Das Auge des Panthers. Katrin Ulbrich

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Название Das Auge des Panthers
Автор произведения Katrin Ulbrich
Жанр Зарубежные детективы
Серия
Издательство Зарубежные детективы
Год выпуска 0
isbn 9783955520557



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gut, kommen Sie herein.» Sie verschwand im Innern des Wohnwagens, und Katzmann folgte ihr.

      Der Wagen wirkte von innen größer als von außen. Eine Trennwand teilte Wohn- und Schlafbereich voneinander ab. Es gab eine Kochecke und einen Kohleofen, der eine angenehme Wärme verbreitete. Und es roch nach Holz und einem süßen Parfüm. Mehrere Pflanzen grünten vor dem Fenster, und vor dem Schminkspiegel lagen mehrere Tiegel und Tuben. Ein Hund hatte sich auf einem Stuhl zusammengerollt. Sein Kopf ruhte auf seinen Vorderpfoten, während er schlief. Es war ein weißer Terrier.

      «Das ist Thor, Nellys Liebling. Sie würde niemals ohne ihn irgendwo hingehen.» Ein Schluchzen schwang in der Stimme der Mutter mit.

      Katzmanns Blick fiel auf die gerahmten Photographien, die an der Wand hingen. Auf einer davon war eine junge Frau zu sehen, die in einem kurzen weißen Kleid auf einem Elefanten ritt.

      «Sind Sie das?»

      «Ja, da war ich noch sehr jung. Gerade mal siebzehn. Ich bin mit den Elefanten aufgetreten. Aber setzen Sie sich doch!» Lene Birkner deutete auf einen Sessel, der mit einer flauschigen Decke versehen war. «Möchten Sie ein Glas Tee?»

      «Gern, wenn es keine Umstände macht.»

      «Aber nein.» Sie hantierte am Ofen und stellte einen Kessel auf die Platte.

      Der Reporter zückte seinen Notizblock. «Treten Sie immer noch mit Tieren auf, Frau Birkner?»

      «Nein, das ist nichts mehr für mich. Ich arbeite jetzt hinter der Manege. Ich koche für die Truppe und weise den Zuschauern die Plätze an.»

      «Also haben Sie mehrere Beschäftigungen?»

      «Das haben alle hier im Zirkus.» Sie hob die Schultern und ließ sie wieder fallen. Als das Wasser kochte, goss sie es in zwei Becher und stellte ihm einen davon hin.

      Katzmann nippte an dem Getränk. «Wie lange ist Ihre Tochter schon verschwunden?»

      «Seit gestern Nachmittag. Es ist mir gar nicht gleich aufgefallen. Erst, als sie die Vorstellung versäumt hat, habe ich angefangen, mir Sorgen zu machen. Der Chef war außer sich, weil sie ihn in der Vorstellung hängengelassen hat.»

      «Ist Nelly schon einmal verschwunden?»

      «Nein, noch nie. Sie ist ein gutes Mädchen und würde niemals jemandem ein Unrecht zufügen oder ihre Arbeit vernachlässigen. Das passt einfach nicht zu ihr.» Tränen blinkten in den Augen der Mutter.

      «Was ist denn mit ihren Sachen?»

      «Die sind alle noch da.»

      «Gab es gestern vielleicht einen Streit?»

      «Nein. Wenn Sie Nelly kennen würden, würden Sie das auch gar nicht fragen. Sie ist ein lieber Mensch, immer freundlich. Alle hier im Zirkus haben sie gern.»

      Katzmann überlegte. «Hat sie einen Freund?»

      «Nein, sie verbringt ihre Zeit meistens mit Selina. Die beiden sind seit ihrer Kindheit befreundet.» Lene Birkner rang die Hände.

      «Nelly ist etwas zugestoßen, das weiß ich.»

      «Haben Sie schon die Polizei informiert?»

      «Natürlich, gleich gestern Nachmittag.»

      «Und hat die Polizei schon in den umliegenden Krankenhäusern nach Nelly gefragt?»

      «Nein, ich glaube nicht. Sie wollten nicht mal eine Vermisstenanzeige aufnehmen, weil Nelly noch keinen ganzen Tag verschwunden ist.»

      «Dann werde ich mich dort einmal umhören. Vielleicht wurde sie bei einem Unfall verletzt.»

      «Glauben Sie? Aber dann …» Weiter kam Lene Birkner nicht, weil es in diesem Augenblick an der Tür klopfte.

      Auf ihren Hereinruf wirbelte eine junge Frau mit haselnussbraunen Locken herein und warf die Hände in die Luft. «Mein Trikot ist schon wieder gerissen, Lene! Der verflixte Stoff wird allmählich morsch. Kannst du mir vielleicht mit Nähgarn aushelfen?»

      «Aber natürlich! Warte einen Moment.» Lene Birkner kramte in einem Regal.

      Währenddessen entdeckte die Besucherin den Reporter, und ihre Augen weiteten sich. «Oh, ein Neuankömmling. Sind Sie einer der neuen Hilfsarbeiter?»

      «Nein, ich gehöre nicht zum Zirkus.»

      «Schade.» Sie blinzelte ihm kess zu. «Sehr schade sogar. Überlegen Sie es sich noch mal, ja? Jemanden wie Sie könnten wir hier gut gebrauchen.» Ohne ihren Blick von ihm zu lassen, griff sie nach dem Nähgarn. Dann wirbelte sie hinaus und schlug die Tür hinter sich zu.

      «Das war Mona», erklärte Lene Birkner, «unsere Schlangenfrau. Seien Sie besser vorsichtig bei ihr. Wen sie erst einmal im Würgegriff hat, den lässt sie nicht mehr los.»

      «Danke für die Warnung.» Katzmann dachte kurz nach. «Haben Sie vielleicht eine Photographie von Ihrer Tochter, die Sie mir überlassen könnten? Ich würde sie gern mit abdrucken lassen.»

      «Natürlich.» Die Mutter suchte in ihrem Regal und förderte schließlich die Photographie einer grazilen Blondine zutage. «Hier, das ist meine Nelly.»

      Die Frau auf dem Bild wirkte so jung und unschuldig, dass Katzmann unwillkürlich den Atem anhielt. Er strich über die Aufnahme. Wo magst du nur sein?, grübelte er. Und was hat man mit dir gemacht?

      «Nelly und Selina sind zusammen aufgewachsen», erzählte Lene Birkner leise. «Hier im Zirkus sind wir eine große Familie, aber die beiden sind einander ganz besonders verbunden. Sie sind wie Schwestern.»

      «Ich hoffe, Nelly kommt bald gesund nach Hause.»

      «Das hoffe ich auch.» Lene Birkner verkrampfte die Hände ineinander. «Aber die Polizei wird uns bestimmt nicht helfen.»

      «Warum glauben Sie das?»

      «Weil wir Zirkusleute für die Ordnungshüter nur ein Haufen Landstreicher ohne festen Wohnsitz sind. Der Mühe nicht wert.» Eine Träne kullerte über ihre Wange. «Nein, die Polizei wird sich kein Bein ausreißen, meine Tochter zu finden.»

      Katzmann machte sich eine entsprechende Notiz. Er wusste, dass er eine gute Geschichte gefunden hatte. Womöglich konnte er dazu beitragen, dass die junge Artistin gefunden wurde. Er wollte gerade eine weitere Frage stellen, als die Tür ohne Vorwarnung aufgerissen wurde und ein mächtiger Schatten die Öffnung verdunkelte. Im nächsten Augenblick tauchte die massige Gestalt des Direktors in der Tür auf.

      Albert Reuther wirkte aus der Nähe noch beeindruckender als in der Manege. Er war gut doppelt so breit wie Katzmann. Finster heftete er den Blick auf den Reporter. «Was machen Sie hier?», bellte er.

      «Ich sammle Informationen für einen Artikel. Katzmann ist mein Name …» Der Reporter streckte seinem Gegenüber die Rechte hin, aber dieser ignorierte die Geste geflissentlich.

      «Verschwinden Sie von hier! Wir wollen keine Schnüffler, die glauben, nach einer halben Stunde schon alles über das Zirkusleben zu wissen.»

      «Das behaupte ich auch keineswegs. Ich möchte nur …»

      «Es interessiert mich nicht, was Sie wollen! Das hier ist mein Zirkus, und ich mache die Regeln. Und ich will, dass Sie verschwinden.»

      «Ich könnte helfen, Nelly zu finden.»

      «Ach ja? Mit Worten und purer Hartnäckigkeit? Dass ich nicht lache! Wir werden sie selbst finden. Also machen Sie, dass Sie von hier wegkommen, ehe ich nachhelfe!»

      Katzmann zögerte. Er hatte genügend Material für seinen Artikel gesammelt. Was ihm noch fehlte, konnte er durch Nachforschungen außerhalb des Zirkus herausfinden. Aber das war ihm nicht genug. Er wollte mehr über die Zirkusleute erfahren. Und über Selina.

      «In zehn Minuten sind Sie verschwunden», drohte der Direktor, «oder Sie werden es bereuen!» Mit diesen Worten verschwand er aus der Tür.

      Lene Birkner war blass geworden.