Название | Dorfgeschichten und mehr ... |
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Автор произведения | Manfred Wiedemann |
Жанр | Публицистика: прочее |
Серия | |
Издательство | Публицистика: прочее |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783957448392 |
Er nahm das Bündel Flugblätter und warf es in den Fluss.
Aus Erfahrung wird man klug
Ein junger Mann war in einen Ort zugezogen und war mit seinem Auto auf dem Weg von seinem Arbeitsplatz, der nur ein paar Kilometer entfernt war, nach Hause. Er kannte fast niemanden in dem Ort und er selbst war natürlich auch unbekannt. Da sah er auf der Straße eine alte Frau gehen, die offenbar auf dem Weg zur Kirche war. Ihrer Kleidung nach zu urteilen war sie wohl eine alte Bäuerin. Der junge Mann hielt an und fragte die Alte, ob sie mitfahren wolle? Zu seiner Überraschung stieg sie sofort in sein Auto ein und freute sich offensichtlich über diese Mitfahrgelegenheit.
Darauf entspann sich folgendes Gespräch: „Was sind denn Sie für a Herr, dass Sie mich in Ihrem schönen Auto mitnehmen wollen? Gell, Sie tun mir nix!“
Der Fahrer antwortete: „Natürlich tue ich Ihnen nichts; ich habe mir gedacht, dass Sie wahrscheinlich auf dem Weg zur Kirche sind und da habe ich halt angehalten. Sie wollen doch zur Kirche, oder?“
„Ja, ja i möcht schon in die Kirche und das Laufen fällt mir halt auch langsam schwer – gehen Sie o in d’Kirch?“, war ihre Antwort.
„Nein, in die Kirche gehe ich nicht, ich bin jetzt müde und auf dem Weg nach Hause und ich nehme gern ältere Leute, die nicht mehr so gut zu Fuß sind, mit.“ Die Alte überlegte ein wenig und sagte dann: „I woiß scho, die junge Leut wollen gar nimmer in d’Kirch geha. Aber was sind denn Sie für a Herr, i hab Sie noch nie g’seha?“
„Das glaube ich Ihnen gerne“, war die Antwort, „ich bin auch erst seit ein paar Wochen hier, deshalb kennen Sie mich nicht. Ich habe bisher in Hamburg gearbeitet“ Die Frau antwortete: „Ja mei, heutzutag hat halt jeder Depp ein Auto!“
Der junge Mann hat darauf nie wieder ein alte Frau in sein Auto eingeladen.
Die Rechnung
Er arbeitete an einem Angebot für einen großen Auftrag und war froh, weil ihn weder Telefon noch jemand aus der Werkstatt störte. Da klopfte es an der Bürotür. Nach einem unwilligen „Herein!“ betrat ein Bauer den Raum. Das hatte ihm gerade noch gefehlt.
„So, Moister, hosch grad nix zum toa, na da komm i ja grad recht.“ Am liebsten hätte dieser den Mann gleich wieder rausgeschmissen, da er aber ein höflicher Mensch war, beherrschte er sich und fragte ihn nach seinem Wunsch. Weitschweifig erkundigte der sich nach der Auftragslage und auch nach dem persönlichen Wohlergehen. Der aber bedeutete ihm, dass er wenig Zeit habe, und der Bauer solle zur Sache kommen. Dieser meinte, mit dessen Arbeit könne es nicht so weit her sein, wenn er so gemütlich hier im Büro sitze. Jener aber verzichtete darauf, dem Kunden zu erklären, dass gerade diese Büroarbeit eine wichtige Aufgabe sei und sagte nur, er solle zur Sache kommen. Dieser erklärte ihm dann umständlich, er habe eine Jauchepumpe mit einem großen Motor und diese Pumpe funktioniere nicht. Warum er damit nicht zu seinem Hauselektriker gehe, fragte der Meister ihn, denn für solche Angelegenheiten sei seine Firma nicht zuständig. Darauf erzählte der Bauer ihm, er sei bei dem schon gewesen. Der hätte ihn aber an ihn verwiesen, denn für den sei die Sache zu schwierig. Und er, der Meister sei doch ein Spezialist, und er solle doch schnellstens zu ihm auf den Hof kommen, er brauche diese Pumpe dringendst wieder, weil ihm sonst die Gülle überlaufe. Der Meister hatte aber keine Lust, an einer Jauchegrube zu arbeiten und sagte ihm, er solle die Pumpe ausbauen und in seine Werkstatt bringen. Hier hätte er die entsprechenden Messgeräte, um den Motor zu überprüfen. Er müsse sie aber vorher gut reinigen, denn den Gestank dieses Gerätes könne er in seiner Werkstatt nicht brauchen. Natürlich würde er das machen, wenn seine Leute so ein feines Näschen hätten, dann müsse er die Pumpe halt sauber machen. Endlich war der Bauer bereit zu gehen, nicht ohne vorher auf die Dringlichkeit seines Auftrages hinzuweisen.
Der Meister hatte schon gehofft, die Sache sei erledigt, aber nach drei Tagen kam der ungeliebte „Kunde“ mit dem stinkenden Ding an. Er hatte die Pumpe tatsächlich ziemlich sauber gemacht, aber der Gestank war wohl nicht wegzukriegen. Damit er das Gerät wieder schnell loswurde, ging der Meister sofort daran, den Motor zu überprüfen. Einen Fehler konnte er aber nicht feststellen, deshalb sagte er dem Bauern am Telefon, er könne die Pumpe wieder abholen und er solle in seinem Sicherungskasten die Sicherungen überprüfen. Wie der ihm später erklärte, war tatsächlich eine Sicherung durchgebrannt und damit war der Schaden behoben.
Die Überprüfung hatte etwa eine Stunde gedauert, ein Lehrling ging ihm dabei zur Hand. Er schrieb dem Bauern also eine Rechnung über eine Stunde für Meister und Lehrling und der wäre damit gut weggekommen, dachte er sich, auch wenn er die Sache billiger hätte haben können. Der Meister hatte aber die Rechnung ohne den Bauern gemacht, denn ein paar Tage nach dem Erhalt derselben kam dieser ins Büro gestürzt, fragte, ob der bei Sinnen wäre, ihm eine Rechnung zu schreiben, denn an dem Motor hätte schließlich nichts gefehlt. Der Meister versuchte ihm zu erklären, dass er trotzdem eine Stunde Zeit für die Überprüfung gebraucht hätte und damit halt eine Rechnung anfalle. Der „Kunde“ aber meinte, dass er für eine unnötige Arbeit nichts bezahlen würde und der Meister könne sich die Rechnung auf den Hut stecken. Darauf nahm der die Rechnung und zerriss sie. Gleichzeitig erklärte er dem Bauern, der solle nie wieder zu ihm kommen, auch wenn er in seiner Gülle stehe und die Jauche ihm bis zur Oberkante seiner Unterlippe reiche.
Der Heele-Babba
Ich weiß nicht, wie der Mann hieß, nennen wir ihn einfach Josef Schmied. Wir Kinder nannten ihn nur den Heele-Babba. Fast jedes Haus in unserem Dorf hatte einen Hausnamen. Und sein Hausname war eben beim „Heele“. Er hauste mit seiner Mutter zusammen mehr schlecht als recht in einem uralten, kleinen Bauernhaus. Aber wir Kinder glaubten, die beiden seien ein Ehepaar, denn man konnte ihn leicht für gleichaltrig mit seiner Mutter halten. Er war wohl damals etwa fünfzig Jahre alt und die Mutter? Nun, man kann sich ausrechnen, wie alt die sein musste.
Ich habe nie ein Wort mit diesem Mann gesprochen, ich glaube, er war ohnehin recht wortkarg. Natürlich grüßten wir ihn mit einem eher schüchternen „Grüß Gott“, aber das war es dann auch. Er war uns Kindern gegenüber nicht unfreundlich, aber auch nicht freundlich, ich würde ihn als gleichgültig den Kindern gegenüber bezeichnen. So weit ich weiß, ging er auch nicht in ein Gasthaus. Sein Einkommen erlaubte dies wahrscheinlich nicht, auch wenn er das gewollt hätte.
Seinen Lebensunterhalt verdiente er sich mit der spärlichen Ernte seines Anwesens. Und wie spärlich das war, konnte man daran sehen, dass er sein bischen Getreide mit der Hand drosch. Er tat das aber nicht wie früher üblich mit einem Dreschflegel. Nein, er kniete in seiner Tenne vor dem Ährenbündel nieder und schlug mit einem Knüppel darauf. Hatte er dann das Bündel leer gedroschen, stand er auf, holte eine neue Garbe und das Spiel begann von vorne. Man kann sich also denken, dass der Ertrag mehr als bescheiden war. Doch es reichte offensichtlich gemeinsam mit der Milch von zwei mageren Kühen, die er auch noch vor den Wagen spannte, zum Überleben der beiden.
Aus der Erzählung meiner Mutter weiß ich, dass der Heele-Babba auch schon mal ans Heiraten gedacht hatte. Doch sein Vater, den ich nicht mehr kannte, machte ihm einen Strich durch diese Rechnung. Er war ungefähr vierzig Jahre alt, als er den Wunsch zum Heiraten seinem Vater vorbrachte. Dieser aber meinte, dass es schon richtig wäre, wenn sich ein Mann ein Weib nehme, aber dafür sei der Josef noch zu jung. Seinem Vater aber zu widersprechen kam dem Sohn nicht in den Sinn.
Und so blieb er halt Junggeselle und war für uns Kinder trotzdem Vater. Nicht dass er ein uneheliches Kind hatte. Nein, er war halt der Heele-Babba.
Der Fischer-Gidel