Zeckenalarm im Karpfenland. Werner Rosenzweig

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Название Zeckenalarm im Karpfenland
Автор произведения Werner Rosenzweig
Жанр Зарубежная классика
Серия
Издательство Зарубежная классика
Год выпуска 0
isbn 9783954888030



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1983 wieder in ihre fränkische Heimat Röttenbach zurück. Sechs Jahre später, im September 1989, heiratete sie Bruno Fuchs, Theresas Sohn. Die Ehe blieb kinderlos. Nachdem viele Jahre später Julias Sohn Michael im Alter von fünfundzwanzig Jahren in der Sandstraße einen eigenen Hausstand gründete, bauten sich die beiden Eheleute im Neubaugebiet „Bucher Weg“ ein neues, schmuckes Einfamilienhäuschen. Geld war ja genug da. Julia und Bruno führten eine gute Ehe. Die Kritik, dass sie zu viel rauche, musste sich Julia allerdings immer wieder von ihrem Mann gefallen lassen.

      Die Fuchsn Deres hatte als gute Nachbarin der Holzmanns Kunni und der Bauers Retta angeboten, ihnen bei der Organisation ihrer bevorstehenden Geburtstagsfeierlichkeiten mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Sie wusste, dass die Kunni Probleme mit ihren Knien hatte und immer öfter auf ihren Rollator angewiesen war. Wie oft hatte sie ihr schon geraten, etwas abzunehmen. Bei einer Körpergröße von nur einem Meter neunundfünfzig waren fünfundachtzig Kilogramm Lebendgewicht einfach zu viel. Kein Wunder, dass die Pfunde auf die maroden Gelenke drückten. „Edz lass mi doch endlich in Ruh mid deine schdändichn Radschläch“, bekam sie immer wieder von der Kunni zur Antwort, „du waßd doch, dassi gern viel und gud ess! Mier schmeggds hald! Wie solln iech do abnehma?“

      Die Retta war das Gegenteil von Kunni Holzmann. Rank und schlank war sie und lief ausdauernd wie ein Mercedes Diesel. Aber ihr machte die Gicht in ihren Fingergelenken immer mehr zu schaffen. Das feinste Gehör hatten zudem beide nicht mehr. Ein Hörgerät wollten sie aber auch nicht tragen. „Dees is doch was fier alde Leid“, pflegten sie zu behaupten, „nix fier uns junge Hubfer!“

      Nun saßen sie in Kunnis Küche, jede eine geöffnete Flasche „Storchenbier“ von der Brauerei Sauer vor sich. Biergläser brauchten sie nicht. Sie tranken aus der Flasche. Die Zeiger der Wanduhr krochen langsam, aber beständig auf zwanzig Uhr zu, und die drei Witwen waren gerade mit einem späten, deftigen Abendessen zu Gange. Auf einer riesigen Platte waren roter und weißer Presssack, geräucherte Leberwurst, Obatzter, grobe Mettwurst, aufgeschnittener Leberkäse, geräucherter Schinken und eine knoblauchhaltige Stadtwurst angerichtet. In einem kleinen Suppenteller lagen dünn geschnittene, kräftig gesalzene Rettichscheiben, und das frisch geschnittene Bauernbrot von Peters Backstube duftete verführerisch. Deutsche Markenbutter, ein Glas Gewürzgurken und aufgeschnittene Tomaten aus dem eigenen Garten rundeten das verlockende Essensangebot ab. Kunigunde Holzmann hatte den Hals der Bierflasche mit geschlossenen Augen an ihre Lippen angesetzt und entließ den Gerstensaft gluckernd und genießerisch in ihre Kehle. „Aah, dud dees gud! Es gibd doch nix ieber an gscheidn Schlugg frischs Sauer Bier, wemmer durschdich is“, kommentierte sie, nachdem sie die Flasche wieder auf den Tisch zurückgestellt hatte. „Also Maadli, wos is edz? Wu schdemmer denn in unserer Blanung?“, wollte sie wissen. „Lang zu, Deres, der Bressagg is vom Baumüller. Ganz frisch. Habbi heid erschd kaffd. Soller der an Senfd dazu hulln, odder mogsd lieber an Sahnemeerreddich? Schmeggd aa gud!“

      „Na, Kunni, dangschee, iech kann auf der Nachd nemmer suviel essn. Bekummd mer ned. Lichd mer bloß im Moogn. Abber– weilsd scho fragsd – iech hab mer dengd, dees Kugnbaggn iebernehm iech. Do brauchd iehr eich scho nemmer mid zu belasdn. Habd eh gnuch um die Ohrn. Und Eikaafn kanni aa. Blabds denn edz beim sibbzehndn Augusd? Eiere große Feier? Wieviel Leid habd der denn ieberhabds eigloodn?“

      „No, du gfällsd mer, Deres!“, antwortete die Kunni. „Die Fuchsn Werdschafd habbi scho vor ieber an Joahr reserviern lassen! Die zwaa Wirdsschduubn und dees Nebenzimmer. Gschlossne Gsellschafd! Die Retta had am fuchzehndn Augusd Geburdsdooch, dees waßd ja, und iech zwaa Dooch schbäder. Do hammer uns dengd, dass mer gor nemmer lang rummachn und gleich am sibbzehndn feiern. Dees is a Freidooch. Do kenna die Leid am näxdn Dooch aa ausschloofn.“

      „Wieviel werns denn sei? Wer kummd denn alles?“, hakte die Theresa nochmals nach.

      „Dees wiss mer edz doch aa ned auswendich, wen mier alles eigladn hamm. Dees misserdn mier edz aa erschd nochschaua“, meldete sich nun die Retta zu Wort, nachdem sie ebenfalls einen kräftigen Schluck Bier genommen hatte und leicht rülpste. „Jedenfalls kumma su umera hunerdfufzich Leid, die meisdn aus Röttenbach, abber aa a boar Auswärdiche sen dabei. Danzd werd aa. Der Gerald Harter machd Mussigg im Nebenzimmer. Der had scho lang zugsachd, dasser kummd!“

      „Jessasla, do musser mer ja exdra was Neis zum Oziehchn kaafn“, meinte die Fuchsn-Nachbarin. „Habd der dees Essn a scho bschdelld?“

      „Naa, dees langd nu a Wochn vorher, had die Wirdin gmaand, abber deswegn hoggn mier edzerdla ja aa grood zamm“, kam die Kunni wieder zur Sache. „Wos maandn na iehr, was mer zum Essn bschdelln solldn?“

      „Auf jedn Fall nix Ausländischs!“, schlug die Retta vor.

      „Do gebber der scho rechd, Redda“, bestärkte sie die Theresa Fuchs, „do solled iehr scho bei der deidschen Kichn bleibn.“

      „Dees habbi eigendli ned damid gmaand“, widersprach ihr die Retta. „Fier miech is a rheinischer Sauerbradn mid Rosina in der Soß aa was Ausländischs! Iech deng mier solledn scho ehra in unserer Gegend bleibm mid der Auswahl vo dem Essn. Was maansd no du Kunni? Sogsd goar nix mehr!“

      „Dees hängd ja aa a weng vom Wedder ab, maan iech. Wenns draußen dreißg Grad had, waßi aa ned, ob mer a Schäuferla schmeggn däd. Iech schlooch vor, wir dreffn a edwas breidere Auswahl. A Wochn vor der Feier, wenn mier wissen wie dees Wedder wern soll, legn mier uns endgüldich fest. Was maandnd iehr?“

      „Allmächd!“, Retta sah auf die Uhr und schoss hoch, wie von der Tarantel gestochen. „Is heid ned der achdazwanzigsde Juni?“

      „Und was is am achdazwanzigsdn Juni?“, riefen die beiden anderen im Chor.

      Retta schlug sich auf die Stirn, „No, heid schbieln doch die Deidschn gegen die Schbagheddifresser im Halbfinale! Wer gwinnd kummd ins Endschbiel gegen die Schbanier! In zehn Minuddn gehds los!“

      „Kunni sah ebenfalls zur Uhr. „Schnell“, würgte sie auf ihrem Bauernbrot kauend hervor, „räumer ab! Redda, schdell die Wurschdbladdn, die Budder und dees Gurgnglas in Kiehlschrank nei! Deres, schald scho amol den Fernseher ei. Wer will nu a Bier?“

      „Iech!“

      „Iech aa!“

      „Redda, die Deidschlandschminke is aa im Kiehlschrank. Brings mied ins Wohnzimmer! Iech hul schnell nu die Deidschlandfohna ausm Keller. Bin glei widder da.“

      Punkt zwanzig Uhr fünfundvierzig saßen die drei Witwen auf dem Sofa. Jede hatte zwei breite, schwarz-rot-goldene Streifen auf den Backen. Kunni schwang die Deutschlandflagge gefährlich nahe an der Wohnzimmerlampe vorbei. Retta trötete auf einer Vuvuzela, welche die Kunni noch im Keller gefunden hatte. Die Theresa war mit einer Trillerpfeife ausgestattet worden. Als die deutsche Nationalhymne erklang, sangen alle drei aus voller Kehle: à „Einichkeid-und-Rechd-und-Frei-heid-für-das-deudsche-Va-hader-land-danach-lassd-uns-alle-schdre-heben-briederlich-mid-He-herz-und-Hand …“

      „Warum singa der deidsche Necher, der deidsche Dirg und der deidsche Bollagg ned mied?“, erboste sich die Kunni.

      „Die dädi gor ned aufschdelln“, gab ihr die Retta recht. „Wolln Deidsche sei und singa dees Deidschlanlied ned mied! Is a Schand! Wenn iech der Joogi Löf wär, dena däd iech abber schee die Meinung geign. Suwas geberds bei mier ned! Dees is doch a wergli a Schand, und die ganze Weld schaud zu.“

      Als der französiche Schiedsrichter wenige Minuten später das Spiel anpfiff, wurde Kunnis Wohnzimmer zum Tollhaus. „Renn, renn, renn“, schrie Retta, als Özil den Ball nach vorne passte. „Schieß, schieß, schieß“, rief die Kunni, als der vorgestürmte Hummels versuchte, die Kugel im gegnerischen Tor unterzubringen.

      „Wer isn der idaljenische Necher, dem des Sauergraud ausm Kubf wächst?“, wollte Theresa Fuchs wissen.

      „Dees is doch der idaljenische Middlschdürmer, der Ballodelli, kennsdn du denn den ned?“, fragte die Retta verwundert.

      „Ballodelli? Ballodelli? Is dees ned a Nudlsordn?“, bezweifelte Theresa Rettas Sachkenntnis.

      Das