Erinnerungen eines Langensalzaer sechsten Ulanen an den Deutsch-Französischen Krieg 1870/71. Heinrich Ziehn

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Название Erinnerungen eines Langensalzaer sechsten Ulanen an den Deutsch-Französischen Krieg 1870/71
Автор произведения Heinrich Ziehn
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783867776080



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für den 25. Juli das Einladen in die Bahn vorgesehen war, sollte am Sonntag, den 24. Juli 1 Uhr mittags die Eskadron kriegsmäßig auf dem Exerzierplatz vor dem Kommandeur des Regimentes, Major von Knobloch, stehen.

      Leider passierte hierbei das erste Unglück. 24 vom Wagen oder Pflug entnommene „Bauernpferde“ wurden gesattelt und gepackt auf dem Sammelplatz vorgeführt, daneben der bestimmte Mann in voller Kriegsausrüstung und an derselben natürlich alles rasselnd und klirrend. Zwei Mann mußten nun das vor Angst zitternde Tier halten und der unglückliche Mann, welchem ein ebenso unglückliches Tier zugeteilt war, sollte vorsichtig versuchen aufzusitzen. Hierbei ging ein Pferd mit dem Reiter ab in das Feld hinein, über die Eisenbahn hinweg und wieder zurück, raste nach za. 1/4 Stunde an der Schwadron nochmals vorbei und rannte sich schließlich an einem Gebäude den Schädel ein, so daß es tot zusammenbrach.

      Darob allgemeines Entsetzen, ein Vorgeschmack des Krieges.

      Auf dem Exerzierplatz unter Begleitung der ganzen Einwohnerschaft angekommen, hielt der Regimentskommandeur eine feurige Ansprache, ermahnend zur Tapferkeit, zur moralisch gesitteten Haltung usw.

      Den Abend benutzten die meisten noch zum Abschiednehmen von Bekannten oder auch vom Liebchen. Andere, und hierzu gehörte ich, schrieben Abschiedsbriefe an die Angehörigen, wußte doch keiner, ob er je die Seinen wiedersehen würde. Das dabei mancher Briefbogen naß wurde, ist wohl nur zu natürlich.

      Am 25. Juli, mittags 12 Uhr, wurde die Eskadron aus den Ställen gezogen und rangiert. Ich ritt wie immer, weil ich in der Garnison dem kleinen Schwadronschor als Hoboist angehörte, mit an der Spitze. Dann ging’s durch die Stadt hindurch mit dem Marsch: „Muß ich denn zum Städtle hinaus“, nach dem Bahnhof.

      Dabei zeigte es sich aber so recht, wie lieb die Bewohner von Langensalza „ihre Ulanen“ hatten. War das ein Hochrufen, ein Hutschwenken, ein Rufen nach Wiederkommen, jedem von uns schlug das Herz höher. Zugleich aber muß es auch rühmend erwähnt werden, daß die Stadt uns später mehrfach mit Liebesgaben bedacht hat, die wir, derselben recht bedürftig, dankbar verzehrten, wogegen unsere Landeskinder uns vergessen zu haben schienen, obwohl fast der III. Teil des Regimentes Weimaraner waren.

      Das „Einschiffen“ am Bahnhof war recht schwierig, denn die meisten Pferde waren störrisch und mußten mit Gewalt in die Wagen gebracht werden. In unserm Zug sollte nach der Berechnung 11/2 Eskadron untergebracht werden, das stimmte aber schon nicht, denn als die Maschinen unter dem Jubel der anwesenden Menschenmasse das Abfahrtsignal gaben, würgten die beiden uns trotz allen Pustens nur ca. 1 Kilometer weit, dann mußte ein Teil Wagen auf der Strecke stehen bleiben, um von einer Maschine bis Ballstedt bezügl. Gotha nachgeholt zu werden.

      Die ganze Fahrt war eine reine Triumphfahrt, da erst sahen wir, was für ein Geist das deutsche Volk beseelte. Wie wetteiferte das Volk in Ehrenbezeichnungen für diejenigen, die in strotzender Jugendfrische begeistert hinauszogen in den Kampf für des Reiches Ehre. In Gotha standen die Gymnasiasten am Bahnhof, uns allen Bier und Brötchen überreichend (ein großer Teil unseres Regiments bestand aus Gothanern). In Meerholz gab es Zigarren in Fülle und vollends am Rhein, hier standen an jedem Bahnhof große Fässer mit Wein, und wir brauchten nur mit den Kochgeschirren hineinzuschöpfen. Der Effekt war, daß wir zuletzt zumeist total betrunken waren und von der Fahrt in der letzten Nacht nicht mehr viel wußten.

      Da wir der aufzustellenden III. Armee (Südarmee) unter dem Oberbefehl des Kronprinzen, „Unserm Fritz“, zugeteilt waren, zu welcher das 5. und 11. preußische Armeekorps, die Bayern, Württemberger und Badenser gehörten, war unser Ziel zunächst Landau in der bayrischen Pfalz, nahe der Grenze.

      Im freien Felde, 3 Uhr früh am 27. Juli, bei totaler Finsternis, ohne Licht und ohne Ausladerampe, unter Zuhilfenahme von allerhand Materialien, geschah das Ausladen. Es durfte irgend welcher Lärm nicht gemacht werden. Nachdem wir glücklich unsere Pferde und Gepäck auf einem anliegenden Kleestück untergebracht hatten, wurde unter denkbar erschwerenden Umständen gesattelt, auch wurde von hier aus sofort eine Patrouille nach der Grenze zu abgeschickt (Gefr. Läpp).

      Als wir uns dem ca. 1 Stunde entfernten Dorfe Essingen, unserm zugewiesenen Quartier, bei Tagesanbruch nahten, wurden wir von der gut bayrischen Bevölkerung mit hellem Jubel begrüßt und in die Quartiere geleitet.

      Der Schulze des Ortes, bei welchem wir zu dritt einquartiert waren, trug uns, nachdem die Pferde besorgt, sofort ein tüchtiges Frühstück auf und erzählte hierbei, in welcher Angst die Grenzbevölkerung bis jetzt gewesen sei. Zwölf Tage seien vorüber seit der Kriegserklärung und noch kein Preuße habe sich sehen lassen, blos die Bayern ständen in Friedensstärke an der Grenze entlang.

      Die Bevölkerung sei deshalb in der Erinnerung der schweren Zeiten, welche die Pfalz durch die Franzosen erduldet hatte, in begreiflicher Aufregung, man verliere schon das Vertrauen zu den Preußen usw.

      Wir konnten den guten Mann nur beruhigen mit der Aussicht, daß in 24 Stunden das ganze 11. Armeekorps in Landau sein und es von Preußen wimmeln würde, worauf der Mann nur ein von Herzen gehendes „Nun Gott sei Dank, dann fühlen wir uns sicher!“ ausrufen konnte.

      Das schöne Frühstück aber hat er uns noch in die Packtaschen stecken müssen, denn im Augenblik ertönte bei strömendem Regen das Signal „Alarm“. Wir natürlich glaubten, die Franzosen ständen schon vorm Orte und sputeten uns natürlich nicht wenig.

      Aber es war anders.

      Bei weiter strömendem Regen ritten wir aus dem Orte hinaus nach dem za. 2 Stunden entfernten Landstädtchen Zeiskamm, wo sich außer anderen Truppen am andern Tage das ganze Regiment zusammenfand.

      Am 29. Juli mittags erschien Se. Königl. Hoheit der Kronprinz, um Quartier hier zu nehmen. Der liebenswürdige hohe Herr ritt vor seinem Stabe her, die kurze Holzpfeife rauchend; wir natürlich, gerade mit Pferdeputzen beschäftigt, eilten an die Straße. Ich stand mit Kamerad Zimmermann dort, welcher in der Hand seine hübsche geschnitzte Tabakspfeife hielt. Da mit einemmale kommt der Kronprinz auf uns zu geritten und redet Zimmermann liebenswürdig an: „Hast eine recht schöne Pfeife mein Sohn, hast du dich aber auch mit Tabak vorgesehen?“ Prompte Antwort: „Zu Befehl, Königl. Hoheit.“ Esel wir, sagten wir uns hintennach, hätten wir doch nein gesagt, ich glaube, der Kronprinz hätte uns von seinem Vorrat etwas zukommen lassen.

      Im Nebengehöft ist ein Mann der 3. Eskadron damit beschäftigt, seinen rostigen Säbel zu putzen, indem er denselben in der bekannten Weise zwischen Brust und eine Wand stemmt, mit einem Putzlappen tüchtig wienernd. „Unser Fritz“ sieht ihm unbemerkt ein Weilchen zu und ruft ihn an: „Jetzt ist Krieg mein Sohn, da ist putzen so sehr nötig nicht.“ Freilich hat es uns nichts geholfen, wenn wir uns später gern einmal auf dieses Wort berufen mochten. So zog er seine Straße weiter.

      Am Abend kommt ein großer Wagen mit Bier im Orte an und hält in den Anlagen vor der Wohnung Sr. Königl. Hoheit. Wir alle, des billigen Weines überdrüssig, schnell dahin, um ein Glas Bier zu bekommen.

      Der Kronprinz, auf dem Balkon des Hauses stehend, sieht dies, schickt seinen Adjutant herunter, läßt den ganzen Vorrat kaufen und schenkt ihn uns als Abendtrunk mit der Aufforderung, zu singen. Das war natürlich einmal ein gern gehörter Befehl. Bekannt ist, daß die Frau des Hauses in dieser Nacht einen Sohn gebar, bei welchem der Kronprinz Patenstelle angenommen hat. Als er später schwer krank auf der unfernen Mainau lag, besuchte ihn der Junge und gab auf die Frage, was er einmal werden wolle prompt Antwort: „Soldat, wie mein Herr Pate.“

      Bei Zeiskamm sollte Exerzieren stattfinden, damit sich Mann und Pferd an die Kriegsformation gewöhnen konnten. Als wir am 29. Juli auf die dazu bestimmten Wiesen kamen, ließ Rittmeister von Stockhausen die Eskadion in Zügen auflösen und gab den Zugführern auf, die zugekommenen rohen Ackerpferde erst in ruhigem Schritt an das Glied zu gewöhnen und erst später in einen langsamen Trab überzugehen.

      Unser Führer, Premierleutnant Fleischer, einer der damals bekanntesten Herrenreiter, war jedoch anderer Ansicht, Kaum 100 Schritt geritten, kommandierte er