Название | Das Mitternachtsschiff |
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Автор произведения | Wilfried Schneider |
Жанр | Исторические любовные романы |
Серия | |
Издательство | Исторические любовные романы |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783957440839 |
»Sieh doch zu den Schiffen, wie schräg die Menfe im Wasser liegt!«
»Ist sie eher in Gefahr, weil sie kleiner ist?«, fragte der Priester.
»Nein. Der Ballast ist noch nicht ausgewogen verteilt. Ich werde dir berichten, welches der Schiffe sich am besten verhielt. Nicht immer ist die Größe entscheidend. Das Meer wird uns die Antwort geben.«
Der Priester nickte. »Nach deiner Rückkehr besprechen wir meinen Plan, Schiffe durch die Säulen des Melkart zu schicken. Warte an der Westküste nicht auf Ped-Osiris. Der Verblendete wird den Tod finden, auf einem Weg, der für Kemet sinnlos ist. Sein Marsch vom Hapi in Seths Land war gut für uns. Er fand mit seinen dreihundert Eseln die alten Wasserdepots im Feuermeer und Chufus Namen im Fels. Einst, in alter Zeit, als man die Jahre noch nach den Zählungen der Rinderherden berechnete, brachen die Ahnen auf, um aus Libyens Innerem den Farbstoff für die Tempel zu holen. Das war noch, ehe die Boten mit Krummstäben unter trockener Erde das rettende Wasser suchten und die dortigen Völker in der Hitze regenloser Jahre vor der beginnenden Herrschaft des Sanddrachens zum göttlichen Hapi flohen. In unseren Jahren blieben dort grüne Inseln, Unterschlupf für Schmuggler und Verbrecher, die schlimmere Piraten sind als Pheneschs. Diese Berichte des Wanderers waren nützlich, doch sein kommendes Ende stiehlt dir Zeit.«
Sie gingen über die Werft, deren Zimmerleute schon vor Tagen die Werkzeuge geordnet hatten. Neben den Gerüsten lagen noch Reste der Beplankung. Männer trugen Pinnen für die Ersatzruder zu den Booten und legten sie neben die Tafeln mit den Schiffsnamen. Einem der Arbeiter fielen Holznägel zu Boden, fluchend scharrte er sie aus dem feuchten Sand. Necho hatte gefordert, die Bauteile an Land zu fertigen und auf dem Wasser zusammenzufügen. Neferheres hatte, so sagte es Kerifer-Neith noch in Menfe, dem Göttergleichen alte Berichte vorgelesen, in denen einst die Kemeten bei ihren Flussfahrten in den Süden die Großboote an den Katarakten zerlegt und über das Land getragen hatten. Abdi-ashirta hatte geschwiegen, so wurden die Schiffe auch in Sidonien gebaut.
»Wer gab den Schiffen ihre Namen?«, fragte er plötzlich. Bisher war das für ihn nicht wichtig gewesen, doch die Tafeln hatten ihn auf diesen Gedanken gebracht.
»Der Göttergleiche, Neferheres und ich. Necho schickt seine alte Stadt in die Welt, Neferheres gab ihr geliebtes Kemet als Namen für dein Schiff, und ich hatte das große Ziel vor Augen, als ich Libyen vorschlug.« Der Priester verfolgte die Bewegungen der Schiffe, auf der Menfe richteten Männer zur Probe das Segel gegen den Wind. Kerifer-Neith dachte an Abdiashirtas Erklärungen. »Manchmal sind die Schiffe schnell wie die Pferde, manchmal könnte Amasis, der dicke Wirt sie überholen, der von der Schankstube zum Weinlager mehr als das Zehntel einer Stunde braucht. Strömung und Wind sind die Gesellen der Seeleute, sind treue Kameraden und üble Burschen zugleich.«
Lastträger baten, den Weg frei zu halten. Sie brachten getrocknetes Fleischpulver zur Kemet. Die Säcke rutschten ihnen auf den Schultern hin und her, bis sie endlich neben den Wasserfässern in den Transportbooten verstaut waren und die Gefährte zum Admiralsschiff aufbrachen. Kerifer-Neith richtete seinen gefleckten Umhang. Mich interessieren nicht die Pinnen und Rahen und Brassen, dachte er, nicht das Gewirr von Tauen. Mein Geist gebiert eine große Aufgabe, du aber, Admiral, du wirst ihren Alltag formen. Mögen dich die Götter beschützen auf deiner Reise. Sie ist der Sprung in eine neue Zeit, in der Kemet die Welt beherrscht, unsere neue Welt, die wir entdecken. Der kranke Träumer in seinem Palast ging mit seinem Befehl den ersten Schritt in dieses neue Haus.
Sie verließen die Werft und liefen zu den Siedlungshäusern zurück. Zwei Neugierige mit erst kürzlich geschorenen Stirnlocken folgten ihnen in zu kurzem Abstand. Uliliya stieß ihre Köpfe zusammen und warf die Jammernden beiseite. Der Priester wandte sich um, im leicht wechselnden Wind hatten die Schiffe sich gedreht, als wären sie lebendige Wesen, die ihren Herren nachblickten.
In diesem Augenblick, da nun der Abschied begann, stiegen noch einmal die Zweifel früherer Tage auf. Niemand in den Tempeln glaubte an das Gelingen des Staatsunternehmens. Kerifer-Neith sah auf den Admiral, der von Neferheres sprach, die dieser Stunde fernblieb. Der Priester brauchte diesen Mann, der ihm vertraut geworden war wie ein Freund. Er brauchte ihn vor allem in der Zeit nach dieser Umsegelung einer unbekannten Welt.
Schwer lag der Himmel über dem Land, dessen Mitternachtshorizont dunkle Wolken entstiegen und über die Küste nach Süden jagten. Die Häuser duckten sich unter plötzlichen Regenfällen. Ihren Bewohnern troff die Nässe aus den Umhängen. Gegen Mittag erstarb die Unruhe zwischen Behausungen und Marktständen. Von Soldaten geschützt, ging der Admiral zum Ufer. Die Krämpfe in seinem Leib waren wiedergekommen.
»Der Bastard ist krank! Und der will eine Flotte führen! Bereitet dem Phenesch das Totenbett! Ihr auf den Schiffen! Das Totenbett!« Die Schmähungen flogen zur Kemet. Erschrockene Gesichter blickten zum Ufer. Die Offiziere unterbanden die erregten Gespräche der Mannschaft.
Das Geschrei wurde noch lauter, als eine Frau ins Wasser stieg. »Djedkare! Djedkare! Djedkare!« Das braunhäutige Weib riss sich das Haar. »Bringt ihn mir wieder! Was schert einem Bauern das Meer! Soll er den Emmer ins Wasser säen? Bauern als Seeleute! Das hat der Hapi noch nicht gesehen! Ach, mein Djedkare, wer soll deine Arbeit machen? Der Pflug muss doch ausgebessert werden.« Grobe Soldatenhände erstickten die Worte.
»Sie werden von schlagenden Wassern zerbrochen!« klagte die dünne Stimme eines Alten, »verbrennen unter lohenden Himmeln. Aus den Winden stürzen Drachen, die alles verschlingen.« Fernstehenden wurden die Worte von anderen Mündern weitergegeben. »Den hat doch Abdju ausgespuckt. Halt dein Maul, du Sandschiffer! Rupft ihm den Bart, dem Weiberschreck!«
Die Wolken lockerten auf, für Augenblicke lagen die Schiffe im Licht.
»Seht! Seht! Re ist mit ihnen!« Der Ruf wurde zum Gebrüll der Menge. Der Schreiber des Siedlungsverwalters hatte Libyens Umrisse in den Sand gezogen. Rücksichtslose Füße löschten sie aus.
„Passt doch auf, ihr Schakale. Zertrampelt Kemet!«, rief er.
»Kemet ist das?«, empörten sich die Umstehenden. »So klein? Das passt ja zu Libyen wie ein Haar zur Glatze des Priesters. Die Zeichnung ist ein Fladen! Dem haben sidonische Hunde die Kenntnisse ins Ohr gepisst! He, warum machst du Kemet so klein?«
»Wie lange fahren sie um den Fladen? Was, das weißt du nicht? Und was ist auf der anderen Seite?«
»Die Geketteten laufen so langsam, dass ihnen die Vögel auf die Köpfe scheißen.«
»Gott Re hat die Expedition gesegnet. Habt ihr seinen Gruß gesehen?«
»Ja. Er leuchtete auf die Krummnasen!«
Hoch über den Lärmenden stieg ein Falke in den Wind, glitt nach Süden und vereinte sich über dem Meer mit dem Himmel.
»Der Königsvogel! Ein Zeichen! Horus ist mit euch! Er fliegt voran!« Hunderte Arme hoben sich als Gruß an die Schiffe.
»Pharao! Der Erhabene kommt!«
Soldaten bahnten eine Gasse, die Menschen warfen sich zu Boden. In der Sänfte saß Ptah-hotep, blickte durch einen schmalen Spalt und verzog verächtlich den Mund, als er den Admiral erkannte, der sich tief vor ihm verneigte. Er nahm das Leinen beiseite, deutete seinen Segen an und sprach altkemetische Worte, die der Sidoner nicht verstand und als Gruß des Pharao aufnahm.
Das Volk umlagerte die Marktstände. Eilige Finger schoben das Kupfer über die Planken und griffen nach Fladen und Bier. Die Ruderer dösten in den Bänken. Weinende Bauern klammerten sich an die Wandung, die vergangenen Jahre beherrschten ihre Seelen.
»Sat-apis, meine Frau! Ich komme wieder. Sage das den Söhnen von Bes, ihrem Vater.«