Название | Das Grimmingtor |
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Автор произведения | Paula Grogger |
Жанр | Исторические любовные романы |
Серия | |
Издательство | Исторические любовные романы |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783990402641 |
Da sie voreinander nichts zu verbergen hatten, trugen sie ihre Sache gemeinsam aus, und der Amtmann Joseph Salzinger entledigte sich vorerst in langsamer und etwas abgehackter Art der schuldigen Danksagung für die Orgel sowie den schönen, reich vergoldeten Kelch aus der Hauskapelle von Gstatt, dabei nochmals die gnädige Fürsorg hervorhebend, welche das Stift ihnen bewiesen, als es Anno Domini 1784 ihre Pfarre durch einen eigenen Seelenhirten habe selbständig gemacht.
Der Prälat hörte in aufrechter Haltung, aber müder Gebärde zu, weil er der Jüngste nicht mehr war. Und weil er überdies als guter Menschenkenner gar wohl wußte, daß der biedere Magister und eigentliche Urheber den längst verjährten Passus nur angehängt hatte, um der Rede des Bäcken einen schwungvollen Abschluß zu geben. Auf dem ovalen Tisch aus Ebenholz lag das goldene Ordenskreuz der Benediktiner sowie ein dickes Betbuch, zufällig aufgeschlagen, und zeigte links in einem fein gearbeiteten Stich den König David, wie er, vor der Bundeslade kniend, die Harfe zupft; auf der rechten Seite war in rotem lateinischem Druck zu lesen: Horae Diurnae Breviarii monastici. Daselbst ließ er den Blick ein wenig rasten, legte nachher an irgendeiner Buchstelle, welche nicht verblättert sein durfte, das Merkzeichen ein und pflog gemäß seiner Angewöhnung und Höflichkeit mit dem und jenem eine kurze Unterhaltung, die so übel nicht ausfiel, zumal die Bauern hinsichtlich des weitläufigen admontischen Besitzes oft besser Bescheid wußten wie der Pfleger; füglich dessen Gotthard einem einzelnen Mann auch keine unbillige oder maßlose Zumutung stellte.
Als die Reihe den Schulmeister traf, wurde die Geschichte heikel, weil ein paar Öblinger, kaum daß er den Mund aufmachte und sein Anliegen in gesetzter Form ausbreiten wollt, schon baß zu murren begannen und Se. Exzellenz, der Prälat, ihm lächelnd erklärte, er sei durch Pfleger und Pfarrer hinlänglich und genau unterrichtet, und es hätten ihn außerdem der Wachter und der Totengräber mittels eines Gesuches um ebensolche Guttat und christliche Beihülf angegangen.
Raimund Winkler, der während seines mehrjährigen Aufenthaltes im Dorfe ein Schwarzseher geworden war, faßte den Widerspruch der Bauern wie auch der Obrigkeit als puren Haß auf. Doch er hätte bedenken müssen, daß Menschen, die alsogleich grob werden, selten hassen können, weil sie ja das entstehende Gift mit großer Deutlichkeit und Kraft von sich geben. Er hätte ferner auch bedenken müssen, daß aus dem geistlichen Patron viel eher leise Ungeduld denn Feindschaft gesprochen hatte, indem der Abt, ein kluger und für seine Zeit auch weitschauender Mann, nur den kleinlichen Geschäften abhold war, weil er durch Herkunft und Beruf davon verschont geblieben. Andererseits darf die Verbitterung des Schullehrers nicht unberechtigt genannt werden, weil sein Stand damals in abhängigstem Verhältnis und wirklich der persönlichen Willkür eines Schutzherrn sowie der Ortsbewohner schmählich ausgesetzt war.
Raimund Winkler enthielt sich nunmehr jedes Wortes. Sein glattrasiertes Gesicht bekam einen scharfen, spitzigen Zug. Er blickte hartnäckig zum vergitterten Fenster hinaus in den herbstlichen Schloßgarten, wo die gelben Pappelblätter, kleinen Fallschirmen vergleichbar, kreisend niederfielen. Manchmal verirrte sich eines bis zu den Gatterstäben oder bis zu den Füßen des Prälaten. Dieser hatte ein Notiztäfelchen aus weißem Bein zur Hand genommen, wo er in lateinischer Schrift einiges aufmerkte. Der Pfleger und der Pfarrer, denen die Stille peinlich war, schritten lautlos, aber nichtsdestoweniger geschäftig daran, die Amtspapiere für die Durchsicht bereitzulegen, und als sie dabei unversehens einen Türflügel offen ließen, fuhr eine heftige Zugluft über den Tisch, welche das Brevier verblätterte und das Merkzeichen mit dem gestickten Dornenkranz auf die eingelegte Diele warf.
Weder der Berghammer noch der Torbäck, der Stralz oder sonst einer rührte sich. Sie waren allesamt nicht dazu angelernt worden, etwas vom Boden aufzuheben.
Dann geschah das Merkwürdige sehr schnell und sehr unauffällig. Der Prälat und der Schulmeister sahen sich mit einem Blick gemessen an; Spott in dem geistlichen, Trutz in dem weltlichen Antlitz. Dann hatte sich jeder in der Gewalt, und jeder bückte sich. Über der zart gestickten Dornenkrone hatten sich ihre Hände kurz und absichtslos berührt, vielleicht war dieses Ursach ihrer Versöhnung. Denn der Abt sagte hierauf, seine Worte fein betonend, mit einem Hinweis auf das Merkzeichen:
»Ich danke Ihm, das Bücken kömmt uns beiden zu!«
»Sakra!« meinte der Sebastian Zedler und stupfte seinen Schwäher mit dem Ellbogen. Aber der Stralz schaute gleichmütig aus seinem linken Auge und tat, als habe er nichts gehört.
Nach diesem Zwischenfall netzte Gotthardus seinen Zeigefinger, so mit einem einfachen, jedoch sehr wertvollen Ring geschmückt war, und löschte die lateinischen Worte auf dem Notiztäfelchen aus.
Ob und wie lange der Magister beweibt sei, frug er mit jener gewissen weltentrückten Befangenheit vor allem Familiären, welche den internen Geistlichen von einem Pfarrer so scharf unterscheidet. Der Lehrer gab an, daß er im dreizehnten Jahre seines Ehestandes, nunmehr aber verwitwet sei und für fünf Köpfe zu sorgen habe, das älteste Töchterl, die Regina nämlich, nicht mitgezählt, da diese bereits beim Stralzen in leichtem Dienste stünd.
Warum er das Kind von sich ließe, erkundigte sich Gotthard, es gebe ja wohl der eigene Haushalt zu tun im Überfluß. »Das schon«, sagte Raimund Winkler nachdrücklich, doch er habe sich dafür sein zweites Töchterl, die Ursula, abgerichtet, zumal sie auch schon neun Jahre alt werde und die Regina, an die gute schmalzige Kost gewohnt, nicht mehr heimwölle.
Solches wär ganz richtig, sprach der Bäck im Tore, und der Bader Gasteiger, welcher in seiner Raschheit nichts erwarten konnte, machte mit allem schuldigen Respekt dem Abte klar, daß der erbetene Zuschuß an Grund und Vieh für den guten Magister höchst notwendig sei.
Er habe nichts dagegen, erwiderte Gotthardus. Aber die vier Kirchenpröpste, so von ihren zu fernst auf dem Berg gelegenen Höfen jederzeit das Neue spinnefeind ansahen, taten den Einwurf, daß der Winkler ohnedem genug geschenkt bekäme, und der alte Berghammer, welcher törrisch war, glaubte, es ginge gar von einem neuen Schulbau die Red, schüttelte aus diesem Grunde eigensinnig den Kopf und stieß einen Brummler nach dem andern aus.
Wegen was sie alsdann das viele sündteure Schulgeld blechen müßten, frug der Bauer im Strasserberg, wo sie doch aus purer Gutwilligkeit dem Schulmeister was zu verdienen gäben; denn die gedruckten Bücheln und die spitzfindige Gelahrsamkeit brächten oft Schaden an Leib und Seele, und mancher hätte sich mit solchem Zeug den hölledigen Teufel auf den Buckel geladen.
Pater Isidor und der Pfleger, welche soeben mit einem Stoß Schriften ins Zimmer traten, fanden, daß der Diskurs sich hitzig anließ, und es nahm sie gar nicht wunder, daß der Prälat aus seiner nachdenklichen Miene plötzlich auffuhr und mit Gereiztheit frug, ob denn in Gottes Namen keine Belege vorhanden seien über das tatsächliche Einkommen des Magisters.
»O gewiß«, sagte der Pfarrer gelassen. Er war ein herzensguter Mensch, dem niemand böse sein konnte und der in seiner abgeklärten Stille von keinem nennenswerten Kummer bedrückt war, jedem das Seinige gönnte und sich selbst auch. So hatte er denn zufolge seiner besonderen Eigenschaft, alle Geschäfte mit wenig Aufwand abzumachen und zu vereinfachen, soweit es anging, die Dokumente des Pfarrarchives mitgeschleppt und damit den Lauf der Handlung wesentlich gefördert. Er suchte, ordnete, hielt jedes Blatt weit von sich, laut die Überschriften lesend, und zog endlich unter dem Faszikel Schulsachen die Abschrift eines Steuerbekenntnisses hervor. Nach dieser von Raimund Winkler selbst aufgestellten Fassion betrug das Einkommen jährlich 157 Gulden 16 Kreuzer österreichischer Konventionsmünze, wovon 15 Gulden 16 Kreuzer als Grundertrag festgesetzt waren, die Naturalien beliefen sich im Geldwert auf 35 Gulden 70 Kreuzer. Das Schulgeld für etwa 90 Kinder, denn so wenig waren ihrer nur mehr durch den großen Abzug der Knappenfamilien, machte 106 Gulden 20 Kreuzer aus, wenn ihm, was gar selten der Fall war, 1 Gulden 18 Kreuzer für jedes Kind pünktlich ausbezahlt wurden.
Abt Gotthardus legte das Blatt nach zweimaliger Überprüfung auf den Tisch. Und Pater Isidor nahm es fort, fragend, ob man nunmehr die Sache als erledigt betrachten und mit der herrschaftlichen Zusage rechnen dürfe, zumal er nicht ohne Interesse daran beteiligt sei. Der Prälat schaute sehr verwundert auf. Konnte aber nicht umhin, bei seiner Bejahung zu lächeln, indem er, wie gesagt, ein Menschenkenner war und füglich erriet, daß Pater Isidor in Anbetracht