (…) Das Letzte, was wir von ihr sahen, war, wie sie durch den strömenden Regen davonging. (…) Sie öffnete noch nicht mal den großen Schirm, den sie bei sich trug. Wir hatten Mitleid mit ihr, aber wir wollten den Broadway erobern, und das Gesetz schrieb für alle Künstler auf der Bühne 16 Jahre vor.“37 Für Josephine ist die Enttäuschung groß, aber es ist auch nur noch eine Frage der Zeit, bis sie eine zweite Chance erhält.

      Der wachsende Erfolg von Shuffle Along in New York ermutigt die Produzenten, ein Ensemble zusammenzustellen, das die Show auch in anderen Städten zeigt. Josephine verlässt ihren Mann, kündigt ihr Engagement und steigt wieder in den Zug nach New York. Wochenlang spricht sie täglich beim Inspizienten, Al Mayer, vor und wochenlang wird sie abgewiesen – dieses Mal, weil sie anscheinend zu schwarz ist. Doch ihre Hartnäckigkeit führt schließlich zum Erfolg: Mayer gibt entnervt auf und besetzt sie für Shuffle Along II in New Haven.

      Gleich in der ersten Show, als alle Tänzerinnen nach einer Nummer atemlos auf den Applaus warten, tanzt Josephine wortwörtlich aus der Reihe: Sie improvisiert eine clowneske Tanznummer. Das Publikum tobt, die Truppe hasst sie dafür, Mayer will sie sofort feuern, doch Eubie Blake, der Komponist von Shuffle Along, hört von Josephines Erfolg und hält ihn davon ab.38 Mit ihrer Nummer schafft sie es, in fast allen Kritiken erwähnt zu werden. Ihr wird „ein ungewöhnliches Rhythmusgefühl“ attestiert, sie wird als „geborene Komikerin“ bezeichnet und der Rezensent des Dance Magazines schreibt:

       „Sie war nur das kleine Girl am Ende der Chorus Line, doch sie war nicht zu übersehen, und wer sie einmal gesehen hatte, konnte sie nicht mehr vergessen. (…) Sie beherrschte es meisterhaft, ihre Knie exzentrisch einknicken zu lassen. Und dann ihre Augen! Genau in dem entscheidenden Moment, wenn die Musik mit ‚He’s just wild about, can not live without, he’s just wild about me‘ ihren Höhepunkt erreichte, begann sie zu schielen. Ein schielendes schwarzes Mädchen ist nicht besonders schön oder reizvoll, aber die eingeknickten Knie und die Schielaugen waren mit ein Grund dafür, dass die Tanzgruppe immer wieder auf die Bühne kommen musste und unvergessliche Zugaben darbot.“39

      Damit hat Josephine die Aufmerksamkeit, die sie gesucht hat. Sie bringt ihr zwar die Eifersucht ihrer Kolleginnen ein, die sie ausschließen und schikanieren, doch Josephine geht souverän damit um – wird ihr auf der Bühne ein Bein gestellt, übertreibt sie ihr Stolpern, wird sie aus der Garderobe verbannt, schminkt sie sich auf der Toilette – nichts, so scheint es, kann Josephine etwas anhaben, es ist der Preis, den sie zu zahlen hat. Konflikte und Gerüchte finden ebenso schnell ihren Weg wie Erfolgsberichte. Sissle und Blake schicken schließlich einen ihrer altgedienten Tänzer, um sich ein Bild von Josephine zu machen, ohne zu ahnen, dass es sich um jenes Mädchen handelt, das sie ein Jahr zuvor nach Hause geschickt haben, weil es zu jung war. Er kommt begeistert zurück: „Holt euch das Mädchen. Sie ist das Tollste, was ich jemals gesehen habe!“40 Josephine hat es geschafft. Anfang 1922 wird sie festes Ensemblemitglied der Produktion Shuffle Along in New York.

      Die 63rd Street Music Hall, wo Shuffle Along aufgeführt wird, liegt nahe des Columbus Circle in einer eher unwirtlichen Gegend, aber immerhin noch so nah am Broadway, dass die wichtigen Kritiker den Weg nicht scheuen, um sich selbst einen Eindruck von dem Musical zu verschaffen. Denn die Tatsache, dass ausschließlich Schwarze ein Stück für Weiße auf die Bühne bringen, hat nach wie vor das Potenzial für einen Skandal. Das Interesse des weißen Publikums für Jazzmusik und Vaudeville ist 1921 zwar nichts Neues mehr, aber immer noch gilt: Schwarze spielen für Schwarze und Weiße spielen für Weiße.

      Doch dann schreibt einer der führenden Theaterkritiker, Alan Dale, im New York American: „Alle ihre