Название | Wege nach Südafrika |
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Автор произведения | Judith May |
Жанр | Биографии и Мемуары |
Серия | |
Издательство | Биографии и Мемуары |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783957442161 |
Von jetzt an bestand unser Urlaub aus einem erweiterten Programm, da uns nun Jürgens Auto als Fortbewegungsmittel zur Verfügung stand. Jeden Tag unternahmen wir bei strömenden Regen einen Ausflug. Unsere Tagestouren führten uns nach Lübeck, Kolding in Dänemark, nach Flensburg und Wilhelmshaven. Interessant fanden wir das U-Boot aus dem zweiten Weltkrieg und die gigantische Gedenkstätte in Laboe für alle auf dem Meer gebliebenen Seeleute.
Irgendwann endete dieser nasskalte Ostseeurlaub und wir reisten, diesmal wie gewohnt bequem, mit unserem Auto zurück nach Leipzig in unser schönes Zuhause.
In den folgenden Wochen stellte Anna die Bewerbungsunterlagen für das Parlamentarische Jahr zusammen und eines Tages lag er da, der entscheidende Brief und wartete darauf, in den Briefkasten zu flattern. Anna sagte zu mir, ich soll ihr Glück wünschen und das tat mein Verstand auch, doch mein kleines Mutterherz tickte einfach anders und das konnte ich nicht abstellen. Mir war klar, dass eine schwere Zeit auf mich zukommen würde.
DIE ENTSCHEIDUNG
Einige Wochen waren seit Annas Bewerbung ins Land gegangen, der Alltag hatte uns wieder und verdrängte dieses Thema etwas aus meinem Kopf. Doch dann wurde Anna zu der entscheidenden Gesprächsrunde der bereits in die engere Wahl gekommenen Bewerber für das Parlamentarische Jahr eingeladen und ging entsprechend aufgeregt in das Hotel »Seaside«. Die Jugendlichen führten eine interessante Gruppendiskussion zu diversen aktuell-politischen und allgemein wissenswerten Themen und am Ende der Veranstaltung gab es nur eine Person, für die sich die kompetenten »Tester« entscheiden mussten und die Wahl fiel leider nicht auf Anna, doch für sie persönlich blieb der moralische Erfolg, diese Auswahlrunde erreicht und eine neue Erfahrung gemacht zu haben.
Nun galt für uns, sich weiter um eine Organisation zu kümmern, die deutsche Austauschschüler nach Amerika vermittelt. Letztendlich haben wir uns für diejenige entschieden, welche auch für das Parlamentarische Jahr die jungen Menschen ins Ausland schickt, und wir waren der Meinung eine gute Wahl zu treffen, denn schließlich hatten unsere Politiker im Bundestag diese Organisation favorisiert.
Die Finanzierung des großen Vorhabens haben wir gemeinsam in der Familie besprochen und jeder hat seinen Teil dazugegeben. Anna setzte die Geldgeschenke der Familie anlässlich ihrer Jugendweihe mit zur Finanzierung ein und Mama, Papa und Oma zeigten sich auch nicht geizig, sodass diese wichtige Seite eine gute Regelung gefunden hatte.
Inzwischen war es März 2003 geworden und die politische Situation im Irak spitzte sich immer mehr zu. Wieder einmal spielten die USA den Weltgendarm und so begann am 20.3.2003 durch die Streitkräfte der Vereinigten Staaten Amerikas, Großbritanniens und anderer verbündeter Staaten der Irakkrieg. Einige Rechtswissenschaftler und Kritiker werteten diesen Krieg als Angriffskrieg und auch in Leipzig fanden wieder regelmäßig »Montagsdemonstrationen« der Leipziger Kriegsgegner statt. Deutschland war glücklicherweise nicht in diesen Krieg involviert und dafür bin ich heute noch unserem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder ausgesprochen dankbar.
Von Freunden unserer Familie erfuhren wir, dass deren Nichte während ihres Aufenthaltes in den USA von einigen dortigen Mitschülern gemieden und sogar beschimpft wurde, da Deutschland nicht bereit war, sich an diesem umstrittenen Krieg zu beteiligen. Von dieser Gesamtsituation geprägt, war Annas Euphorie inzwischen verflogen, ihr Auslandsschuljahr in den USA zu absolvieren. Und so begann für unsere Familie eine weitere Aktion mit Wälzen von Katalogen, mit Erkundigungen und letztendlich der Auswahl eines anderen Landes für dieses geplante Vorhaben. Am Ende all unserer Recherchen blieben die Länder Südafrika und Brasilien in unserem Fokus. Nach Abwägung aller Für und Wider entschieden sich Anna und Jürgen für Südafrika, unter anderem auf Grund der englischen Amtssprache des Landes. In Brasilien wären Portugiesischkenntnisse erforderlich gewesen. Ich erwähne absichtlich, dass sich nur Anna und Jürgen entschieden haben, denn mir war es einfach utopisch, mein hübsches blondes Kind in dieses gefährliche Land Südafrika reisen zu lassen. Es war mir noch mehr bange, für dieses Abenteuer meine Zustimmung zu geben.
Oft grübelte ich über dieses Land Südafrika. Was wusste ich eigentlich darüber? Als Kind hatten wir in der Schule Protestschreiben verfasst, um die Freiheit für Nelson Mandela zu erreichen. Inzwischen war Südafrika von der Apartheid befreit und schwarze sowie weiße Menschen wurden offiziell gleichgestellt. Gehört hatte ich von der hohen Kriminalität in diesem Land, ich kannte Statistiken mit den gefährlichsten Städten der Welt und Johannesburg gehörte dazu. Andererseits war ich aber auch beeindruckt von diesem einmaligen Menschen Nelson Mandela und dessen unerschütterlichem Kampf für die Freiheit aller Menschen in seinem Land. Bewundernswert fand ich schon damals die großen Erfolge der südafrikanischen Medizin, z.B. der ersten Herztransplantation auf der Welt. In Reisekatalogen fand ich faszinierende Landschafts- und Tieraufnahmen von diesem mir so fremd und unsicher erscheinenden Land.
Ja, und dann eines Tages lag er da, der Vertrag über diese zehn Monate Auslandsschulzeit unserer Anna in Südafrika und alles stand schwarz auf weiß vertraglich fixiert, was noch fehlte war meine Unterschrift. Noch nie zuvor in meinem Leben ist mir etwas so schwer gefallen und eigentlich handelte ich gegen meinen Willen. Immer und immer wieder habe ich mit Jürgen darüber diskutiert und meine Argumente dargelegt und immer und immer wieder kamen wir nicht unter einen Hut.
Ich verstand Anna in ihrer Euphorie auf dieses Abenteuer, doch ich blieb traurig und konnte mich einfach nicht damit abfinden.
Anfang Mai 2003 flatterte eine Einladung des Reiseveranstalters zu einem Vorbereitungswochenende in Kassel für unsere künftigen Austauschschüler und die zu beruhigenden Mütter sowie die euphorischen, aber auch manchmal ängstlichen Väter ein. Die Jugendlichen übernachteten dort gemeinsam in einer Jugendherberge und konnten sich somit schon etwas kennen lernen. Für uns Eltern haben sich die Gespräche untereinander als sehr nützlich erwiesen. Wir konnten viele unserer Fragen stellen, erhielten ziemlich begeisterte Antworten seitens der Mitarbeiter der Austauschorganisation. Einige von ihnen hatten schon Südafrika, speziell die Schulen, Gastfamilien und örtlichen Betreuer kennen gelernt und zerstreuten teilweise die Sorgen der Eltern. Mit viel neuem Wissen kehrten wir aus Kassel zurück und besonders für mich war es schon ein Stück Annäherung, auch in meinem Innersten der großen Reise unserer Anna meine Zustimmung zu geben.
Die folgenden Wochen vergingen wie im Flug. Jürgen und ich bereiteten unsere Silberhochzeitsfeier am 3.8.2003, zu der wir mindestens vierzig Gäste erwarteten, vor. Die Lokalität hatten wir schon vor Wochen gebucht und es sollte wirklich ein besonderer Abend für uns alle werden. Um mich abzulenken, fokussierte ich mich nur auf dieses Highlight und verdrängte alle nach diesem Datum stattfindenden Ereignisse, wie z.B. Annas Abreise am 12.8.2003.
Durch den Reiseveranstalter für Annas Auslandsschuljahr hatten wir längst den Namen und die Anschrift der Gastfamilie, Abreisetermin sowie den Namen der Schule in Südafrika mitgeteilt bekommen und eines Tages flatterte ein Brief mit Fotos der gesamten Gastfamilie ins Haus. Die Menschen auf den Fotos hatten eine ausgesprochen freundliche und fröhliche Ausstrahlung und das häusliche Umfeld vermittelte uns einen guten Eindruck. Der Gastvater arbeitete bei einer Bank in Johannesburg und es gab jede Menge Geschwister für unsere Anna. Die Gastschwester hieß Brenda und sollte die gleiche Klasse zusammen mit Anna besuchen. Unsere Eindrücke waren alle sehr