Im Jahr des Wolfes. Rex Schulz

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Название Im Jahr des Wolfes
Автор произведения Rex Schulz
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783961451661



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sind schon unterwegs!“

      „Ja, Meister!“, der Wissenschaftler verbeugte sich tief und verließ eilig den Raum.

      Der Alte blieb allein zurück.

      Die Zeit wird knapp!, dachte er ärgerlich. So lange hat die Vorbereitung schon gedauert, und nun auch noch so etwas. Jetzt müssen alle am Projekt beteiligten Brüder und Schwestern sich ungeheuer anstrengen. Die Rache des Herrn darf nicht verzögert werden, so einen Termin bekommen wir nicht so schnell wieder!

      Er stand auf und raffte die Schöße seiner Kutte. Dann machte er sich auf den Weg in die Halle mit den Heiltanks, um den Zustand der dreizehn Krieger in Augenschein zu nehmen.

      Dreizehn Krieger, einer davon würde den Weg ebnen, sich für die anderen opfern, sodass diese zwölf Krieger dann in den heiligen Krieg ziehen konnten. Zwölf Krieger, fast wie die zwölf Verkünder der Lehren ihres Gottes. Nur würden die Krieger nicht das Wort ihres Herrn verkünden, sondern mit Feuer und Schwert über die Ungläubigen herfallen.

       WUNJO – Wonne (Rune der Hoffnung und der Freude)

       Kapitel 9

      Die zwölf heiligen Nächte bilden den Ausgleich zwischen dem

      alten Mondjahr und dem Sonnenjahr. Somit steht die Julzeit

      zwischen den Jahren und diese Nächte waren besonders zauberkräftig.

      Jede dieser Nächte stand für einen Monat im nächsten Jahr.

      (GÉZA VON NEMÉNYI, DER JAHRESKREIS)

      Sarulf schnallte die Tasche fest, schloss den Kragen seiner Jacke und stieg auf den Scooter. Er drehte sich ein letztes Mal um und winkte Alida zum Abschied. Sie warf ihm eine Kusshand zu und winkte zurück.

      Jede freie Minute hatten sie in den letzten Tagen miteinander verbracht und gehofft, es würde niemand bemerken. Doch nun war die schöne Zeit vorbei und er musste zurück in die Kaserne. Siegfried war schon vor ihm aufgebrochen, er hatte nicht so lange frei bekommen wie Sarulf. Auch Swanhild und Steinar waren zu ihrer gewohnten Arbeit zurückgekehrt.

      Die letzte Nacht hatte Alida bei Sarulf im Zimmer verbracht. Heimlich hatte er in der Dunkelheit am Eingang des Hauses auf sie gewartet. Und Alida war unbemerkt aus dem Mägdehaus gehuscht. Dann hatte sie diese letzten Stunden in seinen Armen gelegen, die Zeit war viel zu schnell vergangen!

       Bald gibt es ja wieder Urlaub, dann kann ich sie endlich wiedersehen.

      Sarulf drehte sich um und startete seinen Scooter. Langsam schwebte er vom Hof der Familie, begleitet mit dem Wunsch, so schnell wie nur möglich zu Alida zurückzukehren.

      * * *

      Von Rabenzahns Augäpfeln war nur noch das Weiße zu sehen. Steinar und Hasso blickten sich wissend an, diesen Anblick waren sie inzwischen gewöhnt.

      Der Meister weilte im Reich der Ahnen. Er hatte eine akribisch abgemessene Dosis von den getrockneten Fliegenpilzen eingenommen, die Swanhild Steinar für ihn mitgegeben hatte.

      In jeder der heiligen Raunächte ging Meister Rabenzahn hinüber in die andere Welt, um Dinge aus der Zukunft zu erfahren.

      In jeder heiligen Nacht wurden das Runen-Orakel und die Karten befragt.

      Jede der Raunächte stand für einen Monat des nächsten Jahres, und die Orakel sagten die Ereignisse für den jeweiligen Monat voraus.

      Weißbart Rabenzahn notierte sich alle Voraussagungen genauestens, er würde sie später an König Rabenfeder exakt so weitergeben.

      Der Meister wiegte seinen Oberkörper hin und her und gab unverständliche Laute von sich.

      Steinar und Hasso beobachteten ihn und warteten voller Ungeduld, bis er wieder in ihre Welt zurückkommen würde.

      Langsam verebbte das Wiegen des alten Körpers und schließlich saß Rabenzahn wieder steif wie ein Stock auf dem Boden. Seine Lider schlossen sich, kurz darauf öffnete er sie. Nun waren seine eisgrauen Augen wieder klar und erkennbar. Auch war sein unverständliches Brabbeln verstummt.

      „Oje! Langsam werde ich zu alt dafür, es wird Zeit, dass ihr das übernehmt!“

      Der Meister erhob sich ächzend vom Fell. Er ging zu seinem Stuhl und ließ sich schwer auf ihn fallen.

      „Hirschhorn, bring mir meine Kladde! Und du Steinar, mach mir einen Tee. Dann setzt euch zu mir!“

      Hasso griff sich die Orakelkladde des Meisters, während Steinar den Kessel über das Feuer hängte und darauf wartete, dass das Wasser zu kochen anfing. Dann stellte er die Tasse mit dem Tee vor den Alten auf den Tisch.

      „Setzt euch, Jungs! Und hört zu!“

      Hasso und Steinar blickten ihren Lehrer erwartungsvoll an. Der öffnete sein Buch und schlug eine leere Seite auf.

      „Dieser Monat bringt Schatten und Verlust! Die Ahnen waren sehr aufgeregt und es lag ein dunkler Schleier über der Familie unseres Königs!“

      Steinar erschrak, ging es doch um seine Familie, der König war sein Vater.

      Weißbart fuhr fort.

      „Es kommt Unheil auf uns zu! Aber ich muss erst die Runen befragen, bevor ich Genaueres sagen kann!“

      Meister Rabenzahn griff nach dem Beutel mit den Runen und entnahm diesem eine. Er warf sie auf den Tisch.

      „Fehu!“, sagte er, alle drei prüften nun die Lage der Rune.

      „Kein gutes Omen!“, murmelte Weißbart Rabenzahn. „Die Rune liegt verkehrtherum, das bedeutet Verlust! Irgendetwas oder irgendjemanden wird die Familie des Königs verlieren, was genau, das liegt im Dunkel!“

      Steinar blickte entsetzt auf das Zeichen. Bei Odin, warum?

      Rabenzahn schaute auf seine Lehrjungen und griff nach seinem Stift.

      „Geht zu Bett, alle beide! Ich muss meine Notizen beenden!“

      Steinar und Hasso wünschten dem Meister eine gute Nacht und zogen sich zurück. Doch Steinar lag noch lange wach und grübelte über die Weissagung.

       Kann der Alte in den Runenzeichen wirklich so genau die Zukunft erkennen? – Doch nur dann, wenn man sie zu seinen Gunsten verändern kann! Ich muss mit Vater reden!

      Steinar wusste, auf jeden Fall würde dieser Monat ihrer aller besonderen Wachsamkeit benötigen!

      * * *

      Das Flackern unzähliger Kerzen drang durch die Finsternis der unterirdischen Felsenhalle. Es erfüllte den Felsendom mit trautem Schein und vermittelte ein Gefühl des Behütetseins.

      Hunderte Menschen drängten sich in der Kathedrale. Sie waren im Overall, in dunkler Kutte, in Alltagskleidung oder in feierlichem Ornat erschienen.

      Sie alle blickten gespannt zu dem Felsblock in der östlichen Ecke der Halle. Ein Mann in einer schwarzen Kutte stand hinter dem Stein, der ihm bis an die Hüfte reichte, er hatte die Kapuze tief in das alte Gesicht gezogen.

      Vor ihm standen eine große weiße Kerze und ein silberner Kelch, ein eckiges Bündel lag daneben.

      Er hob beide Arme empor, sofort versiegte auch das letzte Murmeln.

      „Brüder und Schwestern, lasst uns feiern! Die Zeit ist gekommen, um unserem Herrn unsere bedingungslose Treue zu zeigen!

      Heute, der Tag, an dem sich der Dreizehnte opferte, um den Zwölfen den Weg zu ebnen, ist der richtige Zeitpunkt, die Prophezeiung erneut wahr werden zu lassen.“

      Der Mann senkte seine Arme und schlug den Stoff des vor ihm liegenden Bündels auseinander. Ein Buch kam zum Vorschein. Es musste sehr alt sein. Halb zerfallene Seiten steckten