Spenglers Nachleben. Группа авторов

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Название Spenglers Nachleben
Автор произведения Группа авторов
Жанр Афоризмы и цитаты
Серия
Издательство Афоризмы и цитаты
Год выпуска 0
isbn 9783866747197



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mit einer eigentümlichen, untergründigen Wirkungsgeschichte zu analysieren, die sich in sehr unterschiedlichen, dezidiert nachmodernen Denktradition bewusst – und oft genug unbewusst – fortschreibt. Sie stellen Fallstudien dar, die Spengler auf drei Ebenen als Resonanzphänomen in den Blick nehmen. Erstens als Resonanzkörper in seiner Zeit, als einen Autor also, in dessen Werk sich intellektuelle Tendenzen der Zwischenkriegszeit auf spezifische Weise verdichteten. Zweitens sollen Resonanzen auf Spengler in seiner Zeit thematisiert werden, um so dessen zunächst enorm weitreichende Rezeption in Erinnerung zu rufen, vor deren Hintergrund das ›Vergessenwerden‹ überhaupt erst zum Symptom einer historischen Zäsur wird. Drittens sollen Resonanzen Spenglers in der postmodernen Theoriebildung untersucht und diskutiert werden, Resonanzen also innerhalb einer Tradition, die für die kulturwissenschaftlichen Fächer heute noch aktuell, wenn nicht gar diskursbegründend erscheint. Architektur-, kunst-, literatur-, wissenschafts- und philosophiegeschichtliche Aspekte wurden dabei ebenso berücksichtigt wie theoretische und insbesondere geschichtstheoretische Fragestellungen, denn über Spengler nachzudenken bedeutet nach wie vor in erster Linie, über Geschichte nachzudenken.

      Wir danken den Autorinnen und Autoren, deren Beiträge auf je eigene Weise deutlich machen, wie vielschichtig und facettenreich sich die (verdeckte) Wirkungsgeschichte Spenglers gestaltet, deren Schatten noch auf den jüngsten kulturwissenschaftlichen Debatten lastet. Besonders froh sind wir zudem, dass wir in den Band einen im Nachlass Oswald Spenglers aufgefundenen Zeitungstext aufnehmen konnten53 sowie ein unveröffentlichtes Manuskript Heinz Dieter Kittsteiners, das ein frühes Zeugnis für seine eigentümliche und inspirierende Spengler-Faszination darstellt.54 Für die Genehmigung zum Abdruck danken wir Bibliothek und Archiv der Europa-Universität Viadrina, Frankfurt an der Oder. Danken möchten wir auch Norman Bos für seine Mitarbeit bei der Redaktion der Texte. Unser besonderer Dank gilt schließlich Claus Pias, Professor für Medientheorie und Mediengeschichte am Institut für die Kultur und Ästhetik digitaler Medien (ICAM) der Leuphana Universität Lüneburg, ohne dessen großzügige Unterstützung dieses Buch nicht möglich gewesen wäre, sowie Erich Hörl, Professor für Medienkultur ebenfalls am ICAM, der unsere Suche nach einer verdeckten Wirkungsgeschichte Oswald Spenglers im Rahmen des Forschungsschwerpunktes Faszinationsgeschichte von Nicht-Modernität von Anfang an und auf allen Ebenen mit großem Engagement unterstützt und gefördert hat.

      1 Adorno, Theodor W.: Spengler nach dem Untergang, in: Ders., Gesammelte Schriften, Bd. 10.1, hg. v. Rolf Tiedemann unter Mitwirkung von Gretel Adorno, Susan Buck-Morss und Klaus Schulz, Frankfurt a. M. 1977 ff., 47–71, 69.

      2 Bense, Max: Vom Wesen Deutscher Denker. Oder zwischen Kritik und Imperativ, München/Berlin 1938, 160.

      3 Ebd., 166.

      4 Ebd., 172 f.

      5 Bense: Wesen Deutscher Denker, 172. – Spengler, der wie viele Autoren aus dem Milieu der sogenannten konservativen Revolution in seinen politischen Ansichten eher am italienischen Faschismus als dem Nationalsozialismus orientiert war, scheute die öffentliche Kritik der nationalsozialistischen Bewegung nicht. So schrieb er über die ›Machtergreifung‹, sie habe »sich in einem Wirbel von Stärke und Schwäche vollzogen«, weshalb es bedenklich sei, »daß sie täglich mit so viel Lärm gefeiert« werde. Unter den Nationalsozialisten sah er »Elemente« am Werk, »welche den Genuß der Macht als Ergebnis betrachten und den Zustand verewigen möchten«, und Adolf Hitler wertete er in der privaten Korrespondenz wiederholt als durchaus »nicht bedeutend«. Diese Kritik des nationalsozialistischen Projekts von rechts wurde von Teilen der Bewegung als besonders bedrohlich empfunden und entschieden bekämpft. Spengler, so ließe sich sagen, fand sich also nicht trotz seiner faschistischen Weltanschauung zusehends in die Isolation gedrängt, sondern gerade wegen ihr. Vgl. Koktanek, Anton Mirko: Oswald Spengler in seiner Zeit, München 1968, 410–463 (hier auch die angeführten Zitate) sowie Felken, Detlef: Oswald Spengler. Konservativer Denker zwischen Kaiserreich und Diktatur, München 1988, 184–237.

      6 Bense: Wesen Deutscher Denker, 173.

      7 Adorno: Spengler nach dem Untergang, 48.

      8 Das Zitat entstammt der Diskussion eines Vortrags, den der an Heidegger geschulte Theologe und ehemals begeisterte Nationalsozialist Friedrich Karl Schumann 1957 vor der Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen hielt. Schumann, Friedrich Karl: Mythos und Technik, Köln 1958, 43.

      9 Bemerkenswerte Ausnahmen von dieser Regel finden sich etwa bei Arnold Gehlen, dessen Essay Die Seele im technischen Zeitalter (1957) sich explizit und durchaus affirmativ auf Spengler bezieht; bei Adorno, von dessen einschlägigen Texten noch ausführlich zu sprechen sein wird, bei Gotthard Günther, dessen kultur- und techniktheoretische Schriften sich bis in die 1980er Jahre hinein intensiv mit Spengler auseinandersetzen, in Hans Sedlmayrs Verlust der Mitte (1948) sowie bei Max Bense und Gottfried Benn, die sich auch nach dem Krieg, wie Hermann Rotermund in diesem Band zeigt, an Spenglers Untergang abarbeiteten. Vgl: Gehlen, Arnold: Die Seele im technischen Zeitalter. Sozialpsychologische Probleme in der industriellen Gesellschaft [1957], Frankfurt a. M. 2007, passim.; Adorno: Spengler nach dem Untergang; Günther, Gotthard: Beiträge zu einer operationsfähigen Dialektik III. Philosophie der Geschichte und der Technik. Wille, Schöpfung, Arbeit, Hamburg 2013, insbes. 211–235; dazu auch: Klagenfurt, Kurt: Technologische Zivilisation und transklassische Logik. Eine Einführung in die Philosophie Gotthard Günthers, Frankfurt a. M. 1995.

      10 Adorno: Spengler nach dem Untergang, 63.

      11 Falko Schmieder in diesem Band.

      12 Neben Spengler nach dem Untergang hat sich Adorno in der Rezension Spenglers Mensch und Technik (1932) sowie in dem kurzen Text Wird Spengler recht behalten? (1955) explizit mit Spengler auseinandergesetzt. Beide in: Adorno, Gesammelte Schriften, a. a. O., Bd. 20.1, 140–148, bzw. 197–199. Mit großer Verve, allerdings wesentlich weniger differenziert als Adorno, ging auch Georg Lukács mit Spengler ins Gericht. Vgl. Lukács, Georg: Die Zerstörung der Vernunft, Bd. II. Irrationalismus und Imperialismus, Neuwied 1962, insbes. 138–152. Hinweise auf eine geschichtstheoretische Auseinandersetzung mit Spengler innerhalb der kritischen Theorie lassen sich weiterhin bei Max Horkheimer, Herbert Marcuse, Walter Benjamin und Ernst Bloch finden. Vgl. dazu Schmidt, Burghart: Postmoderne – Strategien des Vergessens, Frankfurt a. M. 1994, 72–96. Aus dem Umfeld des Frankfurter Instituts für Sozialforschung wären schließlich Karl August Wittfogel und Franz Borkenau zu nennen, die sich nach ihrem Ausscheiden aus dem Institut Spenglerschen Geschichtskonzeptionen annäherten. So führt eine direkte Rezeptionsgeschichte von Wittfogels Wirtschaft und Gesellschaft Chinas (1931) zu Samuel Huntingtons Clash of Civilisations (1996), und Borkenaus ausgreifende Studie Der Übergang vom feudalen zum bürgerlichen Weltbild (1934) lässt bereits eine latente Spengler-Faszination erkennen, die dann in seinem nachgelassenen Spätwerk Ende und Anfang virulent wird. Vgl. Wittfogel, Karl August: Wirtschaft und Gesellschaft Chinas. Versuch der wissenschaftlichen Analyse einer grossen asiatischen Agrargesellschaft, Leipzig 1931; sowie Borkenau, Franz: Ende und Anfang: Von den Generationen der Hochkulturen und von der Entstehung des Abendlandes, hg. v. Richard Löwenthal, Stuttgart 1984.

      13 Dubiel, Helmut: Die Aktualität der Gesellschaftstheorie Adornos, in: Friedeburg, Ludwig u. Habermas, Jürgen (Hrsg.), Adorno-Konferenz 1983, Frankfurt a. M. 1983, 293–313, 299.

      14 Hitler, Adolf: Rede gehalten am 4. Januar 1933 in Detmold anlässlich der Eröffnung des Landtagswahlkampfs in Lippe, zit. n. Bruppacher, Paul (Hrsg.), Adolf Hitler und die Geschichte der NSDAP. Eine Chronik, Teil 1 1889–1937, o. O. 2014, 300.

      15 Adorno: Spengler nach dem Untergang, 48.

      16 Ebd., 69.

      17 Vgl.: Adorno, Theodor W.: Negative Dialektik, in: Ders., Gesammelte Schriften, a. a. O., Bd. 6, 9–113, 15.

      18 Adorno: Spengler nach dem Untergang, 47.

      19 Bouveresse, Jacques: Spenglers Rache, in: Peter Sloterdijks ›Kritik der zynischen Vernunft‹, Frankfurt a. M. 1987, 356–388, 382.

      20 Ebd., 386.

      21 Ebd., 382 f. – Gegen diese Annahme wäre einzuwenden, dass Canguilhem ausgerechnet Spenglers Theorie einer »Maschinenentwicklung