Название | Schaurige Geschichten aus Berlin |
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Автор произведения | Jan Eik |
Жанр | Зарубежные детективы |
Серия | |
Издательство | Зарубежные детективы |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783955521820 |
Carions Weissagung
Die Hohenzollern waren besonders abergläubisch. Joachim Nestor hatte für seinen Astrologen Carion eine Sternwarte einrichten lassen und galt selbst als halber Zauberer. Carion weissagte sogar den Namen des Schutzengels des Prinzen Johann: »Bathsitihadel«. Es fand sich keiner, der einen anderen Namen für den Engel kannte.
Zu jener Zeit kursierte eine berühmte Weissagung, im Februar 1524 würde die Welt untergehen. Carion jedoch ermittelte einen Fehler in der Berechnung und prophezeite die Sündflut für den 15. Juli 1525. Es war ein strahlender Sommertag. Der Hofstaat zog dennoch mit Kisten und Kasten auf die höchste Erhebung von Berlin, den heutigen Kreuzberg. Allmählich breitete sich dumpfe Gewitterschwüle aus, und der Himmel bezog sich. Dann jedoch brach die Sonne durch, und die Wolken lösten sich auf. Nachdrücklich forderte die Kurfürstin Elisabeth zur Rückkehr auf. Unter dem Gespött, noch mehr aber unter dem Gemurre der Berliner zog die Kavalkade in die Stadt ein. Als sie auf den Schlossplatz einbog, schoss plötzlich ein Feuerstrahl aus den neuerlich aufgezogenen Wolken.
Joachim sank betäubt zusammen, der Regen stürzte wie aus Kannen vom Himmel. Als der hohe Herr zu sich kam, lag der Kutscher tot aus dem Wagen herausgeschleudert auf dem unbefestigten Platz. Außer ihm hatte der Blitz vier der acht Pferde erschlagen. »Sunsten hat das Wetter keinen Schaden mehr getan …«, merkt ein Chronist an. Es trifft eben immer die Falschen.
Am zweiten Weihnachtstag desselben Jahres hörte Joachim in der Kirche der schwarzen Brüder vor dem Schloss die Weihnachtspredigt. Der rotgesichtige Mönch auf der Kanzel erging sich in wüsten Drohungen gegen Luther, donnerte mit den Fäusten auf das Holz – und brach vom Schlag gerührt zusammen. Die Kurfürstin Elisabeth zog es vor, bald darauf ins lutherische Sachsen zu entfliehen.
Die letzte preußische Hexe
Ein Edikt des Großen Kurfürsten befahl 1679 den Kriminalrichtern Berlins mit Nachdruck, alle Hexen der Mark zur Verantwortung zu ziehen. Hexenprozesse blühten auf, als sie anderswo bereits abflauten; noch 1692 wurde in Berlin Daniel Krösing wegen ausgestoßener Gotteslästerungen enthauptet.
Erst der Soldatenkönig machte den Hexenprozessen ein Ende. Ein junges Mädchen, Dorothea Steffin, hatte angeblich am Wedding vor den Toren Berlins einen vornehmen jungen Mann in blauem Rock und gestickter Weste kennen und lieben gelernt. Sie traf ihn auf der Langen Brücke in Berlin wieder, schlief wiederum mit ihm und schloss angeblich einen Pakt mit ihm. Er sei der Teufel, erklärte er und ließ sie ein Dokument mit ihrem Blut unterzeichnen.
Im Kalandshof wegen ihres unsittlichen Lebenswandels eingesperrt, gestand die Steffin nach einem Selbstmordversuch ihre Beziehung zum Teufel. Damit wäre ihr Schicksal besiegelt gewesen. Gemäß den modernen Ansichten eines Thomasius wurde sie jedoch von einem Richter und einem Arzt vernommen und begutachtet und wand sich dabei in Krämpfen. Im Prozess konnten sich die Reformisten unter dem Kammergerichtsrat Wagner durchsetzen. Da Friedrich Wilhelm I. sich das Urteil beziehungsweise dessen Bestätigung vorbehalten hatte, wurde der Fall dem Staats- und Kriegsminister Samuel von Cocceji, dem späteren Rechtsreformer und Großkanzler des Alten Fritzen, vorgetragen. Cocceji, wie schon sein Vater ordentlicher Professor der Rechte an der Universität zu Frankfurt an der Oder, entschied, Dorothea Steffin habe am Leben zu bleiben.
Am 10. Dezember 1728 erging das Urteil:
Obwohl es das Ansehen habe, daß die Inquisitin wegen des Bündnisses mit dem Teufel mit dem Feuer oder doch mit dem Schwerte zu strafen sei, zumal sie einen höchst unsittlichen Lebenswandel geführt habe, so könne doch das Bündnis mit dem Teufel auch Effekt der Schwermütigkeit sein … Damit sie aber durch ein liederliches Leben und Versuchen des Selbstmordes nicht ferner in dem Wege des Satans sich verstricken könne, sei sie lebenslänglich in das Spandauer Spinnhaus zu bringen und zu leidlicher weiblicher Arbeit anzuhalten, ihr auch dort Arznei und geistlicher Zuspruch zu erteilen. Von Rechts wegen.
Die neue Sittlichkeit
Der weniger geschätzte Gatte der allseits beliebten Königin Luise, der Lady Di der Freiheitskriege, beschloss um 1810, die Straßen Berlins von allen Lusthäusern zu säubern, was natürlich nicht gelang. Fortan konzentrierte sich das unausrottbare Gewerbe im schmuddeligen Viertel Hinter der Königsmauer, also etwa zwischen Bahnhof Alexanderplatz und Fernsehturm, und gelangte dort, der strengen Reglementierung endlich entronnen, zu unerwarteter Blüte. Außerdem boten bald »Frey-Dirnen« überall in der Stadt ihre Dienste an. Als 1846 für die nächsten 140 Jahre der Betrieb von Bordellen verboten wurde, hatte sich das horizontale Gewerbe mit seinen etwa 15 000 Prostituierten längst anderweitig etabliert, und die gestrenge Polizei übersah geflissentlich die »Lasterhöhlen«, in denen die Herren aus höchsten Kreisen verkehrten. Die Berliner Sittenlosigkeit, die Nutten und ihre Luden, erlangte sprichwörtlichen Ruhm, schätzte man doch in den Goldenen Zwanzigern mehr als 25 000 illegale Prostituierte.
Die Szene überdauerte Weltkriege und Inflation und lebte im Nachkriegsberlin neu auf. Offiziell beschränkte sich die Prostitution nun allerdings auf den West-Berliner Frontstadtsumpf. Im Osten gingen die Damen (und ausgewählte Knaben) in höchst geheimer Mission und mit staatlicher Duldung und Anleitung ihren devisenträchtigen Diensten nach, galt es doch, nicht weniger als das sozialistische Vaterland im Auftrag des Ministeriums für Staatssicherheit vor dem nimmermüden Klassenfeind zu schützen.
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