Название | Loverboy |
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Автор произведения | Astrid Seehaus |
Жанр | Зарубежные детективы |
Серия | |
Издательство | Зарубежные детективы |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783940002396 |
Eichsfeld - Dienstagnachmittag
Heiligenstadt - Dienstagnachmittag
Heiligenstadt - Mittwochnachmittag
Erfurt - später Freitagnachmittag
Nach Heiligenstadt - Freitagabend
Erfurt - die Nacht auf Sonntag
Erfurt - die Nacht auf Dienstag
Weimar - die Woche darauf - Dienstag
Heiligenstadt - Donnerstagvormittag
Prolog
Die Panikattacke kam ohne Vorwarnung. Als ob zwei Hände ihren Hals umklammern und kräftig zudrücken würden. Ihr Herz schlug hart gegen die Brust, es raste, stolperte und raste weiter. Sie versuchte, flach und regelmäßig zu atmen. Doch sie bekam kaum Luft. Ihre Finger krallten sich in die Bettdecke. Ohne die Umgebung wahrzunehmen, starrte sie in das Dunkel des Zimmers und hoffte, dass der Druck auf ihre Kehle nachließe. Es machte ihr Angst, wieder in diesen Strudel unbekannter Tiefen hinabgezogen zu werden, aus dem es kein Entrinnen gab.
Sie unterdrückte ein Stöhnen.
Mit dem letzten Quäntchen Willen, das ihr geblieben war, bäumte sie sich auf, um wieder Kontrolle über ihren Körper zu erlangen, aber es fehlte ihr jegliche Kraft. Ihr schien, jemand drücke sie mit aller Gewalt auf die Matratze. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als auszuhalten. So musste es sich anfühlen zu sterben.
Nach einer Weile versuchte sie erneut, ihrer Atmung einen gleichmäßigen Rhythmus aufzuzwingen, sie konzentrierte sich nur auf das Einsaugen und Ausstoßen der Luft. Atmete, kämpfte gegen das Ersticken an, atmete, fühlte, dass der Druck in der Brust nachließ, atmete tiefer, langsamer. Atem war Leben. Und sie lebte, weil sie atmete, weil genügend Sauerstoff ihre Lunge erreichte.
Ihr Körper zitterte, als ob er schwere Arbeit geleistet hätte, und sie horchte in sich hinein. Das Wummern in der Brust hatte nachgelassen, aber sie konzentrierte sich weiter auf das Strömen des Atems, bis es ganz gleichmäßig wurde. Erst dann wagte sie es, die Beine unter der Bettdecke frei zu strampeln, sich aufzusetzen und mit ihren Füßen die kalten Holzdielen nach den Hausschuhen abzusuchen, die sie vor dem Schlafengehen achtlos abgestreift hatte. In der Dunkelheit konnte sie kaum die Zeiger des Weckers auf ihrem Nachttisch erkennen. Es musste fast drei Uhr morgens sein. In drei Stunden würde es dämmern. Sie würde wieder zu wenig geschlafen haben und sich zusammenreißen müssen, damit niemand ihren erbärmlichen Zustand bemerkte. Sie musste stark bleiben. Hastig wischte sie die Tränen aus den Augenwinkeln und stand auf.
Ohne das Licht anzuschalten, tastete sie sich zur Küche. Erst dort betätigte sie den Lichtschalter. Die plötzliche Helligkeit blendete sie, sodass sie die Augen zukniff und sich leicht schwankend am Türrahmen festklammerte. Wann hatten diese Panikattacken eigentlich angefangen? Zeitgleich mit ihrem Verschwinden oder schon vorher?
Auf wackeligen Beinen erreichte sie die Küchenzeile, holte eine Packung Milch aus dem Kühlschrank und griff, ohne hinzusehen, nach dem Honigglas, das in einem Regal daneben stand. Sie wusste, dass warme Milch mit Honig ihr nicht helfen würde, wieder einzuschlafen, aber es war besser, etwas zu tun, als sich untätig der Angst auszuliefern. Sie setzte den Topf mit Milch auf den Herd und achtete darauf, keine unnötigen Geräusche zu verursachen. Gedankenverloren lutschte sie den Honig vom Löffel ab und verschluckte sich. Sie rang nach Luft und sah erschrocken zur Tür. Hatte man sie gehört? Sie hoffte nicht. Sie wollte keine Erklärungen abgeben und sich dabei wieder verstellen müssen. Das war nicht ihre Art.
Aber niemand im Haus rührte sich. Heute Nacht blieb sie allein. Mit sich. Mit ihren Gedanken. Und mit ihren Sorgen.
Sie zog den Topf vom Herd, bevor die Milch aufschäumte, und goss den Inhalt in eine Tasse. Den Löffel versenkte sie in der weißen Flüssigkeit und vergaß zu trinken.
Ihre Gedanken drifteten ab in eine Zeit, in der sie jung gewesen war. Nicht naiv, wie man in dem Alter vermuten könnte, sondern mit einem starken Willen, die Zukunft selbst zu gestalten und nicht andere über das eigene Leben bestimmen zu lassen. Hätte sie damals vorhersehen müssen, dass ihre Entscheidung Jahre später solche Folgen zeitigen würde? Hätte sie anders gehandelt, wenn sie gewusst hätte, was passieren würde?
Unwillkürlich schüttelte sie den Kopf. Nein. Es gab Entscheidungen, bei denen einem von Anfang an bewusst war, dass sie zu nichts Gutem führen würden, und trotzdem ließen sie sich nicht abwenden. Vermutlich war es eine Frage der Persönlichkeit, ob man jahrelang grollte oder nicht.