Dunkle Seite - Mangfall ermittelt. Harry Kämmerer

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Название Dunkle Seite - Mangfall ermittelt
Автор произведения Harry Kämmerer
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783862222964



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Anzeige folgt noch. Außer die Leute von den BMB überlegen es sich nochmal anders und verzichten auf die Anzeige. Wobei die Kollegen meinen …“ Er bricht ab und dreht sich zur Tür, durch die gerade ein Anzugmensch ins Präsidium stürmt. „Wo ist mein Mandant?“, bellt er den Polizisten an.

      „Ganz ruhig. Wer sind Sie?“

      „Rechtsanwalt Dr. Hassberger. Wo ist Herr Hassberger?“

      „Steht vor mir, nehm ich mal an?“

      „Lassen Sie die Witze! Bert Hassberger. Also?“

      „Zelle 2. Einen Moment Geduld bitte. Ihr Ausweis?“

      Genervt sucht der Mann seinen Ausweis heraus und schiebt ihn über den Tresen. Andrea wirft dem Anzugheini einen scharfen Seitenblick zu.

      „Sie warten hier!“, weist der Beamte die beiden an und deutet einem Kollegen an, seinen Platz hinter dem Tresen einzunehmen. Er verschwindet durch eine Seitentür.

      Kurz darauf ist er zurück. Im Schlepptau: Paul und einen zotteligen Langhaarigen in bunten Ethnoklamotten.

      „Hey, Andrea, gut, dass du kommst! Deine Kollegen würden uns gerne noch länger hierbehalten.“

      Jetzt sieht der Rechtsanwalt Andrea schräg an.

      „Mangfall, Mordkommission“, stellt sie sich vor.

      „Aha.“ Er deutet zu dem Hippie. „Mein Bruder.“

      Andrea versucht, die beiden Typen – Anwalt und Batik-Man – unter einen Hut zu bekommen. Gelingt ihr zumindest optisch nicht.

      „Das ist Bert“, sagt Paul. „Er war bei der Aktion dabei. Ich sag dir, das war voll krass, wie wir losgelegt haben, da haben die Typen …“ Andrea hebt warnend den Zeigefinger. „Schweig, kleiner Bruder.“

      Der Beamte reicht Andrea und dem Anwalt Papiere zum Unterschreiben. Dann gibt er den beiden Delinquenten ihre persönlichen Gegenstände zurück.

      „Die Nacht ist noch jung“, meint Bert draußen vor der Wache und grinst.

      Sein brüderlicher Rechtsbeistand schüttelt den Kopf. „Bert, du gehst jetzt nach Hause. Ich hab’s langsam dick, dich immer wieder bei der Polizei abzuholen.“

      „Hey, es gibt Demonstrationsfreiheit.“

      „Ja, bei angemeldeten Demos. Und Hausfriedensbruch gibt es auch. Irgendwann krieg ich dich da nicht mehr so einfach raus. Dann sitzt du ein bisschen länger in deiner Zelle. Arbeitet endlich mit legalen Mitteln gegen diese Typen! Das wäre für mich und auch für dich stressfreier. So, ich muss los. Ciao.“

      Bert lacht und sagt zu Paul. „Es ist nicht das Schlechteste, wenn wenigstens einer in der Familie einen ordentlichen Beruf hat.“

      „Wem sagst du das?“, meint Paul und grinst Andrea an. „Boh, ich hab einen Wahnsinnshunger.“

      Kurz darauf sitzen sie im Paulaner im Tal und warten aufs Essen. Andrea ist nur deswegen dabei, weil sie Paul heute nicht mehr aus den Augen lassen will. Und beinahe wäre ihr rausgerutscht, dass Bier jetzt nicht gerade das zum Anlass passende Getränk ist. Aber was soll das? Die zwei sind erwachsen und sie sind nicht aufgegriffen worden, weil sie besoffen oder bekifft waren, sondern weil sie gegen eine rechte Partei protestiert haben. Das ist ehrenwert. Macht nicht jeder. Die haben sich ihr Bier redlich verdient. Auch wenn sie gar nicht happy ist, dass Paul jetzt schon wieder mit anderen Polizisten als mit ihr Kontakt hat.

      Paul stürzt sich halbverhungert auf seinen Schweinebraten und Bert attackiert einen Berg Kasspatzn. „Nichts mit Gesicht“, hatte er beim Bestellen gesagt und ihnen einen langen Vortrag gehalten über Fleischüberproduktion und vegetarische Küche. Und er redet auch beim Essen weiter wie ein Wasserfall, mit wenig appetitlichen Käsefäden im Mundwinkel.

      „Und du hast Paul da reingezogen?“, fragt Andrea schließlich Bert und bereut das Suggestive ihrer Frage sofort.

      Aber Bert bleibt ganz cool. „Wir haben uns auf einer Anti-Pegida-Demo vor ein paar Wochen kennengelernt. Und Paul fand unsere Ansätze interessant.“

      „Das hast du mir nie erzählt, Paul. Also, dass du demonstrieren gehst.“

      „Tja, jeder hat so seine Geheimnisse.“

      „Und, wer seid ihr, Bert? Also, seid ihr eine Partei, ein Verein?“

      „Kein Verein, keine Partei, ein loser Verbund. Wir nennen uns PIA – Politisch Interessierte Antifaschisten.“

      „Hui, das klingt aber oldschool.“

      „Oldschool ist nicht immer schlecht.“

      Andrea nickt. Da hat er recht. „Und, was genau macht ihr?“

      „Wir setzten uns inhaltlich mit rechten Parteien auseinander, durchleuchten ihre Programme, Ziele, informieren die Öffentlichkeit, posten Informationen und Hintergrundberichte in Sozialen Netzwerken und demonstrieren im öffentlichen Raum. Es ist wichtig, Gesicht zu zeigen, offen zu sagen, dass man sich nicht alles tatenlos anschaut. Es ist wichtig, den Leuten einen Blick hinter die Fassade dieser angeblich wohlmeinenden, besorgten Bürger zu ermöglichen.“ Er schnauft auf und schiebt sich eine weitere Gabel Kasspatzn in den Mund.

      Andrea nickt wieder. Ja, das kann sie unterschreiben. „Und was machst du genau, also hast du eine bestimmte Funktion bei diesen PIA?“

      „Ich bin eigentlich kein Mann für die erste Reihe, ich bin Computerspezialist, Entwickler bei einem kleinen Software-Unternehmen. Die Rechten machen heutzutage ihre Propaganda hauptsächlich übers Internet, also muss man sich vor allem die Sozialen Medien genau ansehen, um zu wissen, was die da treiben, wie sie funktionieren. Wir versuchen dann, Kampagnen gegen die Rechten in diesen Medien zu fahren. Das ist mein Job, also vor allem die technische Seite.“

      Andrea nickt und sie bestellen noch einen Schnitt, bevor sie aufbrechen.

      „Hey, was denkst du?“, fragt Paul auf dem Heimweg.

      „Dass du besser aufpassen musst, wenn du nicht willst, dass die Polizei dich gleich wieder einlocht.“

      „Hey, komm, da kenn ich dich aber anders. Früher warst du eine glühende Grüne, die für jeden Misthaufen auf die Straße gegangen ist. Und die Polizei war dir damals ziemlich wurscht.“

      Sie lacht. „Da hast du ausnahmsweise mal recht.“

      Rot und Grün

      Tom starrt an die Decke. Scheißkrankenhaus. Die grünen und roten Lämpchen im nächtlichen Zimmer. Grün. Rot. Grün. Rot. So lange schon. Kommt ihm ewig vor. Es geht ihm eigentlich schon ganz gut. Nur Prellungen, eine Platzwunde an der Stirn, ein paar Schürfwunden. Fast schon wieder alles im grünen Bereich. Ein paar weitere Tage wird er aber noch dranhängen. Professor Zauner hat ihn nachdrücklich gebeten, noch etwas zu bleiben für seine Forschungsreihe zu posttraumatischen Belastungsstörungen und ihren physischen Implikationen. Ja, er hat eingewilligt. Denn Zauner hat ja recht. So glimpflich er davongekommen ist, so hat er sich doch noch nie so schwach und verletzlich gefühlt. Psychisch wie physisch. Da ist zweifellos Aufbauarbeit nötig. Da kann er professionelle Hilfe brauchen.

      Andrea ist da ganz anders gestrickt. Die hat es kaum zwei Tage hier ausgehalten. Ein paar Tage bleibt er noch. Aber die Zeit dehnt sich endlos hier. Und Andrea ist heute nicht vorbeigekommen, sie hat nicht einmal angerufen. Und er hatte tatsächlich die romantische Vision gehabt, dass sie zusammen ein Zimmer … Was für ein Quatsch!

      Jetzt denkt er wieder an den Typen, der ihn vor die U-Bahn gestoßen hat. Der ist jetzt tot. Gute Sache. Tom erschrickt selbst über sein hartes Urteil. So darf man nicht denken, oder? Doch, geschieht ihm recht. Der Typ hat ihn vor den Zug gestürzt und Andrea entführt! Und vorher schon zwei Leute umgebracht. Irgendwer hat ein gutes Werk getan, ihn zu überfahren. Unfall oder Absicht? Josef hat ihm heute am Telefon von einer weiteren Person erzählt, die in der Quiddestraße überfahren wurde. Derselbe Tat-hergang. Wenn man das so nennen kann. Sehr sonderbar. Er selbst interessiert sich vor allem für das erste