Liebesgrüße aus Neuschwabenland. Alex Jahnke

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Название Liebesgrüße aus Neuschwabenland
Автор произведения Alex Jahnke
Жанр Научная фантастика
Серия
Издательство Научная фантастика
Год выпуска 0
isbn 9783964260062



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Seine Familie lebt seit über 60 Jahren in der Kolonie, was Spuren hinterlassen hat. Statt seinen durchtrainierten Pinguinkörper mit Stolz in der Antarktis zu zeigen, neigt Manfred zu Bauchansatz und hat auf dem Kopf einiges an Federn gelassen. Nur ein kleiner Kranz zeugt noch von der früheren Federpracht. Manfred ist für das Gebäudemanagement auf der Basis verantwortlich. Ich erhoffe mir viel von ihm und werde diese Beziehung über die Zeit ausbauen. Das Empire muss an die Technik dieser fliegenden Scheiben kommen!

      Neuschwabenland, 13.1.5014

      Ich habe heute die Rede des Basisleiters für den kommenden Montag vorbereitet. Eine ritualisierte Veranstaltung, welche die Moral der Truppe erhalten soll. Aber nach so vielen Jahrzehnten in völliger Isolation von der Außenwelt ist es schwierig, immer wieder neue und mitreißende Themen zu finden. Im Gegensatz zu den montäglichen Redenschwingern in Dresden kann man auf der Basis mit altbekannter Rhetorik niemanden mehr begeistern – eher im Gegenteil. Die Reihen lichten sich schnell, wenn das Thema auf den Untergang des Abendlandes und die Gründe dafür kommt. Wir kennen das alle und wir wissen auch, wohin das geführt hat.

      Daher orientiere ich mich an den modernen Rednern, zum Beispiel dem Regierungssprecher in der alten Heimat. Für die nächste Rede habe ich, Kommas an, merkwürdigen Stellen, eingebaut, damit der, Leiter sie liest wie, mein Vorbild. Ich bin, mir sicher, damit große, Erfolge feiern zu können.

      Neuschwabenland, 14.1.5014

      Manche Menschen sollten gesetzlich dazu verpflichtet werden, jeden ihrer Sätze mit „Ich habe keine Ahnung von dem Thema, aber …“ zu beginnen.

      Neuschwabenland, 15.1.5014

      Ich nehme an einem wissenschaftlichen Feldversuch teil, der untersuchen soll, ob die Arbeit im heimischen Quartier effektiver ist, als im Büro. Die ersten Ergebnisse sind vielversprechend. Besondere Aufmerksamkeit werden die Forscher dem Phänomen widmen, dass im „Home Office“ die Grenze zwischen „in Klamotten schlafen“ und „Schlafklamotten“ sehr fließend und kaum erkennbar ist.

      Neuschwabenland, 16.1.5014

      Man hat mir gerade ein Twix geschenkt. Ich werde jetzt die eine Hälfte essen und mir die andere Hälfte für in 30 Sekunden aufheben.

      Die Willenskraft eines deutschen Mannes kennt keine Grenzen!

      Neuschwabenland, 17.1.5014

      Der Speiseplan unserer Kantine ist wie der Inhalt meines heimischen Kühlschrankes. Man kann ihn x-fach studieren und mehrfach darin nachsehen, aber es wird einfach nicht besser. Ein Kantinensalat bleibt, egal an welchem Ort, ein mehr oder weniger essbarer Schicksalsschlag.

      Neuschwabenland, 18.1.5014

      Die Welt macht täglich Fortschritte, aber seit langem fehlt die große Vision. Das Raumfahrtprogramm unserer Erzfeinde, der Amerikaner, war einmal so etwas. Da wollte eine Nation die Welt verändern und blickte nach vorne! Aber heute? Nichts ist davon übrig geblieben. Zwar flammt immer wieder ein wenig von dieser Begeisterung auf, aber nichts, was eine ganze Nation packen und sie in die Zukunft treiben könnte.

      Man muss sich nur anschauen, wie Menschen gleichzeitig in einen Zug ein- und aussteigen wollen. Wer würde dann noch die Behauptung aufstellen, dass wir bereit sind, den Mars zu besiedeln?

      Deswegen halten wir uns mit den Reichsflugscheiben auch zurück. Die Welt ist noch nicht für diese Technik bereit!

      Neuschwabenland, 19.1.5014

      Es ist gerade so, als wüssten Menschen mit fröhlich-singendem „Guten Morgen!“ nicht, wie viele Mordfälle ungelöst bleiben.

       Persönliches Logbuch Tag 18, Colonel Bramsey

      Die Freundschaft zu Manfred konnte ich vertiefen. Sein Vertrauen zu gewinnen war einfacher, als ich gedacht hatte. Für eine Packung Knabberflischlis wäre er zu fast allem bereit. Leider sind meine Vorräte dieses Snacks bereits verbraucht, nun ist Eigeninitiative gefragt.

      Manfred hat mich auf eine interessante Beobachtung hingewiesen. Obwohl drei Pinguine zum Dienst im Staatsballett nach Nordkorea entsandt wurden, habe sich die Anzahl der Pinguine auf der Basis nur um zwei verringert. Für das ungeübte menschliche Auge sehen wir Pinguine alle gleich aus, daher ist der Besatzung dieser Fehler bisher nicht aufgefallen. Manfred hingegen verfügt über eine sehr detaillierte Beobachtungsgabe und hat in der Schlange bei der Essensverteilung den Unterschied aufgedeckt. Er konnte sich aber nicht erklären, wieso dennoch drei Rationen am Ende der Ausgabe übrig geblieben waren und nicht zwei.

      Manfred mag ein guter Beobachter sein, aber seine Intelligenz kann man eher als intellektuell herausgefordert beschreiben. Wahrscheinlich hat er sich nur verzählt, welcher Pinguin würde schon freiwillig auf seine Heringe verzichten?

      Weiterhin hat er mir von den Aufgaben der Pinguine im Blondie-Kostüm für den Alten erzählt. Die Details sind verstörend und würden die Bevölkerung verunsichern.

      Jeden Tag lerne ich etwas Neues, was ich gar nicht wissen wollte.

      Neuschwabenland, 20.1.5014

      Ich habe einen neuen Mülleimer bekommen, der kleiner ist, als der Vorgänger.

      Wie soll ich so den alten Eimer entsorgen?

      Neuschwabenland, 21.1.5014

      Viele Dinge des modernen Lebens haben nicht den Weg auf unsere Basis gefunden und wenn man mich fragen würde: völlig zu Recht!

      Lebensmittelallergien zum Beispiel. Sicherlich, es gibt Unverträglichkeiten, das möchte ich gar nicht in Frage stellen. Aber gegen was diese verweichlichten Menschen mittlerweile alles allergisch sind? Milch, Eiweiß, Farbstoffe, Geschmacksverstärker … und natürlich Getreide … Ausgerechnet Getreide!

      Seit fast 30.000 Jahren essen die Menschen Getreide in Form von Brot. 30.000 Jahre! Und auf einmal, im 21. Jahrhundert, stellt die Menschheit fest: „Hmm, nee … Lass mal, da wird mir unwohl von“?

      War das bei den Steinzeitmenschen auch schon so? Hörte man da „Ugg! Lass mal bitte die Brotfladen weg, das Mammut liegt mir sonst so schwer im Magen!“

      Wohl kaum! Wenn diese Entwicklung so weiter geht, werde ich in weniger als zehn Jahren eine Bank mit einem weißen Brötchen als Waffe überfallen können.

      „Geld oder anaphylaktischer Schock!“

      Neuschwabenland, 22.1.5014

      Manchmal lege ich meinen Kopf auf die Waage im Kolonialwarenladen, wiege ihn als Mango und freue mich darüber, was ich als Sumachgewächs wert wäre.

      (Deutlich mehr als mein monatlicher Sold.)

      Neuschwabenland, 23.1.5014

      Heute habe ich unschöne Post bekommen. Der Interessenverband der geheimen Weltherrscher (kurz: IGW) schrieb einen sehr erbosten Brief. Der Verlust meines Tagebuchs ist leider doch noch nicht ganz vergessen und man will uns einer Untersuchung unterziehen, ob wir weiter dem Interessenverband angehören können oder eine Gefahr für die Weltherrschaft(en) darstellen. Diese Typen sind unangenehm, sehr unangenehm. Besonders die Reptiloiden. Ihr ständiges Zwinkern mit den seitlichen Augenliedern macht mich ganz nervös. Aber auch die anderen Mitglieder sind nicht zu unterschätzen. Die Illuminaten sind trotz ihres Alters immer noch gut im Geschäft, wobei sie sehr von ihrem Ruhm zehren. Die Bilderberger hingegen sind hochprofessionell, aber es fehlt ihnen an überirdischer oder außerirdischer Unterstützung. Letztendlich sind es doch nur Politiker und Bänker, aber ihre gefährlichste Waffe – die langatmige Rede – ist gefürchtet. Dann sind da noch die vielen kleinen Splittergruppen; gefallene Engel, Dämonenbeschwörer, Aliens aus dem galaktischen Rat. Jeder ist auf seine Weise dazu berufen, über die Welt zu herrschen und dies mit allem Nachdruck durchsetzen zu wollen.

      Letztendlich sind natürlich auch wir in der IGW organisiert, nicht weil wir die Ansprüche der anderen anerkennen, sondern um sie im Auge zu behalten.

      Normalerweise gibt sich der IGW bei Verfehlungen mit einem Warnbrief zufrieden, aber in diesem Fall wollen sie einen Beauftragten entsenden, der sich die Basis und die Vorgänge gründlich anschaut. Ich