Erstflug. Matthias Falke

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Название Erstflug
Автор произведения Matthias Falke
Жанр Научная фантастика
Серия
Издательство Научная фантастика
Год выпуска 0
isbn 9783957770912



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danach?«

      »Das müsste gehen.«

      »Und wo? Magst du herkommen?«

      »Gerne!« Er holte Luft. Irgend etwas verhakte sich in seinem Kopf. Da war noch ein Meeting, das er eigentlich nicht absagen konnte, aber er hatte vergessen, wo es stattfand und um was es sich handelte. Paris? Irgendwas mit »Personale Identität«. Er wischte den Gedanken weg. Ohnehin würde er sich organisatorisch neu aufstellen müssen.

      »Ist gut.« Er nickte ihr zu, die ihn aus dem Schirm heraus ansah. »Ich komme zu dir, und wir gehen irgendwo in der Stadt was essen. Auf der Burg! Such uns was Schönes aus!«

      »Mach ich.« Ihr Blick wurde ein wenig weicher. Der warme sinnliche Schmelz ihrer braunen Augen, der so selten und so kostbar war. »Magst du mir nicht sagen, was es ist?«

      »Kathy.« Er wand sich. »Ich muss dir etwas sagen.« Warum war es so schwer? »Ich möchte dich etwas fragen!«

      »So so.« Jetzt, endlich lächelte sie. »Dann frag doch!«

      »Nicht so.« Er sonnte sich in ihrer Schönheit, ihrer Erwartung, ihrer Freude. »Das würden wir uns den Rest unseres Lebens nicht verzeihen.«

      »Da kannst du recht haben«, schmunzelte sie versöhnlich. »Also Freitag in acht Tagen, sechs Uhr abends, im Burgrestaurant. Schaffst du das?«

      »Ich werde da sein.«

      »Fein.«

      Er hätte so gerne ihre Hand genommen. Diese Videoverbindungen waren einfach Mist!

      »Ich liebe dich.«

      »Ich liebe dich auch.« Sie deutete einen Kuss an. »Jetzt muss ich aber wirklich!«

      Die Leitung wurde gekappt.

      Er blieb den ganzen Tag auf dem Zimmer. Die Tablette hatte den Kopfschmerz ausgeknipst, aber nicht die Mattigkeit, die mit dem Föhn zusammenhing. Er streckte sich auf dem Bett aus und schlief eine Stunde. Dann ging er ins Bad, duschte sich kalt ab, setzte sich in die kleine Sauna und duschte noch einmal eiskalt. Danach ging es ihm besser.

      Er rief auf der Rezeption an und bestellte ein leichtes Essen. Der Anblick der knackigen Salate auf Kathys Teller in der Mensa der Semmelweis-Klinik hatte ihm Appetit gemacht. Wenig später kam ein junger Mann in Lederhosen und brachte ihm etwas, das man in Übersee mit viel Fantasie als Caesar’s Salad bezeichnet hätte. Laertes war enttäuscht. Er hatte sich auf das Dirndl gefreut. Aber natürlich getraute er sich nicht, danach zu fragen. Bestimmt hatte sie schon Feierabend.

      Er setzte sich im Bademantel auf den Balkon und aß, während er den Blick über den kleinen Ortskern des Dorfes und die Felder schweifen ließ. In der Ferne blinkte etwas. Das waren die Flachdächer und Antennenmasten des Bunkers. Schon jetzt hatte er beinahe vergessen, dass es die Firma gab, und dabei hatte er sein halbes bewusstes Leben dort verbracht! Er war erleichtert. Es würde auch ohne gehen.

      Am Nachmittag unternahm er einen Spaziergang, einmal rund um den Ort. Die Berge im Süden wurden immer noch plastischer. Auf den Feldern stiegen überall die goldbraunen Fahnen der Spreu auf, die von der Tätigkeit der Mähdrescher und Erntemaschinen kündeten. Es war warm und trocken, unglaublich angenehm. Er setzte sich auf einen Felsbrocken, der an einer Weggabelung lag, und bot sich den Sonnenstrahlen dar. Würde er das vermissen? Der Gedanke überkam ihn wie ein Schock. In der Firma war ihm in schöner Regelmäßigkeit die Decke auf den Kopf gefallen. Einmal am Tag musste er an die frische Luft und die halbe Stunde außenrum, immer am Zaun entlang, sonst wurde er verrückt. Dort würde das nicht möglich sein!

      Sicher gab es Kompensationen. Psychopharmaka. Lichttherapie. Etwas in der Art.

      Im Grunde war er ja nie im Raum gewesen. Vor Jahren ein Kongress auf Luna II. Natürlich war das aufregend. Aber der Flug dauerte nur ein paar Stunden. Der Aufenthalt unterschied sich kaum von einem Dutzend anderer in irdischen Tagungshotels. Und dann war es schon wieder vorbei gewesen.

      Mit Kathy hatten sie immer einmal zu den Vergnügungskuppeln von Luna III gewollt. Wenn sie einmal mehr Zeit hatten als ein Wochenende jeden zweiten Monat. Bis jetzt hatte es sich nie ergeben. Vielleicht während der Flitterwochen? Zum zweiten Mal kurz hintereinander spürte er, wie sich etwas in ihm zusammenkrampfte. Er musste den Knoten in der Magengrube langsam wegatmen. Noch war nichts entschieden. Es würde sich alles fügen!

      In der warmen Septembersonne sitzend, aktivierte er sein Display und widmete sich den Terminen. Paris war erst Anfang übernächster Woche. Dann konnte er das nach Budapest machen. Und da die kommende Woche frei war, hatte er nach Kauai noch ein paar Tage, um in Pensacola vorzusprechen. Man hatte ihm zwar noch nicht mitgeteilt, wie das offizielle Prozedere aussehen würde, aber wenn er quasi auf der Durchreise war, konnte er ja einmal kurz Station machen.

      Dabei fiel ihm ein, dass er zwar den Eingang des Briefes quittiert, aber noch nicht geantwortet hatte. Musste er sich dort irgendwie melden? Das Schreiben verkündete das factum brutum, als sei es eine ausgemacht Sache. Von einer Rückbestätigung war nicht die Rede. Sie hätte er auch erst nach dem Gespräch mit Kathy gegeben. Aber wenn sie nun gar nicht nötig war? Wenn sie einfach davon ausgingen, dass er eine solche Chance sowieso nicht ausschlagen konnte. Und würde er das wollen?

      Ohne einen bewussten Entschluss war er aufgestanden. Als er aus seinen Grübeleien in die Realität zurückkehrte, fand er sich auf dem Feldweg wieder. Er musste schon mehrere Minuten gegangen sein. Die ersten Höfe und Appartementhäuser des Ortes lagen vor ihm. Er seufzte. Eines nach dem anderen. Dann kehrte er zum Gasthof zurück.

      Er aß im Restaurant zu Abend. Die Küche war wirklich hervorragend. Eine der besten im Umkreis von mindestens hundert Kilometern. An den anderen Tischen saßen ältere Ehepaare, auch mal einen Vierergruppe. Sie musterten ihn abfällig. Er war allein, er war viel zu jung, er war äußerst leger gekleidet. Dann widmeten sie sich wieder ihren Gesprächen, die um Aktienkurse und Schönheitsoperationen kreisten. Er studierte die Nachrichten auf einem kleinen Schirm. Kämpfe im Nahen Osten und Kurdistan, am Khyberpass und in Oman, im Tschad und am Oberlauf des Orinoko. Die Union erhob den Anspruch, die Menschheit zu repräsentieren, aber es gab immer wieder Gebiete, die sich von ihr lossagten. Die sogenannte westliche Welt, die zivilisierten Völker, die raumfahrenden Nationen! Doch es mangelte nicht an Stämmen, Religionsgemeinschaften und halben Kontinenten, die Wert darauf legten, diesem Club, wie sie sagten, nicht angehören zu wollen. Die Segnungen der modernen Medizin, die Rechtssicherheit in einem säkularen und laizistischen Weltstaat, die wissenschaftliche Erforschung ferner Welten, die Ressourcen, die von mehreren Dutzend extraterrestrischer Basen und Minen, vom Mars bis zu den fernsten Außenposten iKuipergürtel, zur Erde flossen – all das erachteten sie für null und nichtig und hingen lieber ihren heiligen Büchern, Überlieferungen und sogenannten Offenbarungen nach, die im wesentlichen darin zu bestehen schienen, einander abzuschlachten.

      Laertes schaltete die Sendung ab.

      Er ging auf sein Zimmer, aber nur um festzustellen, dass er nicht müde war und dass er das Alleinsein heute nicht gut vertrug. Er rief die Rezeption und orderte eine Flasche Wein. Auf der Terrasse war es immer noch angenehm warm. Die Sonne war untergegangen. Alles war blau und still. Der Himmel war ungeheuer groß.

      Als sie neben ihm stand, war ihm sein Erschrecken unangenehm. Er hatte sie nicht gehört. Sie hatte die Cloggs gegen weiche Sneaker vertauscht und das Dirndl gegen ein sportives Dress.

      »Entschuldigung«, sagte sie betroffen, als sie bemerkte, wie er zusammenzuckte. »Ich hätte klingeln sollen.«

      »Es ist schon gut.« Er lächelte ihr tapfer zu. »Stellen sie das einfach hierher.« Er wies auf den kleinen Tisch, der neben der ausnehmend bequemen Liege stand.

      Sie folgte der Aufforderung. Der Wein war schon geöffnet. Sie schenkte ein. Er probierte und nickte dann zerstreut.

      »Schöner Abend«, sagte sie versonnen.

      »Ich habe gedacht, Sie hätten frei«, erwiderte er. »Heute Mittag ...«

      »Nachmittags habe ich ein paar Stunden Freizeit«, plauderte sie unbefangen. »Dafür ist abends wieder Dienst.«