Der große Aschinger. Heinz-Joachim Simon

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Название Der große Aschinger
Автор произведения Heinz-Joachim Simon
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783955521844



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persönlichen Angelegenheiten zuständig sein.«

      Das also war Teichmann, der zweite Mann bei Aschinger, der – so hatte es ihm Dornbusch erzählt – noch mächtiger war als der Inhaber. Ein Mann, der nur Zahlen gelten ließ. Er ist gefährlicher als ein hungriger Hai, hatte Dornbusch geraunt. Wehe dem, der ihm in die Quere komme! Und nun, da Sebastian ihn kennenlernte, glaubte er dies gern. Dieses kalte Gesicht mit Augen wie Gletscher, die schmalen Lippen und die schneidende Stimme ließen auch ihm eine Gänsehaut über den Rücken laufen.

      »Ach ja, er hat dafür gesorgt, dass die Bierquelle am Alexanderplatz so gut dasteht? Gut gemacht! Wollen wir hoffen, dass diese Idee keine Eintagsfliege war.«

      Mit dem Lob war also gleichzeitig eine Drohung verbunden. Aschinger winkte Sebastian zu. Sie gingen in einen angrenzenden Konferenzraum, an dessen langem Tisch bereits acht dunkel gekleidete Herren saßen, die nun eilig aufsprangen und ängstliche Gesichter machten. Der Raum war bis auf ein paar Blumen am Fenster schmucklos, wurde aber ebenfalls von den Bildern der Gründerväter dominiert. Aschinger und Teichmann setzten sich jeweils an die Stirnseiten des Tisches in die gepolsterten Sessel.

      »Nun, meine Herren«, sagte Teichmann und reckte das Kinn, »dann können wir wohl anfangen.«

      Sebastian stand etwas verlegen hinter Fritz Aschinger, weil er keinen Platz gefunden hatte. Aschinger bemerkte dies und drückte auf einen Knopf unter dem Tisch, worauf eine ältliche Sekretärin hereinstürzte.

      »Holen Sie einen Stuhl für Herrn Lorenz! Bei dieser Gelegenheit, meine Herren, möchte ich Ihnen Herrn Lorenz vorstellen, er ist mein zukünftiger Assistent. Sie werden es mit ihm in Zukunft öfter zu tun bekommen. Übrigens, er ist der Junge mit der Idee der Aktionswochen. Nachdem wir seit zwei Jahren mit zurückgehenden Kundenzahlen zu tun haben, hat er am Alexanderplatz durch Initiative und eine frische Idee die Zahlen ins Positive verkehrt. Das, meine Herren, ist es, was wir brauchen: Ideen und Initiative.«

      Die Sekretärin brachte zwei Stühle herein und schob ihm freundlich lächelnd einen Stuhl zu. Sie nahm in der Ecke Platz, schlug den Stenoblock auf und konzentrierte sich auf die Gespräche.

      »Nun lesen Sie mal vor, wie es in diesem Monat aussieht, Braschke!«, bellte Teichmann.

      Dieser ratterte die Zahlen herunter und lehnte sich dann mit Schweiß auf der Stirn zurück.

      Teichmann schnaufte theatralisch. »Also, bis auf den Alexanderplatz haben alle Bierquellen rückläufige Zahlen. Meine Herren, die Situation wird langsam besorgniserregend. Ich weiß nicht, ob die Banken noch lange mitspielen werden, Herr Aschinger.«

      »Sie verlieren zu viel Geld, wenn sie uns fallenlassen«, wehrte Fritz Aschinger scheinbar gelassen ab.

      »Banken geben bei Sonnenschein gern einen Regenschirm, bei Regenwetter verlangen sie ihn zurück. Bankiers sind feige Hyänen. Irgendwann werden sie sagen, dass wir ein Fass ohne Boden sind«, widersprach Teichmann. »Wir müssen etwas tun – und zwar bald! Entweder wir …«

      »Ja, Direktor Teichmann, wenn es an der Zeit ist, werden wir etwas tun. Wie sieht es bei den Hotels aus, Herr Messner?«, unterbrach Aschinger die Kassandrarufe seines Direktors.

      »Leider auch nicht gerade rosig. Der Fürstenhof wirft zwar immer noch einen kleinen Gewinn ab, doch der Kaiserhof macht mir Sorgen. Seit Hitler den Kaiserhof zu seinem Hauptquartier in Berlin erkoren hat und die Nationalsozialisten und die Vaterländischen sowie der Stahlhelm dort einkehren, haben wir die jüdische Kundschaft verloren. Der Kaiserhof gilt als deutschnational.«

      »Warum müssen wir auch die Naziflagge vom Dach wehen lassen, wenn Hitler sich dort aufhält!«, kritisierte Aschinger und klopfte mit dem Füllfederhalter ärgerlich auf die Tischplatte.

      »Ach, das kann uns noch einmal viel Geld in die Kasse spülen«, warf Teichmann ein. »Spätestens im nächsten Jahr sind die Nazis an der Macht. Ich habe vorgestern mit Rolf Singer vom Singer–Konzern gesprochen. Die Großindustrie wird Hitler unterstützen, so dass dieser die größte Wahlkampagne starten kann, die Deutschland je gesehen hat. Auch Singer ist der Meinung, dass nur noch Hitler Deutschland retten kann.«

      »Das hilft uns im Moment nicht weiter. Ich werde zu Studienzwecken nach England gehen und hoffe, mir in London Anregungen zu holen, wie wir unsere Hotels noch attraktiver machen können.«

      Dann wurden Produktionszahlen und Aufwendungen diskutiert, und es wurde einstimmig festgestellt, dass die Kosten zu hoch seien.

      »Irgendwelche Vorschläge?«, fragte Aschinger.

      Ein peinliches Schweigen war die Antwort. Bis auf Teichmann und Aschinger hatten alle Schweißperlen auf der Stirn.

      »Meine Herren, Sie bekommen alle eine Menge Geld und kommen zur Großen Lage, ohne Vorschläge zu haben, wie man die Situation verbessern kann?«, höhnte Teichmann. »Ich fürchte, Sie haben nicht bedacht, dass wir bald Entlassungen vornehmen müssen, wenn wir die Situation nicht in den Griff bekommen. Selbstverständlich wird dann auch die Zahl der Direktoren erheblich verkleinert.« Drohend blickte er hinter seinem Kneifer in die Runde.

      »Keine Anregungen? Keine Ideen?«, fragte Aschinger enttäuscht, lehnte sich zurück und trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte.

      Sebastian fiel ein, wie oft die Aschinger-Wagen die Bierquellen am Tag anfuhren. Die einen brachten die Brötchen, die anderen das Bier, die dritten die warmen Speisen und so weiter. Es müsste doch möglich sein, die Anfahrten zu reduzieren. Sebastian beugte sich zu Aschinger und flüsterte ihm ins Ohr: »Ich hätte da eine Idee.«

      »Meine Herren, unser Herr Lorenz hat einen Vorschlag zu machen.«

      Alles sah hoch. Auf Teichmanns Gesicht zeigte sich ein ironisches Lächeln. Auch die anderen Gesichter verhehlten ihre Skepsis nicht. Was sollte dieser Grünschnabel schon für eine Idee haben, hatten sie sich doch schon seit Wochen den Kopf darüber zerbrochen, wie die Kosten zu senken waren! Es war immer darauf hinausgelaufen, dass nur durch eine Qualitätssenkung bei Fleisch und Mehl wesentliche Kosten einzusparen waren, aber damit brauchten sie erst gar nicht kommen. Denn Qualität war das Vermächtnis der Gründerväter, und daran ließ Fritz Aschinger nicht rütteln.

      Sebastian schilderte erst stockend, wie oft die Aschinger-Wagen vor der Bierquelle eintrafen und wie dies das Personal immer wieder aufhielt und dass die Wagen oft nur halb beladen waren. »Es müsste doch möglich sein, die Anfahrten in der Zentrale so zu organisieren, dass man mit einer Anfahrt, allenfalls zwei Anfahrten auskommt. Auch könnte das Pschorr-Bräu gemeinsam mit dem Berliner Kindl angefahren werden.«

      »Das ist doch Theorie! Wir haben das immer so gehandhabt … Das würde in der Zentrale einen riesigen Aufwand verursachen«, wollte Braschke den Vorschlag vom Tisch wischen.

      »Nein, ich halte den Vorschlag durchaus für interessant!«, sagte Teichmann, lehnte sich zurück und drehte den Bleistift nachdenklich in der Hand. »Wir werden das durchrechnen. Wir könnten sogar den Fuhrpark verkleinern und … Ja, ich finde den Vorschlag sehr interessant.«

      »Meine Herren, Sie haben es gehört, arbeiten Sie bis in zwei Tagen einen Plan aus, wie wir das bewerkstelligen können«, sagte Aschinger bestimmt. »Nehmen Sie sich ein Beispiel an dem jungen Mann! Wie oft waren Sie in den letzten Monaten in den Bierquellen? Der Vorschlag meines Assistenten kommt aus der Praxis. Also hinaus mit Ihnen in die Bierquellen! Sehen Sie sich um, was man rationalisieren und verbessern kann! Ich erwarte bis Ende des Monats von jedem einen Bericht über seine Erkenntnisse und Vorschläge, was zu tun ist.«

      »Ein sehr guter Vorschlag!«, lobte Teichmann. »Und Sie, Fischer, sehen sich noch einmal die Lieferanten an! Ich erwarte von Ihnen, dass wir uns auf wenige Anbieter konzentrieren und dann mit diesen neue Verträge und Preise aushandeln. Ein Einkaufschef muss unbeliebt sein. Aschinger hat bei den Lieferanten den Ruf eines Goldesels, doch diese Zeiten sind endgültig vorbei. Über den Einkauf und die Organisation wird der Gewinn gemacht.«

      Aschinger drehte sich zu Sebastian um und kniff ein Auge zu. »Sehen Sie, meine Herren, man muss unbefangen an die Dinge herangehen«, wandte er sich noch einmal an die Runde. »Nichts ist unmöglich. Stellen Sie alles in Frage und krempeln