Lombok. Matthias Falke

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Название Lombok
Автор произведения Matthias Falke
Жанр Научная фантастика
Серия
Издательство Научная фантастика
Год выпуска 0
isbn 9783957771032



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seufzte Norton.

      Die Kabine des Bodenfahrzeugs war nicht übertrieben geräumig. Immerhin konnten sie jetzt das Verdeck schließen und die Helme absetzen, die sie tagsüber angelassen hatten.

      Ladana schüttelte ihr schwarzes Haar auf und kratzte sich an der Kopfhaut.

      »Mann!«, stöhnte sie. »Wie machen die das, wenn ein Einsatz länger geht?!«

      »Der menschliche Organismus kann mehrere Wochen ohne Dusche überleben«, kam es aus der Übertragung. »Wenn es sein muss, sogar ein paar Monate. Erstaunlich ist, an welchen Stellen es zu jucken anfängt, selbstreinigende Unterwäsche hin oder her!«

      Sie wechselten einen befremdeten Blick. Ladana wollte schon einen Fluch in Richtung der Lokalen adressieren, als Norton ihr Einhalt gebot.

      »Bist du das, Kurtz?«

      »Aber sowas von!«

      Sie lachten befreit. Das Gefühl, von der Zentrale ausspioniert zu werden, wich dem deutlich angenehmeren Bewusstsein der Kameradschaft zu den anderen Rekruten. Natürlich war die Zentrale trotzdem online. Aber nach und nach schalteten sich jetzt die anderen Teams zu einer Ringverbindung zusammen. Manche aktivierten auch die Video-Leitung, die sie während der Arbeit abgeschaltet hatten, um die prekäre Brandbreite zu sparen. Immerhin waren die Verbindungen jetzt stabil. Sie durften mit ihrem Tagewerk zufrieden sein.

      »Was macht ihr?«, fragte Ladana neugierig, als Kurtz’ Gesicht in einer verschmierten, falsch fokussierten Einstellung sichtbar wurde. Das passte zu ihm, der sowieso immer irgendwie ungewaschen, unrasiert und unausgeschlafen aussah.

      »Das gleiche wie ihr, habe ich den Eindruck!«

      Sie sahen einander zu, wie sie mit den Synthetisatoren hantierten und ihr Abendessen zubereiteten.

      »Was gibt es bei euch?«

      »Mal sehen«, sagte Norton, der mit dem Steuer auch den Küchendienst übernommen hatte. »Einheitsbrot mit Einheitswurst und Einheitskäse, dazu ein bisschen Einheitsgemüse. Könnte als Tomate durchgehen. Zum Nachtisch Einheitsdessert, und für die gute Laune kriegt jeder exakt einen Viertelliter alkoholfreies Einheitsbier.«

      Die Synthetisatoren der kleinen mobilen Einheiten boten nicht ganz den Standard der Modelle auf Schiffen oder Basen. Immerhin konnten sie zwischen einem Dutzend einfacher Menüs wählen.

      »Also ganz wie bei uns«, gab Kurtz durch, der schon mit vollen Backen kaute.

      »Und?«, fragte Ladana, als Norton ihr feierlich ein volles Tablett hinüberreichte. »Noch nichts kaputt gemacht?«

      »Was soll das?« Der Leiter von Team 11 war empört.

      Ladana zwinkerte ihm zu. Er genoss, was das anging, einen gewissen Ruf. So hielt er nicht nur den einsamen Rekord der am Simulator gestorbenen Tode, er war auch derjenige, der während der realen Übungen am meisten Hardware auf dem Gewissen hatte.

      »Dann ist ja gut«, sagte Norton. Er stürzte das schale, süßlich schmeckende Bier hinunter und schüttelte sich.

      »Prost.« Kurtz hob seinen Becher in die Kamera. Die anderen Teams, die online waren, schlossen sich an.

      Dann sprang die Anzeige um und verkündete eine Durchsage der Zentrale.

      »Prost und Guten Appetit da draußen.« Das war Rogers! »Ich wollte nur durchgeben, dass wir bis jetzt zufrieden mit euch sind. Ihr habt heute einen guten Job gemacht. Jetzt will ich die Party nicht länger stören. Aber ihr wisst ja, dass wir immer für euch da sind!«

      Das Symbol erlosch wieder. Die Zentrale war passiv, aber sie bekam alles mit, was auf den viele Dutzend Kilometer über das Mare Inconcussum verteilten Scootern und Bodenfahrzeugen gesprochen wurde.

      Der eine oder andere maulte etwas von Privatsphäre. Sie frotzelten noch ein bisschen, plauderten und meldeten sich dann nach und nach wieder ab. Schließlich erloschen die letzten Video-Streams und die Ringschaltung ging auf passiven Modus.

      »Das hat gut getan.« Norton stopfte die Überreste des frugalen Mahls in den Recyclingschacht und hielt sich den Bauch, als habe er ein Fünf-Gänge-Menü genossen. »Jetzt fehlt eigentlich nur noch eine Qatlette oder ...«

      »Oder was?« Ladanas dunkle Augen glühten auf.

      »Oder etwas anderes, das einem nach einem guten Essen entspannt, damit man nachts schön schläft.«

      »Das kannst du dir aus dem Kopf schlagen«, grinste sie. »Solange ich das Gefühl habe, dass die ganze Mannschaft uns dabei zuhört, brauchst du nicht einmal in diese Richtung zu denken.«

      »Schade.« Er streckte die Hand aus, spielte ein wenig mit ihrem schwarzen Haar und zog sich dann wieder zurück.

      Die Müdigkeit machte ihre Glieder und ihre Gedanken schwer. Sie saßen nebeneinander im rustikalen Cockpit des Stallion und sahen in die unregelmäßig gestaltete Ebene hinaus. Die Sanddünen schienen zu wandern, die Verwehungen plusterten sich auf. Aber das war nur ein Nebeneffekt der Ereignislosigkeit. Ihre Gehirne wollten unbedingt, dass sich auf den weiten ockerfarbenen Flächen etwas abspielte, und da sich dort nichts tat, brachten sie es selbst hervor. Die Landschaft selbst war so regungslos wie ein Laken über einem Paar, das sich dem petit mort hingab.

      Allmählich entwickelte sich so etwas wie eine Abendstimmung. Die Farben wurden intensiver, die Schatten trügerischer. Das sandige Einheitsgelb der Weiten differenzierte sich zu einem Katalog reicher Nuancen aus, die das ganze Spektrum von Beige über Zinnober, Orange, Rot und Amethyst abschritten. Die Senken schimmerten purpurn und sogar blau. Die grünen Stalagtiten, die eigentlich uralte Lavagänge waren, schienen zu glitzern und zu strahlen. Funken brachen aus ihren Spitzen, als seien sie lichtgefüllte Geysire.

      Der Wind, der an ihrem Fahrzeug gerüttelt und es mit Sand beworfen hatte, schlief ein, als sich eine große Schwere über alles schob. Das Farbenspiel erlosch wie ausgeknipst. Die monumentale Einöde von Tawri wurde stumpf und tot.

      Dann begriffen sie. Der Mond war endgültig in den Schatten seines Gasriesen hineingewandert. Es war nicht Nacht, sondern Sonnenfinsternis, was sie erlebten.

      »Wow«, sagte Ladana. »Das war jetzt aber mal spektakulär.«

      Norton nickte versonnen vor sich hin. »Dafür lohnt es sich, hierher zu kommen.«

      Sie sahen zu, wie die Dunkelheit sich weiter eindickte. Allerdings flutete genügend Restlicht durch die Atmosphäre Gesa Zochs zu ihnen, gebrochen, gestaucht, mit Buntheit aufgeladen wie ein elektrischer Stab, so dass die Finsternis nicht vollkommen wurde. In der Ferne sahen sie sogar das eine oder andere Signallicht eines Nachbarteams aufleuchten. Und als sie den Kopf wanden, erkannten sie den mächtigen Strahler, der die Position der INSTRUCTOR markierte. Eine Lanze aus blauen Licht, die sich von unten in den verwundbaren Wolkenhimmel bohrte.

      Ladana hatte seinem letzten Satz nachgelauscht, als sei ein Geheimnis darin verborgen.

      »Warum bist du eigentlich hier«, fragte sie jetzt. »Du gehörst doch gar nicht zu der Einheit, die für diese Mission federführend ist.«

      Das war richtig. Er gehörte einem höheren Jahrgang an und war älter als die meisten Rekruten dieses Einsatzes.

      »Ich habe mich freiwillig gemeldet«, sagte er.

      »Was?« Sie starrte ihn entgeistert an. »Du bist verrückt. Und warum?«

      Er hielt ihrem Blick stand, antwortete aber nicht.

      »Nur, um mit Rogers um die Galaxis ziehen zu können?«, riet sie.

      Norton hob die Schultern. »Rogers sehe ich in Pensacola jeden Tag, wenn er nicht gerade auf Exkursion ist.«

      Sie nickte. Dass Frank einem gewissen Sonderstatus bei dem General genoss, war ein offenes Geheimnis auf der Akademie. Es trug nicht wenig zu dem geheimnisvollen Nimbus bei, der ihn umwehte. Und den er selbstverliebt auskostete, wie sie sich jetzt sagte. Norton war Rogers’ Lieblingsschüler. Man hörte es am Ton, wenn er mit ihm sprach, und man sah es in den funkelnden kleinen Augen