Название | Das Grimmingtor |
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Автор произведения | Paula Grogger |
Жанр | Исторические любовные романы |
Серия | |
Издательство | Исторические любовные романы |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783990402641 |
Die Kinder zählten eben vor dem Irdninger Stand ihre Kreuzer zusammen, weil sie sich für das rare Spektakel mit einem Lebzelten erkenntlich zeigen wollten, da sah der Kramer, hinter den Tisch tretend, daß die Pipe das letzte Brünnlein Met vertropfte. Er fragte nicht lange, legte den schmalen, krummbeinigen Buben überzwerch und prügelte mit der harten Faust auf den Hosenboden. Hansei gab keinen Laut; rutschte steif wie ein Toter zur Erde. Baß entsetzt drehte ihm der Kramer das Gesicht nach oben, zwängte die Finger in den bleichen Mund, verhieß ihm Wachsstöcke, Butterkrapfen, Hönigwecken, Bärendreck und wächserne Tauber … Hansei rührte sich nicht.
Als die Hausmütter nach Opfergang und Kommunion heimeilten, hörten sie ein lästerliches Geschimpf. Und als der Mesner vor dem letzten Segen abermals beim Bäcken um glühende Kohlen zusprach, hörte er den bedauernswerten Mann schelten, als wäre er kein Wachszieher, sondern der leibhaftige Antichrist. Immer mehr Kirchleute scharten sich um den Stand. Die Kinder gafften mit Maul und Augen. Die rundliche Stralzendirn blieb auch stehen, schaute dumm und scheinheilig; und Matthäus auf ihrem Arme glich einem Blasengel, was vor einer Viertelstunde erst vom Himmel gefallen.
Also traf Herr Andreas Stralz, aus dem Freithof kommend, den Irdninger Lebzelter von einem Menschenschock völlig umzingelt, dieweilen der Gröbminger Zuckerlkramer, jeglicher Kundschaft bar, trübsinnig aus seinem Stande spähte.
»Seind schlechte Geschäften«, bemerkte Andreas Stralz, im Glauben, die Bauern mieden den Mann, weil er ein französischer Emigrant war. Derselbige nickte, haspelte nach Worten und brachte endlich in gebrochenem Deutsch die Mitteilung zustand, daß der Nachbar auch nicht zu beneiden sei. Er habe ebenitzt einem Kinde die Wirbelsäule eingeschmettert.
Vater Stralz lächelte, denn es war bekannt, daß der Franzose sich an der steirischen Mundart oft ganz ergötzlich verhörte. Alsdann zog er den Geldbeutel und rief nach den Schulkindern, um sie, wie stets an hohen Kirchenfesten, mit einer Näscherei zu beschenken. Allein weder Bub noch Dirnlein folgte. Vielmehr öffnete sich langsam der Menschenkreis und schlang ihn ein, bis er wie von selbst unter das Irdninger Zeltdach kam und sehen mußte, daß der Bäckenhansei de facto stumm auf dem Boden lag. Über ihn geneigt, krebsrot im Gesicht und heiser vom Schelten, bemühte sich der Kramer aus Leibeskräften, den Hansei als Spitzbuben anzuklagen, an dem er gerechte Justiz geübt habe. Er schwor in seiner Verzweiflung falsche Eide und glaubte sie auch.
»Du hast meinen Met auslassen!« schrie er zu wiederholten Malen. »Gesteh’s, oder ich erschlag dich ganz, Malefiznigel, elendiger!«
Doch Hansei rührte sich nicht. Die Kinder, im Bewußtsein ihrer Unschuld, stunden wie Steinklötz. Endlich sagte eines: »Er hat sein Herz auf die gefehlte Seite geschupft und bringt es nimmer zurück.«
Etliche Weiber huben zu kichern an. Halbwüchsige Burschen stießen einen Lacher aus. Sie wurden jedoch bald stille, weil der Bader und der Torbäck erschienen. Der Torbäck brachte zufolge seiner amtmännischen Befugnis schon den Schlüssel zur Totenkammer, sagend, daß solche Missetat mit dem Galgen bestraft werde. Der Kramer warf sich in die Knie. Etliche Weiber jammerten laut. Und das Kindsgevölk überbot alles an Geschrei und beteuerte unabläßlich:
Dem Hansei wäre nur das Herz steckengeblieben. Aber Met gestohlen habe er keinen nicht.
Seltsam! Als der Bader sich neigte und dem Buben die magere Brust abhorchte, mußte er zugeben, daß rechts von der Magengrube ein taktes Klopfen vernehmlich sei.
»Leib und Seele wären annoch beisammen«, sagte er, stund auf und holte sein Schröpfmesser.
Der Kramer schlotterte noch. Aber der Mut und der Zorn wuchsen ihm bei diesem tröstlichen Worte. Er zeterte schäumend:
»Und gewesen ist er’s doch!«
»Alsdann rait zusammen«, sagte Vater Stralz plötzlich. »Wieviel ist die Schuldigkeit? Fünfzig Lebzeltwützel, ein Fassel Met. Und ein Hönigbacht für den Gaukler … wann er sich erhebt.«
Kleine schmutzige Kinderhände tatzten ungeduldig und keck durcheinander. Viele Küßlein schnalzten über den breiten Siegelring des Herrn Wohltäters. Der Kramer selbsten schob das Hönigbacht dem Hansei vor das starre Gesicht. Ein Weib sprengte Essig, eines Brunnenwasser. Half alles nichts, der Hansei lag stumm … wie gestorben.
Nachdem das letzte Schulkind abgespeist war, drängte sich die Kindsmagd mit dem Matthäus zum Stand, einmal weil sie sich auch einen Zelten verhoffte, in der Hauptsache aber, weil sie den Herrn Vater schon zwei Stunden lang mit einer wichtigen Botschaft verfolgte. Sie hatte aber kaum den Mund geöffnet, als sein linkes Auge gleichsam einen Blitzstrahl über den Stammhalter warf.
»Der hat’s tan!« sagte er und haute der Kindsmagd eine Dachtel herunter und seinem Blasengel auch eine.
O Mirakel! Da rutschte das Herz des Bäckenhansei jählings auf den richtigen Ort. Essigbauschen, Wasserkrug und Hönigbacht flogen hintan. Als der Bader mit dem Schröpfmesser anrückte, sah er gerade den Hansei mit langen knieweichen Hüpfern aus dem Zelt entrinnen.
Andreas Stralz zog den Hut grüßend gegen die Herren und Bauern und ging, wie es seine tägliche Gepflogenheit war, bis zum Zwölfuhrgeläut spazieren. Als er heimkam, eilte ihm die Buglmüllerin entgegen und brachte endlich die Botschaft an, welche die Kindsmagd aus begreiflichen Gründen vergessen hatte. Item, Mutter Constantia hatte ihr zweites Kind geboren. Es war wieder ein Sohn, zehn Pfund im Gewicht, fest und stämmig, nicht ganz dem Bruder gleich, aber auch recht eigen. Er lag stundenlang beschaulich, machte die Fäuste und den Mund nicht auf, duldete kein Federbett, kein Wiegengeschaukel und bewog seinen Göden, den Herrn Matthäus Ennshofer, zu dem Glauben, daß er einen künftigen Mann Gottes vor sich habe. So fuhr er den Säugling zweispännig in die Kirche, und Pater Laurentius Perger hat ihn alsbald getauft und mit einem ausgiebigen Gusse Weihbrunn dem Schutz des Evangelisten Markus anheimgegeben, dessen Tag über seiner Geburt gestanden hatte, und dessen nomen sonder Zweifel ein omen war.
Alldieweil gingen die Zeitläufte weiter, nahmen wenig Bedacht auf den Willen und Wunsch des einzelnen Menschen. Die alten Leute meisterten eigensinnig an den jungen herum, aber die jungen wurden doch so, wie ihre natürlichen Anlagen es bedingten. Die Bauern stopften Rüben; doch ein Jahr gerieten sie; im andern wurden sie faul. Und die großen Herren, Kaiser und Könige, schlugen sich Karten auf, aber es stunden die Bilder selten nach ihrem Sinn; es deckte oft die Hochzeit ein Todesfall und den Geldsack der Krieg. Es ist in jedem Dinge, das wir in der Hand halten, ein unerforschliches, vielleicht unbarmherziges Gesetz. Das gebietet und macht unsere Weisheit zuschanden.
Solches mußte auch die junge rundliche Kindsmagd gespüren, die beim Stralzen diente. Sie hatte an dem dickschädligen Buben drei Jahre lang ihre Kunst probiert, hatte zwanzig Gulden erspart und wollte nun selbsten einen Hausstand gründen. Da brachen die Franzosen über die Grenz, und der Schulmeister Joseph Hatzy legte sich im Neumarkter Feldlazarett zum Absterben. Das war ein großer Herzenskummer für die Dirn. Auch die Öblinger Kinder flennten. Allein noch am selben Tage, dawo Pater Laurentius Perger die betrübliche Nachricht von der Kanzel aus bestätigte, schmissen sie ihre Federspatel, Tafel und Schreibtheke in den Walchenbach und vermeinten, daß sie nun in alle Ewigkeit nichts mehr zu lernen brauchten.
Es verging auch wirklich der halbe Frühling, ohne daß der Admonter Prälat einen Nachfolger schickte. Pater Laurentius schrieb einen dringlichen Brief nach dem andern und wurde zuletzt in eigener Person beim Stifte bittlich.
Als