Название | Darky Green |
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Автор произведения | Adrian Plass |
Жанр | Зарубежные детективы |
Серия | |
Издательство | Зарубежные детективы |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783865067623 |
Darky applaudierte und johlte mit den anderen. Es war wirklich witzig, jedes der vertrauten Gesichter plötzlich dort auf dem Bildschirm zu sehen, wie sie bis über beide Ohren grinsten und aussahen wie Deppen. Schon bei dem Anblick musste man lachen. Gleich würde er dran sein. Soweit er sich erinnerte, kam er nach Gobby Simpson und vor John Firmin. Ungefähr auf halber Strecke. Auf ein bisschen mehr als halber Strecke. Na ja, jedenfalls bald. Irgendwie war es unglaublich aufregend. Sich selbst auf so einem Bildschirm zu sehen. Wie ein Fernsehstar. Wie eine berühmte Persönlichkeit. Während er in der Dunkelheit zuschaute, spielte er auf dem Schoß mit einem Gummiband herum, das er unentwegt zwischen seinen Fingern in den überlangen Ärmeln seines Pullovers dehnte und verdrehte.
Jetzt kam Gobby. Er latschte ins Bild, blöde grinsend, mit Haaren, die abstanden wie Stacheln, und seinen riesigen Händen und Füßen und seinen zu kurzen Hosen. Dann blieb er stehen, schaute in die Kamera, steckte einen Arm parallel zum Boden hinter den Rücken und den anderen vor den Bauch und machte dann eine tiefe Verbeugung aus der Hüfte. Volltrottel!
Jemand stimmte einen Singsang an: »Gobby, Gobby, Gobby!«
»Oi! Oi! Oi!«, brüllten die anderen im Raum.
Darky brüllte mit ihnen. Dem alten Gob schien es nichts auszumachen. Der war in Ordnung. Für einen ordentlichen Lacher tat der alles. Schaut ihn euch an. Gobby stand jetzt von seinem Stuhl auf und verneigte sich in alle Richtungen, wie er es auf dem Bildschirm getan hatte.
»Hinsetzen, du Depp!«, schrien alle.
Gobby entblößte seine Zahnlücken zu einem irren Grinsen und setzte sich wieder.
Geoff ermahnte alle gutmütig, etwas leiser zu sein.
»Jetzt ich«, flüsterte Darky vor sich hin.
Er holte tief Luft. Eigentlich hatte er sofort wieder ausatmen wollen, doch stattdessen hielt er die Luft an. Warte mal. Einen Moment. Das war nicht er auf dem Bildschirm. Das war nicht er. Da war etwas schiefgegangen. Geoff hatte etwas falsch gemacht. Ein Fehler in dem Film. Ein Zwerg war ins Bild getreten. Ein komischer kleiner, dünner Zwerg, der blöde vor sich hin marschierte, ohne mit den Armen zu schwingen. Warum schwang er nicht mit seinen Armen? Sie hingen gerade an seinen Seiten herab und an den Enden baumelten die Hände neben seinen Hosen wie unnütze Fleischklumpen. Irgendjemand musste vergessen haben, die obere Hälfte des Zwergenkörpers darüber zu informieren, dass die untere Hälfte einen Spaziergang machte. Darky flehte das Bild auf der Mattscheibe stumm an, doch endlich mit den Armen zu schwingen. Doch es tat nichts dergleichen. Alle anderen lachten. Aber das Lachen hörte sich anders an als bei Gobby und den anderen davor. Da hatten sie gelacht, wie man lacht, weil es von einem erwartet wird. Das hier war nicht so. Das war ein echtes, tiefes Gelächter mit Tränen in den Augen, eines, das man beim besten Willen nicht unterdrücken könnte. Sie schütteten sich alle aus vor Lachen über diesen ernst dreinblickenden Zwerg mit dem komischen Gang, der sein Gesicht zur Kamera wandte und es zu einer schiefen, schlecht gezeichneten Karikatur eines Lächelns verzerrte, als er daran vorbeikam.
Von hinten gefilmt, rief der Anblick von Darkys eigentümlicher, mechanisch stapfender Fortbewegungsweise eine neuerliche Welle der Heiterkeit hervor. Darky zwang sich, mit den anderen vor Lachen zu brüllen, aber er musste jeden Ton mit eisernem Zwang aus sich herauspressen. Ihm war, als hätte man sein Herz in einen Eimer eiskaltes Wasser gesteckt. Das war er da oben. Irgendwo hatte er das natürlich von Anfang an gewusst. Das war wirklich er. Das waren seine Arme und seine Beine. Er war der Zwerg mit dem komischen Gang, über den sich alle vor Lachen in die Hose machten. Aber wie konnte das sein, dass er das war? Wie konnte es sein, dass er nicht mehr war als das? Inzwischen war der nächste Junge auf dem Bildschirm aufgetaucht, aber Darky nahm ihn nicht einmal wahr. Eine Flut der Furcht und des Elends war in ihm aufgestiegen. Hastig schichtete er Barrieren gegen diese Flut der Gefühle auf. Weinen war Selbstmord, das wusste er. Das Gummiband riss plötzlich und schnellte gegen sein Handgelenk. Tief unten irgendwo im Innern von Darky Green schrie das vernachlässigte Baby und rüttelte und wütete nach seiner Mami, damit sie endlich zurückkäme und machte, dass alles wieder gut war. Doch seine Schreie verhallten so ungehört wie immer. Der fünfzehnjährige Darky jedenfalls hörte sie nicht. Er war zu sehr mit dem Entschluss beschäftigt zu lernen, wie man beim Gehen mit den Armen schwingt.
Der Rest des Abends nach der Vorführung des Films war grauenhaft. Einer der schlimmsten. Wo immer Darky im Heim auch hinkam, überall führte irgendein Komiker den »Darky-Green-Gang« vor und marschierte mit einem lächerlich übertrieben schwachsinnigen Gesichtsausdruck wie ein Springstock durch die Korridore oder um den Billardtisch herum. Gegen irgendeinen von ihnen zu kämpfen, hatte keinen Sinn. Er hatte noch nie in seinem Leben einen Kampf gewonnen. Es gab nur eine Möglichkeit, mit solchen Dingen fertigzuwerden. Darky hatte später gelernt als die meisten, aber am Ende hatte jedenfalls auch er das Wesentliche begriffen. Das musste man, wenn man in der Fürsorge aufwuchs. Man tat mehr oder weniger gar nichts. Das war das Geheimnis. Nur ein bisschen lächeln, um zu zeigen, dass man merkt, dass sie einen verarschen. Wenn man gar nicht reagierte, verarschten sie einen noch mehr. Wenn man aber wütend wurde, dann würden sie einen bis in alle Ewigkeit verarschen. Machte man es aber genau richtig, so würden sie es vielleicht in ein oder zwei Tagen wieder vergessen haben.
Das Armschwingen probierte er heimlich aus. Er musste ganz allmählich damit anfangen, damit die anderen Jungen nicht merkten, dass sich etwas verändert hatte. Wo konnte er das tun? Nun, es gab ja »Martin’s«, den kleinen Gemischtwarenladen. Vom Heim aus gab es eine Abkürzung dorthin, indem man durch zwei schmale Gässchen ging, dann hinten an einigen Garagen vorbei, hinaus auf die Hauptstraße und dort entlang bis zum Ende einer kleinen Reihe alter Häuser. Der Mann, der den Laden führte, schrieb an, weil er noch nicht sehr lange da war und die Einheimischen nicht verärgern wollte. Lange würde er das natürlich nicht tun. Darky holte sich dort manchmal Tabak und Süßigkeiten. Wenn er allein unterwegs zu dem Laden war, hatte er eine gute Gelegenheit zum Üben.
Anfangs fand er es sehr schwierig. Fast unmöglich. Welcher Arm bewegte sich mit welchem Bein? Der auf derselben Seite? Oder der andere? Aber das war noch lange nicht alles. Eine Weile lang schaffte er es nicht einmal im Kopf. Schon der Gedanke, seine Arme zu bewegen, während er ging, war so, als ob er sich bewusst vornähme, einen sehr wertvollen Gegenstand fallen zu lassen, von dem er wusste, dass er in tausend Stücke zerspringen würde, sobald er ihn losließ. Als er dann mit höchster Konzentration anfing, seine Arme zu zwingen, sich vor und zurück zu bewegen, während er durch die Gässchen im Schatten der Bäume marschierte, kam es ihm vor, als ob er eine Art wilden Tanz vollführte, bei dem jede Hand herumgeschleudert wurde wie eine riesengroße Rübe, die an einem Seil befestigt war. Wie ein Clown oder so etwas. Auf diese Weise sah er doch bestimmt nur noch blöder aus, oder?
Er hätte leicht nach dem ersten Versuch aufgeben können, wäre da nicht in seinem Kopf dieses Bild gewesen von dem komischen kleinen Zwerg mit den Armen, die nicht funktionierten, und der Lärm von all dem Gelächter in jenem dunklen Raum. Immer wieder gingen ihm diese Dinge durch den Kopf und trieben ihn an, weiterzumachen. Und schließlich, nach einigen Wochen harter Arbeit, fing es an, sich ganz natürlich anzufühlen. Darky fand heraus, dass man nicht unbedingt im Nazi-Stechschritt marschieren musste, um es richtig hinzukriegen. Die Arme brauchten sich nur ein kleines Stück zu bewegen, damit es natürlich aussah. Dennoch schob er sie beim Gehen gerne ein bisschen weiter vor und zurück, als nötig gewesen wäre. Dieser erstaunliche Übergang von nicht schwingenden zu schwingenden Armen war die bei weitem größte Langzeiterrungenschaft seines Lebens. Er wusste genau, dass er niemals einer anderen Menschenseele davon erzählen würde, aber er hatte das ganz allein geschafft. Er war stolz darauf, wie sehr er sich angestrengt hatte, und er sah keinen Grund, warum der Rest der Welt den Erfolg nicht sehen sollte.
Das war einer der Gründe, warum Darky an schönen Tagen nicht mit dem Taxi in die Stadt fuhr. Andere Leute mochten ihre Hochschulabschlüsse oder ihre Fußballtrophäen