Katzenschwund. Reinhard Kessler

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Название Katzenschwund
Автор произведения Reinhard Kessler
Жанр Юмористическое фэнтези
Серия
Издательство Юмористическое фэнтези
Год выпуска 0
isbn 9783957446084



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denn nie auf.

      Was für ein Name: Führerausweis, das ist ein Führerschein, äh … nee, schon wieder Mist, ein Fahrausweis. Die mit ihrem Führer … äh … das war ja bei uns – ‘shit‘.

      Und dann noch ein Firmenausweis mit Logo und Name einer Bank und der Name des Besitzers mit einem miserablen Passbild. Das ersparte ihnen viel Arbeit. Er war mit der ersten Ausbeute zufrieden: Identität ist also geklärt, der Wohnort über den Führerschein – äh Fahrausweis – leicht zu ermitteln, Arbeitsstelle auch klar. Da konnten sie ja gleich loslegen mit ihren Ermittlungen zum Fall.

      “Aha, ein Bankster! “, sagte er.

      “Hmm, genau, wahrscheinlich so ein Börsewicht, die Typen haben mich viel Geld gekostet. Vielleicht ist das der Grund, dass ihn einer …“

      “Sei nicht vorschnell, vielleicht ist er ein Kassierer, einer der am Schalter steht oder so, kein Spekulazius, … andererseits …, wenn er jetzt tot ist … weisst doch, wie der Baselbieter sagt.“

      “Wie?“

      “Mir wei luege!“

      Zur Erklärung sei abschweifenderweise schnell erwähnt, dass es in diesem Land noch eine germanistische Rarität gibt, etwas, was vom Aussterben bedroht ist: das sogenannte Dehnungs-e nach dem u. Diese Art e ist in gewissen Regionen ausgestorben oder auf dem Rückzug, im Deutschen gibt es das fast nur noch hinter einem i. Wenn also ein i laaanggezogen sein soll, so kommt ein e hinter das i. Beispiel: der Dieb mit langem i, nicht etwa Dib, das klingt unschön, fast wie eine Sauce, und sieht geschrieben aus wie ein Hund, eine germanistische Greueltat, eine Rotstift-Orgie für Lehrer.

      Der Ausdruck mir wei luege ist also eine ausgewachsene Falle. Zuerst vermutet man eine chinesische Redewendung beginnend mit mir wei, dann folgt luege, welches aber auf gar keinen Fall wie lüge ausgesprochen werden darf, sondern eher so: luuueege, mit Deeehnungs-e.

      Übersetzt heisst das in einer etwas verbreiteteren Sprache: wir werden sehen. Würde man das mit wir werden lügen übersetzen, dann täte man diesen Leuten unrecht. Sie könnten allerdings ja auch gleich sagen was sie meinen, und nicht solchermassen verschlüsselte Botschaften senden. Jelato wird später seinen Assistenten an anderer Stelle noch darauf aufmerksam machen, dass alle Leute, die etwas zu verbergen haben, sich hinter einer Art Geheimsprache verstecken.

      Und zum Schluss noch dies: der Ausdruck wir werden sehen ist in Deutschland ebenso vom Aussterben bedroht. Das heisst heute in fussballdeutsch nämlich ganz einfach schaumermal.

      Zurück zu Karli.

      “Okay, ich mach hier Schluss, die wichtigsten Spuren sind gesichert, jede Menge Reifenspuren, Fussspuren, Pferde sind hier auch mal durch, aber nix Schlüssiges. Ich habe auch jede Menge Fotos vom Toten und vom Fundort gemacht“, sagte er und hielt die Kamera hoch.

      Der Kommissar fragte spitzbübisch: “Hast du überhaupt einen Film drin?“

      “Du Ignorant. Es sind wieder 100 Jahre um, falls es dir nicht aufgefallen ist, du digitaler Analphabet. Bringst auch die Speicherkarte zum Entwickeln ins Fotolabor, was? Und mit solchen Leuten muss ich zusammenarbeiten!“

      Sie grinsten sich an, aber nur versteckt, und auch nur ein bisschen, bei dem Ernst der Lage gerade noch tolerierbar. Mehr wäre unpassend gewesen.

      “Kein Handy?“

      “Nee, nur einen kleinen Rucksack mit üblichen Wanderutensilien: Karte von der Gegend hier, Regenjacke, Müsliriegel, kleine Trinkflasche, Flachmann.“

      “Muss es nicht Flachmann/frau heissen, heutzutage?“

      “Hmm, voll korrekt, Mann.“

      “Siehst du.“

      “Aber Vorsicht, wenn man es richtig bedenkt, dann ist die Bezeichnung Flachfrau schon wieder sexistischer Mist. Da ziehst du dir sofort die komplette Frauenpower und den Hass aller Emanzen zu.“

      “Wie das denn?“

      “Flachfrau könnte ja als eine potenzielle anzügliche Beleidigung ausgelegt werden. Flachmann dagegen ist erlaubt. Die Welt ist eben ungerecht, Jelato, ungerecht und böse.“

      “Verstanden. Da will man mal korrekt sein und es geht sowas von in die Hose. – Habt ihr die Namen von den Kindern, oder wer hat die jetzt?“

      “Nee, wir nicht, wir kümmern uns wie üblich nur um die Toten. Die Namensliste hat die Kapo aufgenommen. Das bleibt alles bei denen.“

      Es fiel ihm wieder ein: das hatte ja der kleine Apache vorhin schon gesagt. Aber da hatte er doch was gehört: Kapo?

      Auch das traf ihn jetzt wieder: Kapo. Leichtes Unbehagen stieg in ihm auf.

      Da war es schon wieder: das Gefühl, nicht richtig integriert zu sein. Obwohl in der Schweiz geboren und aufgewachsen, fremdelte er gelegentlich. Wie jetzt wieder. Er erschrak immer noch beim Wort Kapo.

      Fehlt es denen an Feingefühl? Wissen die nicht, was ein Kapo** ist, oder besser war?

      Verdammt: Führerausweis, Kapo. Er musste sich erst noch richtig eingewöhnen, nicht nur äusserlich, nicht nur sprachlich, auch im Kopf. Der Deutsche in ihm war noch nicht besiegt. Die Sensibilität beim Auftauchen solcher Wörter musste dringend durch ein dickeres Fell überdeckt werden. Er musste endlich die Begriffe in der Denkbeule überschreiben.

      Der Computer im Gehirn fragte: soll die bestehende Datei komplett überschrieben werden? Antwort: ‘ja, und zwar subito!’.

      Kapo gleich Kantonspolizei, er sagte es dreimal still auf, dann ging es ihm wieder besser.

      “Okay, wie gesagt, mit den Kindern rede ich morgen.

      Jetzt ist erstmal das Careteam dran.“

      “Hmm“

      “Sonst noch irgendwas?“

      “Ach so, verheiratet war er wahrscheinlich auch.

      Ehering gefunden. Name: Lisa. Hilft dir vielleicht weiter.“

      “Okay. Danke. Ciao, bis morgen.“

      “Ciao.“

      Der Kommissar ging zurück zu seinem Assistenten.

      Er hatte im Auto mehr schlecht als recht geschlafen, eigentlich nur gedöst. Auf jeden Fall nicht auf den Weg geachtet.

      Nach dem anstrengenden Vortag, der sich mit Razzia in einem einschlägigen Lokal in Sissach bis in die Nacht hinzog, war er noch nicht richtig fit. Der Assisstent war ein sicherer Fahrer, ein kurzes Nickerchen hatte er also riskieren können.

      “Wo sind wir hier eigentlich genau?”

      “An den Talweihern, zwischen Rothenfluh und Anwil.“

      “Anwieviel …?“

      “ANWIL“

      “Aha.“

      “Der letzte Ort im Baselbiet. Solltest du kennen aus dem Lied der Baselbieter: ‘Vo Schönebuech bis Ammel‘. – Einfach da den Berg rauf.“

      “Ah, das Lied kenne ich. Aber dass Ammel Anwil ist, das wusste ich nicht.“

      “Das ist da, wo sich Fuchs und Hase nicht ‘‚Gute Nacht‘ sagen, weil sie sich nie treffen, so abgelegen.“

      “Lustisch, sehr lustisch.

      “Ist eine sehr ruhige Gegend hier.“

      “Bis auf einen gewissen Flugbetrieb, wie ich gerade höre. Wieso eigentlich?“

      “Wir sind hier direkt unter dem neuen Warteraum GIPOL. Von hier aus geht’s dann zum Landeanflug nach Zürich.“

      “Neuer Warteraum? Ist der besser als früher? Schön tapeziert oder was?“

      “Weiss nicht. Auf jeden Fall ist das auch eine