Speck Schnaps Mord. Ernest Zederbauer

Читать онлайн.
Название Speck Schnaps Mord
Автор произведения Ernest Zederbauer
Жанр Зарубежные детективы
Серия
Издательство Зарубежные детективы
Год выпуска 0
isbn 9783990403648



Скачать книгу

einen gütigen Wink des beamteten Schicksals wusste er nämlich, dass seine beiden Freunde Dienst hatten und daher keine Gefahr drohte. Es war bereits weit über Mitternacht, als er auf dem schmalen Güterweg von Aichau nach Hochstätt fuhr. Er fuhr langsam und nicht immer gerade. Stockdunkel war es, eine Neumondnacht, und daher, so wie er es formulieren würde, „finster wie in einem Arschloch“. Dann und wann geriet er in das weiche Gras am linken oder rechten Fahrbahnrand, ohne jedoch stecken zu bleiben. Just in dem Augenblick, als er Gefahr lief, einem Sekundenschlaf zum Opfer zu fallen, nahm er in seinem linken Augenwinkel eine seltsame Erscheinung wahr. Er trat auf die Bremse und rollte noch ein paar Meter weiter. Blieb stehen, stieg aus und ging benommen zehn Meter zurück. In dem kleinen Graben, der entlang des Weges verlief, sah er etwas Großes, Helles liegen, irgendwas, was dort nichts zu suchen hatte. Da es finster war und seine Sinne nur mehr bedingt taugten, stieg er wieder in seinen Pickup, startete ihn erneut und setzte zurück, um in den Graben hineinzuleuchten.

      Weil er im Suff berufsbedingt immer wieder nackte Schweine sah, dachte er zuallererst an ein großes zartrosa Mutterschwein, welches hier in voller Länge ausgestreckt leblos im seichten Wasser lag. Bedächtig stieg er aus, setzte behutsam ein Bein vor das andere und torkelte zum Graben. Blieb stehen und glotzte verständnislos auf das ominöse Objekt. Minutenlang starrte er darauf, unfähig zu begreifen, was er sah. Nach und nach lichtete sich der Begriffsnebel in seiner durch übermäßigen Alkoholkonsum schwer beeinträchtigten Hirnwelt. Denn nun erkannte er, dass es ein Mensch war, der hier nackt im Graben lag.

      In diesem Moment der Erkenntnis rebellierte sein Magen und er erbrach sich auf den Toten.

      Wie von Furien gehetzt sprang er in seinen Wagen. Zweihundert Meter weiter, dort, wo eine alte Scheune stand, blieb er stehen. Stieg wieder aus, ging in der Finsternis auf und ab und rauchte in hastigen Zügen eine Zigarette. Warf den Stummel weg, atmete tief durch und versuchte krampfhaft zu begreifen, was er soeben gesehen hatte. Nach und nach beruhigte er sich. Wirre Bilder geisterten durch seinen Kopf, doch sein durch zahlreiche Räusche arg in Mitleidenschaft gezogenes Gehirn verweigerte jegliche Aufarbeitung derselben. Er wusste nicht, ob er wachte oder träumte. Mühsam schwankte er den Weg zurück, nie zuvor war ihm bewusst geworden, wie weit zweihundert Meter sein konnten. Das weiße Etwas, das im seichten Wasser lag, stach nur unmerklich aus der Dunkelheit heraus. Langsam ging er auf die Knie, tastete mit zitternden Händen den reglosen Körper ab. Nun erst begriff er, dass es tatsächlich ein Mensch war, männlich und mit leichtem Bauchansatz, der hier nackt, schutzlos und zweifellos tot im Graben lag. Mühsam richtete er sich wieder auf, roch an der übel riechenden Substanz, die plötzlich an seinen Händen klebte. Als er erkannte, dass er an seinem eigenen Erbrochenen roch, erbrach er abermals.

      Er torkelte den Weg zu seinem Pickup zurück, sank schwer atmend in den weichen Sitz. Kopfschüttelnd, das soeben Erlebte noch immer nicht gänzlich begreifen könnend, startete er und fuhr langsam nach Hochstätt heim.

      Zu Hause angekommen, trank er in der Küche ein Glas Wasser, setzte sich an den Tisch und versuchte, seine verstörte Gedankenwelt so gut wie möglich zu ordnen. Was sollte er tun? Es war ihm klar, dass er die Leiche der Polizei melden müsste. Doch es war ihm auch klar, dass dies in seinem Zustand nicht möglich war. Erstens, weil ihm niemand glauben würde, was er gesehen hatte. Zweitens war es gar nicht so sicher, dass der Posten besetzt war, denn es war schließlich Freitagnacht, eine Zeit, zu der die Polizisten die Discos im Umkreis kontrollierten. Drittens, und dies war zweifellos das Hauptproblem, würden sie ihn blasen lassen und damit wäre er seinen Führerschein wieder einmal los.

      Dessen eingedenk zog sich Adamek langsam aus und schlüpfte, nackt wie er war, unter die Bettdecke. Doch an Schlaf war nicht zu denken. Was war passiert? Wer war der Tote? Warum lag er dort im Graben neben dem Güterweg? Und vor allen Dingen: Warum war er nackt? Wenn er angefahren worden wäre, der Täter Fahrerflucht begangen hätte, dann hätte er doch seine Kleider am Leib, oder nicht? Um einen Selbstmörder konnte es sich aber auch nicht handeln, denn wer ertränkte sich schon in einem Graben mit nur wenigen Zentimetern Wasserstand? Da nun sein Kopf etwas klarer wurde, ihm das Denken nicht mehr so schwerfiel, tippte er auf Mord. Irgendwer hatte den armen Kerl umgebracht, ausgezogen und in den Graben geworfen.

      Anderntags gegen Mittag, als Karl Adamek wieder nüchtern war, ging er auf das Polizeirevier und erstattete Meldung. Zwei jüngere Beamte versahen ihren Dienst und wollten vorerst nicht glauben, was er ihnen da erzählte. Sie kannten seine fatale Leidenschaft für Alkohol und wunderten sich, dass er plötzlich nicht Schweinehälften wie so oft schon gesehen hatte, sondern eine nackte Leiche. Adamek wurde heftig, als er bemerkte, dass er nicht ernst genommen wurde.

      „So glaubt mir doch“, schrie er gereizt. „Es war wirklich ein Toter. Ich hab ihn doch in der Finsternis abgegriffen. Er lag im Graben, mit dem Gesicht im Wasser, und war mausetot!“

      „Warum sind Sie nicht gleich hergekommen und haben den Fund des Toten gemeldet? Warum erst jetzt, zwölf Stunden später? Sie waren wohl wieder einmal betrunken und mussten erst ausnüchtern, oder?“, herrschte ihn der eine Beamte an, der mit zwei Sternen.

      Der andere aber, der mit den drei Sternen, seufzte: „Kommen Sie bitte mit, wir fahren jetzt zu dieser ominösen Stelle, wo Sie angeblich einen Toten entdeckt haben!“

      Adamek stieg zu den beiden in den Dienstwagen und dirigierte sie zum Fundort. Seine Speibe, die vom zweiten Mal, war am Asphalt zu erkennen, doch im Graben lag keine Leiche.

      Karl schüttelte den Kopf, konnte es nicht fassen.

      „Ich schwör euch, dass er hier gelegen ist, hier in diesem Graben! Genau hier ist er gelegen, der Länge nach, mit dem Kopf nach unten im Wasser!“

      Mit weit aufgerissenen Augen starrte er in den Graben, wo nichts, absolut nichts zu sehen war außer moorbraunem Wasser, nassem Gras und glitzernden Sandkörnern. Tief erschüttert stand er da, den schweren Kopf in den Händen haltend.

      Gedankenblitze von Halluzinationen, Sinnestäuschungen und anderen neurologischen Störungen des Gehirns gingen durch seinen Kopf. War er am Ende verrückt geworden? War es wirklich schon so weit, wie seine Frau immer schimpfte, weil er mit seiner Sauferei nicht aufhörte? Stimmte es, dass bei jedem Vollrausch Millionen von Gehirnzellen vernichtet wurden? Konnte es sein, dass dies bei ihm bereits der Fall war?

      Jetzt riss dem Dreisternigen die Geduld: „Spinnen Sie jetzt denn schon am helllichten Tag, Herr Adamek? Wollen Sie uns vielleicht verarschen? Sehen Sie hier irgendwo einen Toten? Sollen wir Sie in die Psychiatrie einweisen, ins Narrenhaus, dort wo Leute Ihres Schlages am besten aufgehoben sind? Wollen Sie das?“

      Adamek heulte auf: „Ich schwöre Ihnen, Herr Inspektor, dass hier der Tote gelegen ist, ich hab mich doch direkt neben ihm erbrochen, das sieht man doch noch, oder?“

      „Ich mach Ihnen einen Vorschlag zur Güte. Wir vergessen das Ganze und bringen Sie wieder nach Hause. Mein Kollege und ich verzichten auf eine Anzeige wegen Irreführung der Behörden oder Amtsmissbrauch und breiten den Mantel des Schweigens über die ganze Geschichte. Sie aber sollten zu Ihrem Hausarzt gehen und sich eine Entziehungskur verschreiben lassen!“

      Genervt schob er den Fleischermeister zum Auto. Dieser, ein Kraftlackel, welcher im Normalfall Tod und Teufel nicht fürchtete, gehorchte widerstandslos und nahm am Rücksitz Platz. Er kam aus dem Kopfschütteln nicht mehr heraus, war unfähig, sich irgendwie zu äußern, und verstand die Welt nicht mehr. Begriffe wie Gummizelle, Zwangsjacke und Schizophrenie machten sich in seiner begrenzten Gehirnwelt breit, ließen ihn an seinem Geisteszustand zweifeln. Was ging hier vor? War dies die Wirklichkeit oder ein Horrorfilm? Kaum war er daheim, erklärte er seiner Frau, dass er krank sei, ging ins Schlafzimmer, zog sich aus und die Vorhänge zu. Da er nicht einschlafen konnte, nahm er zwei Schlaftabletten auf einmal und schlief bis Sonntagmittag durch.

      Beim Mittagessen stand er dann seinen beiden Damen Rede und Antwort. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als ihnen den mysteriösen Vorfall zu beichten.

      „Ich hab dir schon hundertmal gesagt, du sollst mit dieser verdammten Sauferei aufhören, sie zerstört dein