Untersuchung des Einflusses technologischer Innovationen auf Stoffströme am Beispiel von Vanadium für Redox-Flow-Batterien. Jochen Nühlen

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Название Untersuchung des Einflusses technologischer Innovationen auf Stoffströme am Beispiel von Vanadium für Redox-Flow-Batterien
Автор произведения Jochen Nühlen
Жанр Химия
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Издательство Химия
Год выпуска 0
isbn 9783874684385



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       Tabelle 22: Übersicht zu Vanadiumkatalysatoren

       Tabelle 23: Deskriptoren und deren Entwicklungsvarianten

       Tabelle 24: Bewertung des System-Grids

       Tabelle 25: Ergebnisszenarien

       Tabelle 26: Hintergrund Annahmen Trendszenario 2025

       Tabelle 27: Beitrag der Vanadiumgewinnung aus Filtersalz

       Tabelle 28: Einordnung der Stoffstrommodelle zur Rohstoffversorgung von VRFB

       1 Einleitung

      Der Erfolg technologiebasierter Innovationen basiert nicht nur auf der experimentellen Entwicklung und deren technologischer Machbarkeit. Um technologische Innovationsprozesse in die industrielle Praxis umzusetzen, müssen unterschiedliche Voraussetzungen erfüllt sein. Diese Voraussetzungen sind vielseitig, interdisziplinär und volatil und sind die Summe unterschiedlicher Variablen, die Einfluss auf bestehende Systeme, Märkte und Stoffströme haben können. Technologische Innovationen für nachhaltiges Wirtschaften benötigen zur Umsetzung eine systematische Untersuchung des industriellen Metabolismus (Ayres 1989a) (vgl. Kapitel 2.5) und der Betrachtung komplexer Stoffströme. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund von zirkulären Rohstoff- und Produktsystemen. Ressourcenknappheit (Retief et al. 2016) und die Elektrifizierung der Energieversorgung in Verbindung mit dem Ausbau erneuerbarer Energieträger (IEA 2018) sind globale Megatrends, die auch Auswirkungen auf die deutsche Industrie haben (Grömling und Haß 2009). Die vorliegende Dissertationsschrift befasst sich im Rahmen einer Stoffstromanalyse mit der Verknüpfung von Energie- und Rohstoffwende am Beispiel einer technologischen Innovation im Batteriespeichersegment.

      Industrie und Gesellschaft werden mittel- bis langfristig durch die zunehmende Dezentralisierung des Energiesystems, strombasierte Produktion und Mobilität vermehrt auf orts- und zeitunabhängige Energieversorgung angewiesen sein. Energiespeichertechnologien entkoppeln den Zeitpunkt des Verbrauchs von dem Zeitpunkt der Energieerzeugung und sorgen so für die benötigte Flexibilität zwischen der Energiebereitstellung und der Energienachfrage (Sterner und Stadler 2017), (Wietschel und Ullrich 2015). Doch insbesondere chemische Energiespeichertechnologien in Form von Batteriespeichern sind rohstoffintensiv, bieten Funktionalitäten auf Basis spezifischer chemischer Elemente und sind auf definierte metallische Rohstoffe angewiesen, die verfahrensbedingt oft nicht substituierbar sind. Somit hängt deren erfolgreiche Implementierung in die künftige Energieinfrastruktur auch davon ab, ob die für die Technik benötigten Rohstoffe sicher, kostengünstig und langfristig verfügbar sind (Wesselak et al. 2013). Im Fall der Vanadium-Redox-Flow-Batteriespeicher (VRFB) ist dies das Metall Vanadium. Durch die dortige Verwendung als redoxaktives Material in schwefelsauren wässrigen Elektrolyten zur chemischen Speicherung elektrischer Energie bietet die Technologie das grundsätzliche Potenzial, sich zukünftig als wesentliche Endanwendung des Metalls zu entwickeln. Damit rücken bestehende Vanadiumanwendungen vermehrt in den Fokus und es gilt zu überprüfen, inwieweit Zielkonflikte in der Rohstoffnutzung vorliegen und zu vermeiden sind.

      Vanadium ist ein häufiges Element der kontinentalen Erdkruste, doch primäre geochemische Anomalien in Form von Vanadiumanreicherung zu bauwürdigen Lagerstätten sind selten. Vanadium wird daher hauptsächlich als Neben- oder Koppelprodukt gewonnen. Hauptrohstoff sind vanadiumhaltige Titanomagnetiterze (VTM). Je nach Lagerstättentyp und geochemischen Voraussetzungen kann die Gewinnung von Vanadium direkt aus den aufbereiteten Konzentraten durchgeführt werden. Häufiger ist jedoch die Gewinnung als Co-Produkt der Roheisenerzeugung. Dabei wird aus den VTM eine vanadiumhaltige Schlacke erzeugt, die im Anschluss als Ausgangsmaterial für die Vanadiumgewinnung dient. Weiterhin tragen vanadiumhaltige Aschen, die bei der Verbrennung von vanadiumhaltigen Kohlenwasserstoffen anfallen, sowie die Aufbereitung ausgedienter Katalysatoren der Erdölraffination und Chemieindustrie in geringem Umfang zur Deckung des Bedarfs bei. Nicht alle Verfahren liefern jedoch Vanadium in der Qualität, die für Anwendungen in Batteriespeichern notwendig ist. Produktion und Lagerstätten konzentrieren sich zudem auf wenige Länder, die Raffination auf wenige Unternehmen. Der Upstream-Bereich der Wertschöpfungskette ist in der EU nicht vorhanden. Der Rohstoff Vanadium ist bereits als kritischer Rohstoff für die Energiewende identifiziert worden (Moss et al. 2013), jedoch ohne Berücksichtigung der Anwendung in Batteriespeichern. Die Versorgung der Speichertechnologie für zukünftige Ausbauszenarien ist somit nicht zweifelsfrei gesichert, insbesondere auch wegen der möglichen Nutzungskonkurrenz mit den etablierten Hauptanwendungen des Rohstoffs wie der Eisen- und Stahl- sowie Nicht-Eisenindustrie. Als nicht wirtschaftlich substituierbares Legierungselement in unterschiedlichen Stahlanwendungen sowie Titanlegierungen wird Vanadium unter anderem als kritischer Rohstoff im EU Report on Critical Raw Materials and the Circular Economy gelistet (Mathieux et al. 2017). Der ressourceneffiziente Umgang mit vanadiumhaltigen Stoffströmen und deren Analyse gehören daher zum wirtschaftsstrategischen Vorgehen auf dem Weg zur Annäherung des linearen Wirtschaftssystems an eine zirkuläre Wirtschaftsweise – Circular Economy –, um eine effiziente Nutzung des Metalls zu ermöglichen und die Rohstoffbasis für alle Anwendungszwecke zu sichern. Der Erschließung und Bewertung neuer bisher für die Vanadiumgewinnung nicht berücksichtigter Stoffströme und der Analyse der Auswirkungen auf das bestehende Rohstoffsystem kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. In der vorliegenden Arbeit werden diese an einem konkreten Anwendungsfall einer technologischen Innovation zur Elektrolytgewinnung aus der Weißpigmentindustrie untersucht.

       1.1 Ziel

      Filtersalz als Nebenprodukt des Sulfatverfahrens zur Titandioxidproduktion soll als potenzieller Stoffstrom zur Verbreiterung der Rohstoffbasis von Vanadium im Allgemeinen und zur Produktion von Vanadiumelektrolyt im Besonderen dienen. Ein Gewinnungsverfahren des Vanadiums aus dem Nebenprodukt konnte im Labormaßstab erarbeitet werden. Inwieweit sich diese technologische Innovation sowie veränderte Nachfragesituationen bestehender Anwendungsgebiete für Vanadium auf das industrielle System des Elements auswirken, wird in der vorliegenden Arbeit untersucht.

      Ziele sind demnach die Erstellung eines globalen Modells industrieller Vanadiumstoffströme, die Erstellung einer Szenarioanalyse zur Abbildung von Entwicklungspfaden sowie die Ableitung von quantitativen Potenzialen der Elektrolytgewinnung aus der Titandioxidindustrie. Insbesondere wird die Beantwortung der Fragestellung untersucht, welchen Einfluss die technologische Innovation zur Verbreiterung der Rohstoffbasis für Vanadium-Redox-Flow-Energiespeicher und welchen Beitrag zur Rohstoffsicherung der Batteriespeichertechnik sie haben kann. Voraussetzung für die Analyse ist die interdisziplinäre Verknüpfung von Daten zu Gewinnungsverfahren, Anwendungen und Märkten von Vanadium. Vor dem Hintergrund des Ausbaus von Energiespeichertechnologien und des spezifischen Rohstoffbedarfs von Vanadium in Vanadium-Redox-Flow-Batteriespeichern wird daher in der vorliegenden Dissertationsschrift mittels Stoffstromanalyse ein globales Stoffstrommodell für das Element Vanadium entwickelt, mit dem dessen Wege durch industrielle Systeme qualitativ und quantitativ analysiert werden. Die Stoffstromanalyse wird dabei in Kombination mit einer Szenarioanalyse durchgeführt. Die Szenarioanalyse soll dabei helfen, Empfehlungen für das zukünftige Stoffstrommanagement auf Basis von konsistenten Entwicklungspfaden abzuleiten.

      Die im Rahmen der Dissertation durchgeführte rohstoffwirtschaftliche Analyse von Vanadium betrachtet die geogenen und anthropogenen Rohstoffe, aus denen es gewonnen wird, die Nutzung des Elements in relevanten Industrien und die Bindung in maßgeblichen Produkten und Reststoffen. Dafür werden sowohl Informationen zu verschiedenen Gewinnungs- und Aufbereitungsverfahren sowie der industriellen Nutzung von vanadiumhaltigen Materialien einbezogen. In der Szenarioanalyse werden Deskriptoren und deren Wirkungsbeziehungen aufgestellt, um eine Aussage treffen zu können, wie die technologische Innovation der Elektrolytgewinnung aus dem Sulfatverfahren und der bestehende Vanadiumstoffstrom in Wechselwirkung stehen. Durch Abbildung der konsistenten Szenariopfade im Stoffstrommodell und unter Einbeziehung des Potenzials aus der Titandioxidindustrie können letztlich die Auswirkungen der technologischen Innovation auf das