Mit schlechten Karten gut gespielt. Werner Hübner

Читать онлайн.
Название Mit schlechten Karten gut gespielt
Автор произведения Werner Hübner
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783957447043



Скачать книгу

bei einem Bauern half, gab es etwas Gemüse. Im Herbst suchten wir die abgeernteten Felder nach liegen gebliebenen Ähren ab, ebenso die Kartoffeläcker. Etwas später im Jahr wurden Bucheckern gesammelt, für die man Öl bekam. Wenn die Erntewagen mit Zuckerrüben zur Fabrik fuhren, fielen manchmal einige herunter, die rasch aufgesammelt und zu Rübenkraut verarbeitet wurden. In diesem Jahr lernte ich den Hunger kennen.

      Lernen und selbstständig werden

      1947, nach den Sommerferien, konnte ich in die Oberschule in Peine fahren. Eine sehr nette Klassenlehrerin erleichterte mir das Einleben und gab mir Nachhilfe in Französisch, einem Fach, das ich bis dahin nicht hatte.

      Unsere Mutter hatte längst herausgefunden, dass unser Vater in Halle lebte und arbeitete. So machte sie sich insgesamt zweimal auf die Reise, einmal bis Helmstedt mit dem Zug, dann zu Fuß über die grüne Grenze und dann wieder mit der Eisenbahn nach Halle, alles in allem ein abenteuerliches und gefährliches Unternehmen. Offensichtlich fiel es unseren Eltern schwer zu entscheiden, ob wir zu Vater in den Osten gehen oder Vater zu uns in den Westen kommen sollte. Schließlich entschieden sich die Eltern für den Westen. Dies war ein Glück für mich, denn ich erinnere mich, dass ich damals fest entschlossen war, im Westen zu bleiben.

      Nun war die Familie wieder vereint. Der Zufall half, dass die Eltern eine leer stehende Bahnhofsgaststätte entdeckten und diese dank hilfsbereiter Menschen auch übernehmen konnten. Die Anfangsbedingungen waren für uns recht günstig. Das Mobiliar war noch vorhanden, das Brennmaterial stellte das Industrieunternehmen, dem das Gelände und die Bahnanlage gehörten. Das war mehr als ein Lottogewinn, denn wir und die Reisenden hatten warme Räume. Zu essen gab es auch. Aus Fleischknochen und viel Suppengrün wurde unendlich viel Brühe gekocht, die allen schmeckte. Geschirr war zwar mittels Zigaretten und hilfsbereiter Menschen beschafft worden, ich erinnere mich aber, dass immer sehr schnell abgeräumt und gespült werden musste, weil die Teller sofort wieder gebraucht wurden. Natürlich bestand auch die Gefahr des Klauens.

      In diesen Nachkriegsjahren fand ich Anschluss in der katholischen Pfarrjugend, die ich bald im Jugendring, damals der Zusammenschluss aller Jugendverbände der Stadt, vertrat. Als die englische Militärregierung ein sozialpolitisches Seminar anbot, konnte ich daran teilnehmen und war begeistert. Ich denke, dass dort der Grund für mein soziales Engagement gelegt wurde, aber auch das Interesse an sozialpolitischen Themen sowie die Ablehnung autoritärer Strukturen.

      Kein Studium, dafür aber Stipendium

      Die Zeit nach dem Ende des Dritten Reiches mit ihrer bitteren Not, dem vielfältigen Mangel hat ihre Spuren hinterlassen. Flüchtlinge genossen keine Wertschätzung, sie hatten ja nichts vorzuweisen, und Geld war nichts wert. Es fehlten Freunde, Bekannte und Verwandte.

      Ein Studium kam für mich nicht in Betracht. Die raren Ausbildungsplätze an den Universitäten waren den Kriegsheimkehrern vorbehalten, und die Wartelisten waren lang. Im Übrigen fehlte es mir auch an Antrieb. Über mancherlei Umwege kam ich zur Erwachsenenbildung und lernte in einer Fortbildung für soziale Gruppenarbeit Prof. Dr. L. Lowy kennen. Nun steckte ich meine ganze Energie in das dreijährige berufsbegleitende Studium „Soziale Gruppenarbeit und Supervision“. Soziale Gruppenarbeit schien mir eine ideale Form zu sein, soziales Verhalten anzuregen und einzuüben. Allerdings gehörte Supervision, auch Praxisberatung genannt, nur bedingt dazu. Ein Netzwerk gab es damals noch nicht. Ich ergriff die Chance, eine Supervisionsausbildung zu übernehmen bzw. neu zu gestalten.

      Geprägt von der starken Mutter

      Wenn ich heute an meine Kindheit und Jugend zurückdenke, haben mich insbesondere Flucht, Vertreibung, Neuanfang und nicht zuletzt das Elternhaus geprägt. Innerhalb von Minuten alles Bekannte, Haus, Umgebung und Freundinnen verlassen zu müssen, war abenteuerlich. Alles änderte sich. Es gab keine feste Unterkunft, keine geregelten Mahlzeiten. Das regelmäßige Waschen, Zähneputzen, Wechseln der Unterwäsche und der Kleider erfolgte nur sporadisch. Es gab Zeit im Überfluss. Denn zum Lesen fehlten die Bücher und zum Spielen die gleichaltrigen Kinder. Neu war die ständige Anwesenheit der Mutter. Sie informierte sich über die jeweilige Situation und handelte danach.

      Die Tschechoslowakei verließen wir so schnell mit der Bahn, weil sich absah, dass der Krieg bald enden würde und Mutter die Wut der Bevölkerung in den besetzten Gebieten voraussah. Sie merkte auch bald, dass wir bei der nächsten Anlaufstelle, der Familie meines Onkels väterlicherseits, unerwünscht waren und zog mit uns weiter. Sich informieren, überlegen, handeln. Wenn ich heute zurückdenke, stelle ich immer wieder fest, dass meine Mutter in dieser chaotischen Zeit Enormes geleistet hat.

      Daraus habe ich für mich den Kernsatz abgeleitet: Nicht jammern und die Hände in den Schoß legen, sondern überlegen und handeln. In der Weiterführung heißt das, Erwachsene sollten für Heranwachsende Vorbild sein.

      Ein anderes Stichwort heißt Verantwortung übernehmen. Vermutlich hätte ich die beschriebenen schwierigen Situationen nicht so gut überstanden, ohne die innere Geborgenheit, die eine starke Mutter gibt.

      Dies möchte ich noch einmal an zwei Beispielen verdeutlichen: Auf dem Rückweg nach Gleiwitz mussten wir in einem leer stehenden Bauernhaus übernachten. Am nächsten Morgen machte Mutter Feuer im Herd, um Kaffee zu kochen. Auf einmal ertönten von draußen Männerstimmen. Mutter flüsterte mir zu: „Macht, dass ihr in den Garten kommt. Versteckt Euch hinter Sträuchern, aber lauft nicht vom Haus weg, ich komme wieder“. Tatsächlich nahmen die Russen sie mit, zum Arbeiten. Ängste zu zeigen, war nicht möglich, im Gegenteil, ich musste ja auf meine dreijährige Schwester aufpassen und sie beruhigen. Irgendwie war wohl die Gewissheit da, dass Mutter zurückkäme. Gegen Abend kam sie dann auch. Wir übernachteten noch in dem Haus und verschwanden am nächsten Morgen.

      Eine ähnliche Situation erlebte ich später: Als wir einige Wochen im Westen waren, erklärte mir meine Mutter, sie werde über die grüne Grenze gehen, um Vater zu besuchen und mit ihm überlegen, wie es weiter gehen solle. Das ganze würde einige Tage dauern. In diesen Tagen müsste ich auf meine Schwester aufpassen. An Einzelheiten kann ich mich nicht erinnern. Die Angst, dass meine Mutter nicht zurückkommen könnte, habe ich vermutlich gar nicht zugelassen, Pflichtgefühl und Verantwortung überwogen.

      Im Nachhinein stelle ich fest, dass wir großes Glück hatten und Mutter immer einen Weg aus schwierigen Situationen fand. Diese Einstellung habe ich von ihr übernommen; gehört zu mir. Der Satz: Hilf dir selbst, dann hilft Dir Gott“ gibt diese meine Haltung gut wieder.

      Конец ознакомительного фрагмента.

      Текст предоставлен ООО «ЛитРес».

      Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.

      Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.

/9j/4AAQSkZJRgABAgAAAQABAAD/2wBDAAMCAgMCAgMDAwMEAwMEBQgFBQQEBQoHBwYIDAoMDAsK CwsNDhIQDQ4RDgsLEBYQERMUFRUVDA8XGBYUGBIUFRT/2wBDAQMEBAUEBQkFBQkUDQsNFBQUFBQU FBQUFBQUFBQUFBQUFBQUFBQUFBQUFBQUFBQUFBQUFBQUFBQUFBQUFBQUFBT/wAARCAE7AMgDASIA AhEBAxEB/8QAHwAAAQUBAQEBAQEAAAAAAAAAAAECAwQFBgcICQoL/8QAtRAAAgEDAwIEAwUFBAQA AAF9AQIDAAQRBRIhMUEGE1FhByJxFDKBkaEII0KxwRVS0fAkM2JyggkKFhcYGRolJicoKSo0NTY3 ODk6Q0RFRkdISUpTVFVWV1hZWmNkZWZnaGlqc3R1dnd4eXqDhIWGh4iJipKTlJWWl5iZmqKjpKWm p6ipqrKztLW2t7i5usLDxMXGx8jJytLT1NXW19jZ2uHi4+Tl5ufo6erx8vP09fb3+Pn6/8QAHwEA AwE