Achtung Lebensgefahr!. Ernst Künzl

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Название Achtung Lebensgefahr!
Автор произведения Ernst Künzl
Жанр Историческая литература
Серия
Издательство Историческая литература
Год выпуска 0
isbn 9783945751879



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und soziale Abstiege ganzer Gemeinden ad absurdum geführt werden kann, bedarf keiner Beispiele. In allen historischen Epochen vorher stand – bei allen Unterschieden im Detail – die Selbsthilfe der Privatperson im Vordergrund. Die Regierenden, welcher Art auch immer, hatten den Schutz vor dem äußeren Feind im Auge, nicht den vor dem Verbrecher nebenan. Das galt auch für die Staaten des Altertums, und dem unter ihnen mächtigsten, dem Reich der Römer.

KAPITEL 1 Wer durfte im antiken Römerreich Waffen tragen?

      Die öffentliche Sicherheit hatte im kaiserzeitlichen Rom eine eigene Personifikation: Securitas. Damit war nicht die körperliche Sicherheit im öffentlichen Raum gemeint, sondern die gesellschaftliche Sicherheit und Stabilität eines gefestigten Staatswesens mit gesellschaftlichem Konsens. Als symbolische Frauenfigur ist Securitas auf Münzen seit Nero (54 – 68 n. Chr.) bekannt (Abb. 2) und sie ist noch in der Spätantike des 4. Jhs. in dieser Form zu finden. Dass Angst als Ausdruck der Bedrohungen in Politik und Gesellschaft und als Gegenpol zur Securitas keine Rolle mehr spielte, ist selbst für den Blickwinkel der aristokratischen Oberschicht nicht anzunehmen. Die Sorge vor einem äußeren Feind verkörperte die seit dem 4. Jh. v. Chr., seit der Niederlage an der Allia, sprichwörtliche Angst vor den Galliern, die Keltenangst (Metus Gallicus). In den Punischen Kriegen kam die Angst vor Karthago (Metus Punicus) als zweiter großer Komplex hinzu, der aber weniger dauerhaft als der Metus Gallicus war. Dieser erhielt durch die Cimbern und Teutonen und die Übertragung auf die Germanen eine bis in die Kaiserzeit dauernde Nahrung.

      In den Bürgerkriegen wurde seit den Gracchenkonflikten des späten 2. Jhs. v. Chr. und besonders seit den blutigen Gewalttätigkeiten unter Sulla (88 v. Chr.) die Furcht vor dem innenpolitischen Gegner ein bestimmendes Element der römischen Politik. Caesar, wie auch sein politischer Erbe Octavian, hatten bei ihren militärischen Aktionen in der Hauptstadt mit dieser Sorge zu rechnen. In späteren Quellen (Appian, Cassius Dio) wurde ihnen dann zugeschrieben, dass es ihnen gelungen sei, diese Angst der Menschen zu beseitigen. Wenn bei den antiken Historikern die Furcht als Teil des Lebens beschrieben wurde, dann handelte es sich nicht um die Angst vor Überfällen auf den Straßen, sondern um die Furcht als Teil des politischen Lebens und der bedrohlichen Situationen im Zusammenspiel der römischen Oberschicht mit dem Herrschaftssystem des Kaisertums.

       Abb. 2

      Securitas – Sicherheit. Münzprägung des Jahres 65 n. Chr. mit der Propagierung der Securitas Augusti, der Sicherheit des Kaisers Nero. Securitas sitzt im Habitus einer Göttin auf einem Thron. Zu ihren Füßen ein Altar mit brennender Flamme und daran gelehnt eine brennende Fackel. Berlin, Münzkabinett.

      Mit dem Begriff der Sicherheit war also keineswegs der öffentliche Raum im Sinne einer Polizeikontrolle der Verkehrswege gemeint. Securitas war die Sicherheit des nach den Bürgerkriegen von Augustus neu gefestigten Staatswesens. Der in der Zeit des Tiberius schreibende Historiker Velleius Paterculus zählt unter den Wohltaten des Augustus für den Staat ausdrücklich auf, dass er den Menschen die Sicherheit (securitas hominibus) wiedergegeben habe. War dies eine allgemeine Würdigung, so stellte die erste Münzedition der Securitas Augusti einen anderen Aspekt in den Mittelpunkt. Gefeiert wird die Sicherheit der Position und der Person des Kaisers als ersten Mannes im Staate (Princeps), und zwar mit einem stillschweigenden Bezug auf das Scheitern der Pisonischen Verschwörung vom Jahre 65 n. Chr. Diese Münze, vom Senat herausgegeben (Abb. 2), implizierte eine für die Zukunft dauerhafte Übereinstimmung der Interessen des Kaisers und jener der Senatsaristokratie. Dieses Ziel wurde zwar von den Gewaltherrschaften Neros und Domitians verfehlt, kehrte aber in den Münzprägungen der jeweiligen Nachfolger Galba und Nerva wieder. Mit einer Securitas Augusti war nach Neros Tod die Securitas populi Romani (Sicherheit des Römischen Volkes) verbunden, was einen Ausgleich des Kaisers mit der Senatsnobilität umfasste.

      Nach dem Tode Domitians (96 n. Chr.) erlebte das Reich in der Tat ein knappes Jahrhundert an Rechtssicherheit, bis zur erneuten Willkürherrschaft des Commodus (80 – 192 n. Chr.). Neben der Sicherheit wurden in der Agricolabiographie des Tacitus und in einem Brief des Jüngeren Plinius an Kaiser Traian die glücklichen Zeiten beschworen (Felicitas temporum), was unter anderem die Testamentsfreiheit umfasste. Diesen für uns exotischen Punkt versteht man nur, wenn man bedenkt, dass unter Domitian jeder unter der Drohung eines Majestätsprozesses leben musste, wenn er den Kaiser nicht in seinem Testament bedachte. Dies bedeutete in der Praxis, dass vor allem die senatorische Nobilität und reiche Bürger anderer Schichten unter einer permanenten Todesdrohung leben mussten. Nun garantierte der Kaiser Sicherheit nach außen durch die Bewahrung der Reichsgrenzen, eine von Traian noch offensiv, seit Hadrian immer mehr defensiv geführte Grenzpolitik; zudem galt der Kaiser als die integrierende Person, die aus einer gesicherten eigenen Stellung heraus (Securitas Augusti) die berechtigten Ansprüche der Bürger des Reiches auf ein stabiles Gemeinwesen (Salus publica) erfüllen konnte.

      Den Begriff der Sicherheit verband man mit dem der Maiestas, einem von maius (größer) abgeleiteten Substantiv komplexen Inhalts: Größe und Würde in religiösem und politischem Sinn. Als Crimen maiestatis (Verbrechen gegen die Maiestas) erklären die Digesten – die Gesetzessammlungen des römischen Rechts aus der Zeit Kaiser Justinians (6. Jh.) – alle Aktionen, die sich gegen das römische Volk und seine Sicherheit richteten (adversus populum Romanum vel securitatem eius). Darin waren die Tötung eines Magistrats sowie die Vorbereitung oder Ausführung eines bewaffneten Aufruhrs enthalten (Dig. 48,4,1,1).

      Wer durfte im antiken Römerreich Waffen tragen? Den allgemeinen Informationen aus den antiken Geschichtsquellen und anderen antiken Schriftquellen stehen die konkreten archäologischen Funde gegenüber, die jeweils einer genauen Analyse der Fundumstände bedürfen. Ein vereinzelter Waffenfund in einem Privathaus ist anders als ein Hortfund voller Waffen zu interpretieren.

      Sucht man deshalb nach äußeren Dokumenten, so sind die Momentaufnahmen einer hoch entwickelten Siedlungslandschaft besonders hilfreich: In Campanien verschüttete im Jahr 79 n. Chr. der Vesuv die Städte Herculaneum, Pompeji, Stabiae und zahlreiche Villen, Landsitze und Landgüter; in einer blühenden Region wurde alles Lebende durch den Aschenregen, die Lavaströme und die pyroklastischen Lawinen getötet und vieles davon auch konserviert. In Pompeji und Herculaneum fanden sich etliche Waffen, für die man die Träger zu benennen hat. Waren es Soldaten auf Urlaub? Abkommandierte Soldaten? Städtische Milizen? Oder bewaffnete Zivilisten? In jedem Falle handelte es sich um Waffen, die man an jenem Orten wieder fand, an dem sie sich im August 79 n. Chr. befanden.

       Abb. 3

      Pompeji. Mysterienvilla. Rekonstruktion der letzten Bauphase des Jahres 79 n. Chr.

       Abb. 4

      Pompeji. Mysterienvilla. Der Gladius eines Türstehers aus dem Zimmer 35 nahe dem Villeneingang. L. noch 54,2 cm. Soprintendenza Archeologica di Pompei.

      Eines der Schwerter aus Pompeji stammt aus einem Haus vor den Mauern der Stadt. Westlich außerhalb der Stadtmauer liegt eine große Villa, genannt die Mysterienvilla, weil einer der Räume mit einem eindrucksvollen Gemäldezyklus geschmückt war, der sich auf die Mysterienreligion des Gottes Dionysos/Bacchus beziehen lässt (Abb.