Was sie nicht umbringt. Liza Cody

Читать онлайн.
Название Was sie nicht umbringt
Автор произведения Liza Cody
Жанр Ужасы и Мистика
Серия
Издательство Ужасы и Мистика
Год выпуска 0
isbn 9783867548847



Скачать книгу

trotzdem knallte sie mein Gesicht auf die Bretter. Blöde Kuh.

      Mit ihr auf dem Rücken stemmte ich mich hoch, bis ich auf allen vieren war. Sie schlang mir den Arm um den Hals. Das kriegt sie nie richtig hin, bei ihr kommt dabei immer eher ein Würgegriff raus als eine Klammer. Aber so was sieht keiner, auch nicht die in der ersten Reihe. Und die erste Reihe war mittlerweile völlig aus dem Häuschen.

      »Aua-aua-aua«, jaulte ich, um die Stimmung anzuheizen.

      Die Blonde Bombe drückte mir mit voller Kraft die andere Hand ins Gesicht. Sie ist wirklich eine Ratte. Sie wusste genau, dass ich Zahnschmerzen hatte. Ich wurde fuchtig.

      Ich spannte die Quadrizepse und kam langsam hoch. Sie hing wie eine Klette an mir. Ihre Brüste quetschten sich gegen meine Schulterblätter, und der Drahtkörbchen-BH, mit dem sie sich die Oberweite vergrößerte, stach mir in die Wirbelsäule.

      Sie dachte, ich würde mich hinstellen. Sie lernte es eben nie.

      Als ich mich halb aufgerichtet hatte, rollte ich mich nach vorne ab und legte sie flach auf den Rücken. Ich drehte mich um und landete in letzter Sekunde auf ihren Schultern. Sie hatte nicht mehr genug Puste, um eine Brücke zu machen. Jetzt hatte ich sie.

      Der Ringrichter kam angeschlendert. Er ließ sich Zeit, weil es im Zuschauerraum plötzlich ganz still geworden war.

      »Eins …«, sagte er.

      »Du Tier!«, brüllte jemand. »Du feiges, dreckiges Tier!«

      Und schon gellten die Buhs durch den Saal. Es hört sich an wie auf dem Viehmarkt, wenn ich einen Kampf gewinne.

      Die Bombe wollte eine Brücke machen. Aber ich war so stinksauer auf sie, dass ich sie nicht hochkommen ließ.

      »Zwei«, sagte der Ringrichter zögerlich.

      Die Buhs verfolgten mich bis in die Garderobe. Es war ein guter Abend gewesen.

      Ich will dir einen kostenlosen Rat geben. Wenn du es in diesem Leben als Bösewicht zu etwas bringen willst, rechne nie mit Applaus. Zähl lieber die Buhs. Das ist der sicherste Weg herauszufinden, wie gut du wirklich bist.

      Als wir in dem kalten Korridor hinter der Halle um die Ecke bogen, konnte ich sie immer noch buhen hören. Die Falsche hatte viel zu schnell gewonnen.

      »Au, mein armer Rücken«, jammerte die Bombe. »Bei den Würfen könntest du ruhig ein bisschen vorsichtiger sein. Morgen früh bin ich bestimmt grün und blau.«

      »Und du hättest ruhig mal an meine Zähne denken können«, sagte ich. »Du wusstest doch, dass ich Zahnschmerzen habe.«

      »Hatte ich vergessen«, sagte sie. Verlogenes Stück. Ihr rieselten die Pailletten von dem schicken Trikot, und sie zog eine Glitzerspur hinter sich her. Aber ich hatte nicht die Absicht, ihr das zu sagen, vor allem nicht, nachdem sie keine Rücksicht auf meine Zähne genommen hatte.

      Als wir in die Garderobe kamen, saß da schon ihr unterbelichteter Freund rum.

      »Armes Baby«, sagte er zur Bombe. Mich sah er böse an. Ich hätte nett zu ihm sein sollen, weil er mich nach der Show wieder mit nach London nehmen wollte. Deshalb hätte ich wohl seiner Meinung nach das arme Baby gewinnen lassen müssen.

      »Mach die Biege«, sagte ich. »Ich will mich umziehen.«

      »Ich habe schon mehr nackte Frauen gesehen als du warme Mahlzeiten«, sagte er. So ein Blödmann.

      »Bei mir gibt’s nichts zu spannen«, sagte ich. »Da hast du dich verrechnet.«

      »Meinst du etwa, da leg ich gesteigerten Wert drauf?«

      »Dann schieb ab«, sagte ich.

      Aber er wollte der Bombe mit den fettigen Flossen die Schultern massieren. Sie hätte einem fast leidtun können, wenn sie sich nicht so genüsslich schnurrend an ihn geschmiegt hätte.

      Will eigentlich jeder Mensch gebraucht werden? Wollen sich eigentlich alle Frauen begrapschen lassen – sogar von einem Schwachkopf mit fettigen Flossen? Also, ich weiß die Antwort darauf nicht, aber ich bin schließlich ein anderes Kaliber. Natürlich bin ich nicht besonders gern groß und hässlich, aber man muss zugeben, dass fast alles im Leben auch seine guten Seiten hat. Zum Beispiel ist es sehr gut, wenn man nicht von dem unterbelichteten Macker der Blonden Bombe beliebäugelt wird, auch wenn er einen Ford Granada fährt.

      In diesen alten Theatern auf dem Land heizen sie die Garderoben nicht. Wahrscheinlich war das Gebäude sowieso längst zum Abbruch freigegeben. Eine Dusche gibt es nicht. Man muss sich einigermaßen mit einem Waschbecken in der Ecke behelfen.

      Das würde mir an sich nichts ausmachen. Der Schuppen war fürs Catchen sowieso nicht geeignet, und solche Dreckslöcher sind noch das Beste, was man auf den untersten Stufen der Karriereleiter überhaupt erwarten darf.

      Was mir allerdings doch etwas ausmachte, war die Tatsache, dass ich schwitzend und mit Zahnschmerzen so lange in der Zugluft herumstehen sollte, bis seine Lordschaft die Blonde Bombe genug getätschelt hatte.

      Aber ich musste höflich bleiben. Der letzte Zug aus dem Möhrenland nach Hause war bestimmt schon seit Stunden weg. Je größer die Entfernung von London, desto früher der letzte Zug, das weiß jedes Kind. Irgendwie musste ich wieder zurück.

      »Mach schon«, sagte ich. »Zieh Leine.« Ich bemühte mich wirklich um einen freundlichen Ton.

      »Eva ist schüchtern«, sagte die Blonde Bombe. Na ja, was soll man auch sonst von einer Catcherin erwarten, die im Ring Lippenstift der Marke Champagner Fizz trägt?

      »Schüchtern? Eva Wylie? Dass ich nicht lache.«

      Es gibt nichts Erbärmlicheres als einen Schwachkopf, der sich Schlauheiten herausnimmt, und kein Ford Granada gibt einem das Recht, mich zu beleidigen. Ich stopfte seinen Kopf ins Waschbecken und drehte den Hahn auf. Dann schnappte ich mir meine Puma-Sporttasche, Jacke und Schuhe. Es war besser zu verschwinden, bevor ich richtig böse wurde.

      Im Korridor lief ich Mr. Deeds in die Arme. Er sah selber ziemlich böse aus.

      »Wenn ich fünfzehn Minuten will«, sagte er, »dann will ich fünfzehn Minuten. Keine sieben. Keine zehn. Auch keine zwölfeinhalb.«

      »Tut mir leid, Mr. Deeds«, sagte ich. Mr. Deeds ist der Boss.

      »Reiß dich zusammen, Eva«, sagte er. »In solchen Kuhkaffs haben sie für Frauen im Ring sowieso nicht viel übrig. Es war schwer genug, euch überhaupt ins Programm zu kriegen. Du musst den Zuschauern was bieten für ihr Geld.«

      »Ich bin ausgerutscht«, sagte ich. »Und Stella hat einen schlimmen Rücken. Wir konnten nichts dafür, Mr. Deeds.«

      »Ausgerutscht? Das soll wohl ein Witz sein!«, sagte er. »Ich bin doch nicht blind. Ausgerutscht! Und es sollte mich verdammt noch mal nicht wundern, wenn Stella tatsächlich einen schlimmen Rücken hätte – jetzt, nach dem Kampf!«

      »Tut mir leid, Mr. Deeds«, sagte ich noch einmal. Ich hatte langsam die Nase voll davon, im zugigen Korridor zu stehen und mich zu entschuldigen. Ich entschuldige mich nicht gerne, schon gar nicht, wenn mir die Zähne wehtun, aber es bleibt dir nicht viel anderes übrig, wenn dein Brötchengeber sauer auf dich ist.

      »Wenn du dich an die Spielregeln hältst, Eva, kannst du eine schöne Stange Geld verdienen«, fuhr er fort. »Aber wenn du uns verarschst, fliegst du raus. R-A-U-S. Kapiert?«

      »Raus.«

      »Genau«, sagte er. »Nächste Woche sieht es anders aus, okay?«

      »Okay, Mr. Deeds.«

      Seine Zigarre paffend watschelte er von dannen. Fetter Saftsack. Immer sind es die fetten Saftsäcke, die einem das Gehalt bezahlen. Er hat einen Hintern wie ein Elefant. Das Problem ist nur, er hat auch ein Gedächtnis wie ein Elefant.

      Ich war irgendwie angeschlagen nach dem Gespräch mit Mr. Deeds, aber ich wollte unbedingt noch zu Harsh, bevor ich ging. Ohne die Geschichte mit Stella der Bombe wäre ich noch geblieben und hätte mir