Liselotte Welskopf-Henrich und die Indianer. Erik Lorenz

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Название Liselotte Welskopf-Henrich und die Indianer
Автор произведения Erik Lorenz
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783938305263



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dort bei der Wahrheit, färben wir weder rosa noch schwarz, erleben und gestalten wir leidenschaftlich alle Konflikte, hoffen, kämpfen, lieben, leiden und freuen wir uns mit unseren Helden, so werden unsere Leser uns folgen.25

      In »Der moderne Mensch und die Abenteuerliteratur« begründet Welskopf-Henrich die Notwendigkeit, eine neuartige Indianerliteratur zu schaffen:

      Nicht zuletzt auf der Erfüllung dieses Anspruchs, der Bekämpfung tatsachenverfälschender Indianerromantik, beruht der Erfolg Welskopf-Henrichs als Autorin.

      * * *

      Als Welskopf-Henrich Mutter wurde, befand sie sich bereits in ihrem siebenundvierzigsten Lebensjahr. Nicht nur als Arbeitgeberin, sondern auch in ihrer Rolle als Mutter war sie großzügig und tolerant. Ihr Sohn Rudolf wäre dabei nicht auf die Idee gekommen, seine Freiheiten übermäßig auszunutzen – dazu beeindruckte ihn die von seiner Mutter ausgehende natürliche Autorität zu sehr. Außerdem begriff er schnell, dass seine Mutter eine angesehene Person war, ob nun in der Familie, im Freundeskreis oder bei Kollegen, dass ihr also eine hohe Achtung entgegengebracht wurde, und das machte ihn stolz. So hatte er nichts weniger im Sinn, als irgendwelchen Unfug anzustellen und dadurch die Aufmerksamkeit der Mutter auf sich zu ziehen.

      

      1953, Liselotte Welskopf-Henrich,

      ihr Sohn Rudolf und ihr Mann Rudolf Welskopf

      Welskopf-Henrich pflegte, intensiv auf seine Einfälle und seine Phantasie einzugehen und ihn in dieser Richtung zu fördern. Stellte sich der kleine Rudolf vor, wie es sei, ein Löwe oder ein Fuchs zu sein, dann spann Welskopf-Henrich diese Geschichten mit ihrem Sohn zusammen fort.

      Eine Anekdote, die Liselotte Welskopf-Henrich gern erzählte, war, dass der kleine Rudolf eines Tages wütend aufstampfte und sagte: »Wenn ich groß bin, dann werde ich auch Professor und fahre zur Uni und dann sitzt du allein zu Hause!«

      Eine couragierte Frau

      Meinungen zu haben, für die man nicht auch eintritt,

       erschien mir immer eine Schande.

      Schon in den frühen Jahren ihrer Kindheit wuchs in Liselotte Welskopf-Henrich der Drang, aktiv die Hilfebedürftigen zu unterstützen; dieser Drang zu helfen setzte sich ein Leben lang fort.

      Neben ihrer Tätigkeit in der Wissenschaft engagierte Welskopf-Henrich sich vor allem in der Politik. In den ersten Nachkriegsjahren beteiligte sie sich enthusiastisch am Wiederaufbau. Das bedeutete jedoch nicht, dass sie unkritisch gewesen wäre. Wie die DDR-Regierung ihre Arbeit als Wissenschaftlerin in gleichem Maße unterstützte und behinderte, unterstützte und behinderte Welskopf-Henrich das System der DDR.

      Sie setzte sich für einen angemessenen, offenen und ehrlichen Umgang mit der deutschen Vergangenheit ein, zu dem sie persönlich beitrug. Zugleich lehnte sie sich gegen inkompetente Wirtschaftsfunktionäre der DDR auf und kämpfte gegen Nepotismus und Bürokratie.

      Während des Zweiten Weltkrieges wurde sie, beeinflusst durch ihren späteren Mann Rudolf Welskopf, eine überzeugte Kommunistin, galt der Kommunismus doch als der schärfste Gegensatz zur NS-Ideologie. Als antifaschistische Widerstandskämpferin erschien er ihr als die attraktivste Alternative zur Hitlerdiktatur mit ihren katastrophalen Auswirkungen. 1945 und in den ersten Nachkriegsjahren verband sie mit dieser Alternative große Hoffnungen, war jedoch von der praktischen Umsetzung der kommunistischen Idee in der DDR zunehmend enttäuscht. Dabei glaubte sie lange, dass die Defizite in der DDR vor allem darin begründet seien, dass die Menschen nicht richtig gemeinschaftlich zusammenleben wollten. Sie suchte die Ursachen also vor allem im Subjektiven und war der Meinung, dass in materieller Hinsicht im Wesentlichen alles in Ordnung war; die Menschen besaßen Kleidung, hatten Arbeit und lebten in warmen Wohnungen.

      Im Laufe der fünfziger Jahre, vor allem 1956, als sich der ungarische Volksaufstand ereignete, mit dem die Ungarn sich von der sowjetischen Unterdrückung zu befreien suchten, wurden Welskopf-Henrich die ernsthaften Schwierigkeiten des Systems immer bewusster.

      Welskopf-Henrich half ungarischen Schriftstellern und Künstlern, die nach der blutigen Niederschlagung des Aufstandes durch die Rote Armee verfolgt wurden. Gleiches tat sie in der Zeit nach dem Prager Frühling 1968. Welskopf-Henrich engagierte sich illegal, indem sie Geld und andere Unterstützung für ungarische und tschechische Kollegen und Freunde sammelte und verschiedenste Dinge in die DDR hinein- und aus der DDR herausschmuggelte.

      Trotz aller Probleme betrachtete sie den Kommunismus lange Zeit als das System des kleineren Übels. Und bei all ihrer Kritik an der Umsetzung der kommunistischen Idee, auch innerhalb der SED, deren Mitglied sie war, lernte Welskopf-Henrich, mit den Problemen umzugehen und die Freiräume, die es gab, auszunutzen, ohne ständig auf der Hut davor zu sein, eventuell etwas Unerwünschtes oder Verbotenes zu tun. Sie verstand es, sich durchzusetzen.

      Die DDR bot Welskopf-Henrich große Chancen; so konnte sie ihren lange gehegten Wunsch realisieren und wurde Dozentin (später Professorin) an der Humboldt-Universität.

      Um ihre Ziele zu erreichen, scheute sie sich nicht, ihre gesellschaftliche Stellung wieder und wieder geltend zu machen: Humboldt-Professorin, Akademiemitglied, verschiedene Orden, Widerstandskämpferin usw. Das machte Eindruck und bedeutete gesellschaftlichen und politischen Einfluss. Besonders beim Zentralkomitee der SED hatte sie dadurch, dass sie unter Einsatz ihres Lebens den Antifaschisten Rudolf Welskopf rettete, einen großen Stein im Brett. Das wurde ihr nie vergessen und dessen war sie sich sehr wohl bewusst. Aus dem Vertrauen, das man ihr entgegenbrachte, konnte sie so manchen Vorteil ziehen.

      Überhaupt hatte Welskopf-Henrich eine bestimmte Art und Weise, an verschlossene Türen zu klopfen; nicht nur im übertragenen, sondern auch im wörtlichen Sinne. An der Humboldt-Universität