Die Fahrt ins Nichts. Reinhold Eichacker

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Название Die Fahrt ins Nichts
Автор произведения Reinhold Eichacker
Жанр Научная фантастика
Серия
Издательство Научная фантастика
Год выпуска 0
isbn 9783945574614



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mir seltsame Erscheinungen. Ein chinesisches Schiff auf der Fahrt von San Franzisko nach Peking berichtet, dass das Meer dort eine beulenartige Aufwölbung zeigt, von der das Wasser nach allen Seiten abströmt. Das Schiff wurde durch diese Erscheinung in seiner Fahrt aufgehalten.«

      »Wann ist das geschehen?«

      »Schon vor einem Monat.«

      »Was meldet man jetzt?«

      »Die sonderbare Erscheinung verstärkte sich täglich. Die Meereskuppel hob sich immer mehr. Eine ständige Wasserhose, ein Geysir entstand. Kegelförmig schleudert er eine Glocke von Wasserstaub hoch in die Luft. Zweitausend Meter hoch.«

      Der Yogi schwieg eine Weile. Regungslos. Seine Augen waren geschlossen. Dann kehrte das Leben in ihn zurück.

      »Sprich weiter!«

      »Der Pilot des Fluges von Yokohama nach San Franzisko bemerkte vor einem Monat zum ersten Mal, und später in immer größerem Ausmaß eine Missweisung der Kompassnadel. Die Temperatur und die barometrischen Verhältnisse haben sich durch diese stehende Wassersäule verändert.«

      Der Greis hatte wieder die Augen geschlossen. »Es liegt ein antizyklonaler Wirbelherd über der Stelle -«

      »So ist es.«

      »- in tieferen Wasserschichten haben sich mailstromartige Zyklone gebildet?«

      »Du weißt es! Nach den Messungen der Asien-Amerika-Linie macht sich die Wirbelströmung schon in fünfzig Kilometer Entfernung vom Zentrum bemerkbar. Bei einem Radius von zwanzig Kilometern ist sie so heftig, dass ein Schiff nur mit Mühe den Kurs hält. Es ist ganz unmöglich, näher als bis auf zehn Kilometer ans Zentrum heranzukommen. An der Meeresoberfläche, wo das im Mittelpunkt empordringende Wasser eine Kuppe aufwölbt und allseitig abfließt, ist die Strömung, wie du sagst, antizyklonal. In geringer Tiefe aber wurde schon die Umkehrung gelotet, und bei größeren Tiefen eine ungeheuere, zentripetale Saugwirbelströmung gefunden.«

      Ohne eine Antwort zu geben, schritt der Yogi zur Mitte des Platzes und trat vor das Becken.

      Mit einer Handbewegung rief er die Inderin an seine Seite.

      Dreimal strich er mit der Hand über das Wasser der Schale. Dann nahm er ein grünliches Fläschchen, das an einer Schnur um seinen Hals befestigt war und ließ einen einzigen Tropfen des Inhalts hinabfallen.

      Sofort brauste das Wasser wild auf. Große Ringe bildeten sich um das Zentrum und warfen sich gegen die Ränder der Schale.

      Mit einem einzigen Heben der schmalen Hand zwang er die Oberfläche des Wassers zum Stillstand. Ein leichtes Kräuseln lief an der Wandung entlang, dann zog sich die Flüssigkeit sichtbar zusammen, als spanne rnan auf einer Trommel das Fell an.

      Glatt und fest wie ein Quecksilberspiegel lag die Oberfläche des Wassers. Der Greis saß mit untergeschlagenen Beinen neben dem Becken. Sein Kopf war nach vorne gesunken, kein Haar bewegte sich an seiner Schläfe. Die hellgelbe Haut des Gesichtes schien seltsam durchleuchtet.

      Unverwandt starrte die Inderin auf das Becken hinab. Da lief eine leichte Trübung über den Spiegel. Wie eine ziehende Wolke, dann wieder und wieder.

      Brodelndes Wasser brauste vom Grund der Schale auf, stieg in die Höhe und drehte sich abwärts, um eine glühende, schäumende Mitte, wie zwei riesige Schrauben, tiefer und tiefer, in wahnsinnigem Wirbel immer enger und enger.

      Grünes, fluoreszierendes Licht wuchs auf und wurde schnell heller und heller, beißend und blendend, stieg mit der wirbelnden Schraube zur Tiefe, wechselte durch alle Skalen der Farbe, und - war jäh erloschen. Ein mächtiger, nachtschwarzer Block lag unter dem Spiegel des goldenen Beckens. Kleine Bläschen perlten nach oben und bildeten zierliche, glitzernde Ketten.

      Dann war es, als sänke der Spiegel nach unten. Der leuchtende Boden der Schale wuchs aufwärts, als flöge er aus weiter Ferne zur Nähe. Ein leichtes Zittern lief durch des Yogis Gestalt. Er öffnete seine großen Augen, als würde er aus einer anderen Welt zurückkehren. Es vergingen Minuten, bis er langsam sprach.

      »Man meldete mir die Wahrheit, meine Tochter. Es ist der Meteor, den du suchst.«

      Die Inderin war aufgesprungen. Ihre bronzenen Züge leuchteten vor Erregung. Der Greis kam ihrer Frage zuvor. »Aber er ist unerreichbar für dich!«

      »So soll der Fremde besitzen, was ich - ?!« brauste sie auf. Der Yogi schüttelte tadelnd den Kopf. Sie jedoch konnte ihre Enttäuschung nicht verbergen.

      »Ein Fremder drang in mein Reich und maßte sich an!«

      »Auch Walter Werndt wird sein Ziel nicht erreichen, wenn Brahma nicht will!« beruhigte sie der Greis.

      Überrascht sah sie auf. »Du weißt?« Er strich die Frage beiseite wie eine Torheit.

      »Verzeih mir! Hilf mir den Fremden besiegen!«

      Der Greis verschränkte die Arme über der Brust. »Fürchte nichts. Der Fremde ist ein Europäer. Er kennt nicht den ewigen Weg.«

      Eine unsagbare Verachtung, ein spöttisches Mitleid sprach aus seiner Stimme. »Die sieben Globen des Erleuchteten sind ihm noch fremd. Mit Hebeln und Zahlen klopft er ans Rätsel der Welt. Mit den Armen Prakritis greift er zu Buddhi und Atma hinauf, und tastet - ins Nichts. Er ist ein Sohn der Physik!«

      Die Inderin blickte verstört vor sich hin. »Und wenn es ihm doch gelingt, Vater?«

      Die Augen des Yogi durchblitzte es jäh. »Malabar Hill!« gab er drohend zurück. »So warten die Geier der Parsen auf ihn.«

      5

      Don Ebro stand in würdevoller Unbeweglichkeit an der Türe, den Fuß leicht vorgeschoben, als wolle er tanzen. »Sennor Werndt bittet, in einer Viertelstunde ins Laboratorium hinüberzukommen. Es ist alles bereit.«

      »Es ist gut«, nickte Nagel.

      Seine junge Frau sah dem Diener gedankenvoll nach. Ihre Blicke glitten unruhig über das Zimmer und blieben immer wieder am Gesicht des Gatten haften.

      Die Augen des Doktors strahlten. Er reckte die Arme. »Nun sind wir endlich soweit! Das erste Experiment soll beginnen. Der Augenblick ist also wirklich da. Seit Monaten warten wir auf diesen Moment -«

      »- und fürchten ihn!« Er drehte sich überrascht um und bemerkte erst jetzt die Unruhe Mabels.

      »Fürchten? Du? Ja, warum?«

      Sie lächelte verlegen. »Du fragst noch warum? Ihr werdet ein neues Element erforschen, einen Stoff, der ungeahnte Gefahren in sich bergen kann. Unerwartete Explosionen, Kontaktgifte, Ausdampfen tödlicher Gase, unsichtbare, zerstörerische Strahlungen. Gefahr lauert in diesem unseligen Meteor auf euch in tausend möglichen Formen!«

      Er strich ihr über das wellige Haar. »Närrchen! Welche Phantasien bei der Tochter eines Wissenschaftlers! Hunderte Male warst du bei solchen Versuchen dabei, hast selbst in Laboratorien mitgeholfen.«

      »Aber da hatte ich dich noch nicht!«

      »Und als du furchtlos mit uns zusammen den Absturz des Meteors im ,Falken’ beobachtet hast?«

      »Da war ich an deiner Seite. Da hatte ich keine Angst!« verteidigte sie sich.

      »Du brauchst dich auch jetzt nicht zu sorgen. Weshalb? Ich bin überzeugt, dass dieser Block so ungefährlich und still bleiben wird, wie nur irgendein Stein. Das Gefasel der Zeitungen hat dich nervös gemacht. Man redet soviel von Gefahren und Tücken, dass wir uns am Schluss noch blamieren, wenn gar nichts passiert!«

      Mit gespielter Entrüstung entgegnete sie: »Du bist ein recht tüchtiger Schauspieler, Werner!«

      Er machte ein ernstes Gesicht. »Aber wieso denn? Wenn wirklich was dran wäre, müsste sich doch längst irgend etwas davon gezeigt haben. Der Meteor ist glühend heiß vom Himmel gefallen und mit gewaltigem Stoß auf die Erde geschlagen und ist nicht explodiert. Menschen haben Bruchstücke des Meteors aufgehoben und auf