Ein Lied in meinem Hause. Seidenbecher Erika

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Название Ein Lied in meinem Hause
Автор произведения Seidenbecher Erika
Жанр Историческая литература
Серия
Издательство Историческая литература
Год выпуска 0
isbn 9783943583793



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Ich habe in Italien eine Musik kennen gelernt, die die Herzen ergreift. Es ist eine so klangvolle göttliche Musik, dass ich ganz davon ergriffen wurde.“

      „Solch eine Musik auch in Deutschland erklingen zu lassen, das ist mein Anliegen. Meine Reise gilt vor allem der Talentsuche. Ich brauche Musiker, die ich nach einem Studium in meiner Hofschule „Mauritianum“ in Kassel nach Italien zu Giovanni Gabrieli schicken kann, um sie dort zu exzellenten Musikern ausbilden zu lassen. Meine Hofschule soll eine Vorschule für die Musiker der Hofkapelle werden.“

      „Ihre Hofschule …! Erzählen sie mir davon!“

      „Im Mauritianum werden adlige Schüler in verschiedenen Sprachen, Naturwissenschaften und Gesang ausgebildet. Mir ist es aber auch wichtig, talentierte nichtadlige Schüler zu finden. Voraussetzung ist, dass sie aus gutem Hause kommen, wohlerzogen sind und über eine gute sprachliche, naturwissenschaftliche und musikalische Grundausbildung verfügen.“

      „Da kommt mir ein Gedanke! Ich habe kürzlich in Weißenfels logiert. Dort wurde vom kürzlich verstorbenen Organist Georg Weber und dem Bürgermeister Heinrich Colander ein Collegium musicum gegründet, dass von sich Reden macht und – das ist bemerkenswert –, auch über gute Nachwuchstalente verfügt. Sie sollten sich diese Konzerte mal anhören. Vielleicht finden Sie in Weißenfels ein Talent, dass ihren Anforderungen entspricht!“

      „Das ist wirklich eine gute Idee. Ich danke Ihnen für Ihren Hinweis! Auf der Rückreise nach Kassel werde ich in Weißenfels vorbeischauen.“

      Als Moritz von Hessen in Weißenfels erschien, herrschte auf dem Marktplatz ein großes Gedränge. Viele Neugierige waren erschienen, um den fürstlichen Reitertrupp zu bestaunen. An der Spitze des Zuges ritt der Vorreiter mit einer Standarte und wies die Richtung an. Dann folgten bewaffnete Reiter.

      Hinter der Reiterwehr ritt ein fürstlich gekleideter Herr in den zwanziger Jahren.

      „Das ist der Landgraf Moritz von Hessen!“, riefen sich die Weißenfelser zu.

      „Seht, die den Landgraf begleitenden Reiter haben Musikinstrumente bei sich!“, rief ein älterer Bürger.

      „Er kommt wohl, um das Collegium musicum zu verstärken!“, meinte ein kleiner Junge.

      Tatsächlich ritt der Trupp zum „Goldenen Ring“, in dessen Gasträumen heute, am Sonnabend, das Collegium musicum proben würde.

      Heinrich und seine Brüder Christof und Georg waren dem Zuge gefolgt und sahen, wie der Landgraf mit seinem Gefolge vor dem „Goldenen Ring“ von den Pferden stieg.

      Vater Christof und Mutter Euphrosine standen festlich gekleidet am Tor und begrüßten den hohen Gast.

      „Fürstliche Durchlaucht, es ist uns eine Ehre, dass Sie in unserem Gasthaus logieren wollen.“

      Vater Schütz verneigte sich.

      „Es ist nur für eine Nacht. Ich reise morgen in der Frühe wieder ab. Jetzt aber bereiten Sie mir ein gutes ländliches Mahl und sorgen Sie auch für ein gutes Bier!“

      „Fürstliche Durchlaucht, halten zu Gnaden, aber ich muss Ihnen sagen, dass nach dem Nachtmahl das Collegium musicum hier im Gastzimmer zusammenkommt, denn jeden Sonnabend ist hier in der Gaststätte Probe.“

      „Deshalb bin ich gekommen. Der Ruf des Collegiums musicums ist so groß, dass ich eigens deshalb kam, um mich von dem Können der Musiker zu überzeugen.“

      Als der Landgraf zunächst seine Schlafstätte aufsuchte, rief Christof Heinrich zu:

      „Lauf zum Bürgermeister Heinrich Colander. Er soll die Ratsherren und die Musiker davon verständigen, welch hohen Gast wir heute haben werden.“

      Christof Schütz ist froh. Es läuft alles so, dass er zufrieden sein kann. Die Köchinnen haben ein gutes Mahl bereitet und die Gäste scheinen zufrieden zu sein. Nach und nach treffen der Bürgermeister, die Ratsmitglieder und die Musiker ein, und als das Nachtmahl beendet ist, stellt sich der Knabenchor auf, und die Musiker nehmen ihre Plätze ein.

      Bürgermeister Colander aber lässt es sich nicht nehmen, den hohen Gast feierlich zu begrüßen.

      „Fürstliche Gnaden, wir die Bürger von Weißenfels und die Musiker des Collegiums musicum begrüßen Sie auf das Herzlichste, und wir wollen Ihnen heute vier-, sechs- und achtstimmige Chöre vorstellen. Wir singen die Werke der Meister Dulichius, Leisring, Vintzius und Ihres Kasseler Hofkapellmeisters Georg Otto, aber auch Werke unseres verstorbenen Kantors Georg Weber.“

      Der Chor hat sich inzwischen aufgestellt und die Musiker nehmen ihre Plätze ein.

      In der ersten Reihe der Chorknaben stehen Heinrich, Christof und Georg.

      Heinrich Colander geht zum Spinett und gibt den Einsatz. Es ist der 23. Psalm von Georg Weber, der zuerst gesungen wird. Dem Organist kommt es darauf an, dass der Landgraf die anmutige Stimme Heinrichs kennenlernt, denn in dieser Motette singt der Dreizehnjährige die Solopartie.

      Heinrichs heller Sopran erfüllt den Raum. Der blonde schlanke Knabe scheint während des Gesanges zunächst ganz in sich versunken zu sein, dann aber, als er die bewundernden Blicke des Landgrafen spürt und bemerkt, mit welchem Entzücken der Landgraf sein Solo aufnimmt, wirft er seinen Bewunderer einen strahlenden Blick zu. Der Fürst erwidert seine Blicke und nickt ihm aufmunternd zu.

      Es ist, als hielten die beiden Musikbegeisterten ein stummes Zwiegespräch.

      Heinrichs Herz jubelt. Er findet den Beifall des hohen Gastes.

      Als Heinrich Colander nach diesem Musikstück das Konzert fortsetzen wollte, winkte der Landgraf ab. „Lass uns miteinander plaudern!“, rief er. Daraufhin nahmen Gäste und Musiker wieder an den Tischen Platz und es begann eine lebhafte Unterhaltung.

      Landgraf Moritz wendete sich an Heinrich Colander.

      „Mir gefallen die Psalmen Davids von Georg Weber. Sind sie schon gedruckt?“

      Moritz von Hessen wartete eine Antwort gar nicht erst ab. Schon stellte er die nächste Frage.

      „Sie spielen Werke meines Hofkapellmeisters Georg Otto. Welche Werke sind das?“

      Heinrich Colander war eifrig bemüht, die Fragen zu beantworten, aber es schien, als wollte der Fürst gar keine langen Ausführungen hören. Es drängte Moritz von Hessen, die für ihn wichtigste Frage zu stellen:

      „Wer ist der junge Solosänger?“

      „Das ist der dreizehnjährige Heinrich Schütz, Sohn des Gastwirtes.“

      Der Landgraf schien mit dem Gespräch zufrieden zu sein, denn er forderte die Musiker auf, die Probe fortzusetzen. Jetzt wurden auch die Kasseler Musiker mit einbezogen. Es wurde ein erquickendes Konzert und für alle Beteiligten ein einmaliges Erlebnis. Zum Schluss vereinigten sich alle Sänger – die Weißenfelser und die von der Hofkapelle Kassel – und sie sangen zum Schluss gemeinsam:

      „Die Nacht ist kommen …“

      Ehe Heinrich den Gastraum verließ, trat der Landgraf auf ihn zu.

      „Ich erwarte dich morgen früh vor dem Frühstück hier im Gastraum. Ich möchte dich examinieren.“

      Heinrich sah den Fürst mit großen Augen an, verbeugte sich und sagte: „Ich werde mich morgen früh bereit halten!“

      Danach verließen sowohl die Gäste als auch die Musiker den Gastraum. Nur der Wirt und der Landgraf waren geblieben.

      „Holen Sie uns den besten Wein Ihres Weinkellers und füllen Sie unser beider Becher!“, rief der Landgraf frohgemut.

      Nachdem beide, der Landgraf und der Wirt, sich gegenübersaßen und den Wein genossen, sagte der Fürst:

      „Ich bin begeistert von der guten musikalischen Darbietung und bin erstaunt darüber, dass im thüringisch-sächsischen Raum die Musik so gepflegt wird.“

      „Es freut mich, Eure Durchlaucht, ein solches Lob aus Ihrem Munde zu vernehmen. Unser Collegium musicum