Viva la carpa! Als die Mafia den Aischgründer Spiegelkarpfen haben wollte. Werner Rosenzweig

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Название Viva la carpa! Als die Mafia den Aischgründer Spiegelkarpfen haben wollte
Автор произведения Werner Rosenzweig
Жанр Юмористическое фэнтези
Серия
Издательство Юмористическое фэнтези
Год выпуска 0
isbn 9783960085430



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werd behaupten, dass du lügst, dann werdn wir scho sehn, wem die Polizei mehr glaubt, mir oder einer daherglaufenen Polackin«, konterte der junge Teichwirt.

      »Können ja nachgucken bei deine Schwanz«, ließ sich Jagoda nicht aus der Fassung bringen, »wenn ich Polizei erzähle, dass du hast schwarze Warze auf Sack. Woher soll ich wissen, wenn nicht selbst gesehen?«

      »Du Luder, du verrecktes«, rastete Beppo Neugebauer aus. In seiner Wut griff er sich eine in der Nähe liegende Wäscheleine und schlang sie der Polin um den Hals. Dann zog er zu. Fester und immer fester. Er war wie im Rausch. Blanker Hass vernebelte sein Gehirn. Speichel lief ihm aus dem Mund. Er ließ nicht ab, bis seine Frau Maria, die über den Hof gerannt kam, von hinten versuchte, ihn von seinem Opfer wegzuziehen. Es war bereits zu spät. Die junge Frau aus dem Osten rührte sich nicht mehr. Sie lag am Boden und starrte das Ehepaar mit gebrochenen Augen an. Um ihren weißen Hals hatten sich dunkelblaue Striemen ausgebildet, die an ihren Rändern in ein dunkles Rot übergingen. Maria fasste sich als Erste. »Die steht nimmer auf. Die is verreckt. Tot. Mausetot. Wir müssen sie wegbringen. Unauffällig und schnell. Renn und hol die große Schubkarrn und ein paar leere Kartoffelsäck. Beil dich. Mach scho!«

      Sie karrten die Tote in die Scheune und legten sie in eine große, leere Holztruhe. Dann rief Beppo Neugebauer seinen Freund Daniel Krumm an. »Du musst mir helfen«, bat er ihn am Telefon.

      »Ich komm gleich vorbei«, versprach Daniel.

      *

      Der Kaufvertrag, den dieser stinkende, südländische Typ mit der ekeligen Pomade im Haar mitgebracht hatte, lag immer noch auf dem Küchentisch. Er würde ihn nicht unterschreiben. Ein lächerlicher Preis, weit unter Wert. »Ich sags Ihnen nochmals«, wiederholte sich Beppo Neugebauer zum fünften Mal, »wir verkaufen unsere Weiher net. Scho gar net zu so an mickrichen Preis.« Sein breites Bauerngesicht glänzte feuerrot vor Wut und er wischte sich den Schweiß von seinem breiten Schädel. Seine blutunterlaufenen Augen starrten den unerwarteten Besucher an und seinen Unterkiefer hatte er angriffslustig nach vorne geschoben. »Und etz schauas, dass verschwinden, sonst werd ich ungemütlich und ruf die Polizei.«

      Der Fremde ließ sich nicht beeindrucken. »Ssade, is meine letzte Oferta«, verkündete er. »La verità non invecchia. Oh, wie man sagt in Deutss? Die Wahrheit nicht altert. Entweder Sie rufen Polisei und wir warte gemeinsam oder mir sagen, wo ist nexte Poliseistation? Dann ich gehe freiwillig zu Polisei. Habe Meldung zu machen. Was mache nun? Wollen wir warte, bis Sie aben angerufe policia, eh? Sollten wissen: Sie erinnern an Tomasz und seine Frau Jagoda? Ich wisse, lange Seit her, aber wie gesagt. La verità non invecchia. Müsse wisse, ich kenne ganze Gessichte von Jagoda und Tomasz. Gar nichte ssön, he?«

      Maria Neugebauer saß neben ihrem Mann und hatte ihm das Wort überlassen. Auch ihr stand der Schweiß auf der Stirn und ihr gewaltiger Busen wogte beim Atmen auf und ab. Als sie die Namen der beiden polnischen Saisonarbeiter vernahm, stieß sie einen langen spitzen Schrei aus.

      »Liebe Frau, müsse nix so ssreien. Tomasz und Jagoda lange tot. Machen nix mehr. Wollen keine Geld mehr. Ruhen in Frieden in tiefe Erde. Hat Daniel doch mit seine Bagger tiefes Loch gemacht. Ganz tief, draußen in Nähe von Fissweiher. Dort, unter hohe Baum. Vergesse Tomasz und Jagoda, unterssreibe Kaufvertrag und alles gut. Dann Giovanni versswinde wieder ganz ssnell.«

      Beppo Neugebauer hing in seinem Stuhl. Kalter Schweiß stand ihm nun auf der Stirn und der Oberlippe, obwohl die Quecksilbersäule draußen immer noch bei achtundzwanzig Grad stand. Siebenundzwanzig Jahre alte Erinnerungsfetzen tauchten wieder auf und setzten sich in seinem Gehirn wie ein Puzzle, ein riesiges Puzzle, zu einem Ganzen zusammen. Tomasz Grabowski machte damals einen riesigen Aufstand, als seine Frau weder zum Abendessen noch während der folgenden Nacht auftauchte. Er schrie herum und gebärdete sich wie wild. Er warf den Eheleuten vor, sie hätten Jagoda in irgendeinem Raum eingesperrt, um ihr Angst zu machen und sie von ihrer Geldforderung abzubringen. Nur allmählich gelang es Beppo und Maria Neugebauer ihn zu beruhigen. »Tomasz, wir haben keine einhunderttausend Mark, das musst du uns glauben«, sprach er damals auf den Polen ein, »aber wenn ihr mit der Hälfte zufrieden seid und sofort verschwindet, könnte daraus ein Handel werden.« Er erinnerte sich, wie Tomasz Grabowski ins Grübeln kam, überlegte und mit sich selbst rang.

      »Jagoda auch muss zustimmen«, meinte der Pole nach einer Weile. »Wo sie ist?«

      »Nein«, lehnte Maria Neugebauer energisch ab, »Jagoda ist ein rachsüchtiges, geldgieriges Weib. Du musst eine Entscheidung für euch beide treffen und außerdem wollen wir, dass du uns einen Abschiedsbrief hinterlässt. Wie sollen wir sonst den anderen polnischen Arbeitern verständlich machen, wo ihr abgeblieben seid? Mitten in der Nacht, ohne Ankündigung einfach abzuhaun? Werden die uns das glaubn? Pass auf, wir diktiern dir den Brief, dann unterschreibst du, ich geb dir das Geld und ihr verschwindet sofort. Auf Nimmerwiedersehn.«

      Eine halbe Stunde später lag der von Tomasz Grabowski handschriftlich verfasste und von ihm unterschriebene Abschiedsbrief auf dem Küchentisch, dort, wo jetzt dieser schäbige Kaufvertrag lag.

      »Nun ihr gebt mir fünfzigtausend Deutsche Mark und dann mich führt zu meine Frau«, forderte der Pole, nachdem er den Kugelschreiber zur Seite gelegt hatte. Es waren seine letzten Worte. Maria Neugebauer stand hinter ihm und ließ den Spaten, mit aller Kraft, die in ihr steckte, auf den Kopf des Gastarbeiters niedersausen. Das Werkzeug spaltete ihm den Schädel. Dann rief Beppo Daniel Krumm an. Der rückte am nächsten Morgen in aller Frühe vor Sonnenaufgang mit seinem Liebherr-Bagger an. Die Sonne machte sich rar an diesem Tag. Die Novembernebel verschluckten die außergewöhnliche Bestattungsszene, dort im Uferbereich des Karpfenweihers, unter der stattlichen Eiche. Nur der Motor des Liebherrs kündete hinter der dichten Nebelwand von Aktivitäten nahe am Gewässer. Es gab keine Zeugen. Erst als um die Mittagszeit die Herbststrahlen der Sonne die nebelige Suppe aufgelöst hatten, sah man Beppo Neugebauer und seine Frau Maria, wie sie in der Nähe eines Karpfenweihers einen riesigen Holzstoß errichteten. Kaminholz für die kommenden Winter. Tiefe Reifenspuren hatten die Grasnarbe rund um den Holzstoß aufgewühlt. Daniel Krumm und sein Liebherr waren längst verschwunden, genau wie Jagoda und Tomasz.

      Beppo Neugebauer kehrte in seiner Gedankenwelt aus der Vergangenheit in die Wirklichkeit zurück. Er sah seiner Frau Maria in die Augen. Die schien immer noch weit entrückt zu sein. Zumindest reagierte sie nicht. Sie saß einfach nur wortlos da und starrte auf den Fußboden. Dann wanderte sein Blick wieder auf den Kaufvertrag, auf dem Küchentisch.

      »Eh, was isses jetzt?«, vernahm er die Stimme des Südländers, »musse ich jetzt gehe zu policia oder unterssreibe Vertrage?«

      »Ham Sie einen Kugelschreiber einsteckn?«, hörte sich Beppo Neugebauer fragen.

      »Anche i pesci del re hanno spine. Wie sage in Deutss? Auch pesci des Königs abe Gräten. Hier, Herr Neugebauer, abe echte Montblanc-Kugelssreiber. Dürfe behalten. Als Andenke.«

      *

      Oben auf dem Lauberberg, unweit von Höchstadt an der Aisch und nahe der Ortschaften Lappach und Sterpersdorf, streckte die kleine Kapelle ihre spitze Kirchturmspitze in den wolkenlosen, blauen Augusthimmel. Das Kirchlein gehört zur Pfarrei St. Vitus der Gemeinde Sterpersdorf und ist dem Heiligen Antonius geweiht. Heutzutage ist der Lauberberg ein beliebtes Ausflugsziel, steht doch oben auf der Kuppe, gleich neben dem kleinen Gotteshaus, auch ein bewirtschaftetes Anwesen, welches bereits in der siebten Generation seinen Gästen regionale Gaumenfreuden offeriert. Aber nicht nur wegen der fränkischen Leckerbissen machen sich die Ausflügler auf den Weg zum Lauberberg hoch, nein, die Gegend hat auch einen gewissen Mythos an sich und ist sagenumwoben. Eine gewisse Sybilla Weis, eine Seherin, soll hier vor langer Zeit ihr Unwesen getrieben haben. Vor mehr als sechshundert Jahren soll sie schon prophezeit haben, dass Weibsleute irgendwann lange Hosen tragen werden, dass Eisenungeheuer durch das Land brausen und dass Wagen ohne Zugtiere fahren. Im nahen Ailsbach soll sie gelebt haben, die Seherin, und ständig soll sie sich auf dem Lauberberg herumgetrieben haben. Heute pilgern Menschen zu ihrer Grabstätte, droben auf dem Lauberberg, gleich neben der Antoniuskapelle, um sich anschließend den Genüssen hinzugeben und die Aussicht auf das Aischtal zu genießen. Eine Steinplatte, umgeben von einem dahinrostenden Eisenzaun, erinnert an Sybilla Weis.

      Auch