Meine Zeit in Nigeria: »Everything happens for a Reason«. Maritta Hermens

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Название Meine Zeit in Nigeria: »Everything happens for a Reason«
Автор произведения Maritta Hermens
Жанр Книги о Путешествиях
Серия
Издательство Книги о Путешествиях
Год выпуска 0
isbn 9783961456550



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er ins Telefon: »Ich will viel Geld in Nigeria machen! Mit den Armen verdient man kein Geld! Wenn Sie das nicht verstehen, dann suche ich mir jemand anderen!« Ich sagte nur: »Okay, machen Sie das« und legte den Hörer auf.

      Danach habe ich nie wieder von ihm gehört.

      Der Architekt rief mich kurz nach diesem Anruf an. Er hatte von seinem Kontakt in Korea gehört, dass ich es mir anders überlegt hatte und wollte mit mir sprechen. Ich erzählte ihm, dass ich lieber daran interessiert war, den Armen zu helfen und von dem, was ich gesehen und erlebt hatte. Wir tauschten unsere E-Mails aus und versprachen »in touch«, also in Kontakt zu bleiben. Ein paar Monate später bekam ich eine E-Mail von dem Architekten, dass er mit einigen Leuten gesprochen habe. Sie fänden meine Idee gut und wollten mitmachen.

      Ich flog danach noch mehrmals nach Nigeria bis alles soweit war, dass Karen und ich uns in Nigeria niederlassen konnten.

      Dies war der Anfang eines außergewöhnlichen und verrückten Abenteuers!

      Kapitel 1

       MOSES

      Wir hatten einen Beschützer in Afrika. Er lebte in Nigeria und hieß Moses. Wie alt er war, wusste Moses nicht genau, denn seine Mutter verließ ihn direkt nach seiner Geburt. Von da an kümmerte sich sein Großvater um ihn. Eines Tages, als er seinen Großvater fragte: »Wie alt bin ich?«, sagte dieser: »Genau weiß ich es auch nicht, aber ich denke, du bist jetzt vielleicht 15 oder 16 Jahre alt.« Seitdem zählte Moses jedes Neujahrsfest ein Jahr mehr zu seinem jetzigen Alter dazu. Er bedauerte es später sehr, dass in seinem Land seine Geburt nicht registriert worden war.

      Seit seiner Geburt lebte er zusammen mit seinem Großvater in einem kleinen Dorf im westlichen Teil von Afrika, in einem Land, genannt Nigeria. Sein Großvater war ein sehr geachteter Medizinmann, und viele Menschen in der Umgebung kamen zu ihm, um von ihren Krankheiten geheilt zu werden. Schon als kleines Kind lernte Moses die Namen und Heilkräfte von vielen Kräutern, Gewürzen und Gemüsesorten, die sein Großvater benötigte. Als Moses größer wurde, durfte er oft schon alleine die nötigen Kräuter suchen, die sein Großvater gebrauchte. Er wollte alle seine Heilkenntnisse an Moses weitergeben, so wie sein Vater es mit ihm gemacht hatte. Moses war ein sehr intelligenter, eifriger, fleißiger und wissbegieriger Schüler, fand sein Großvater, obwohl er nie zur Schule gegangen war. Dank seines Großvaters lernte er Zahlen und konnte ein wenig rechnen, damit er sich vor Betrügern schützen konnte. Die Menschen in Nigeria werden nämlich oft um ihr Geld betrogen, wenn andere merken, dass sie nicht lesen und rechnen können. Aber es kam nicht oft vor, dass Moses um sein Geld betrogen wurde, denn er kannte den Naira, das nigerianische Geld, sehr genau. Nur verdiente er in seinem Dorf leider nicht genug davon und wusste, dafür musste er in eine Stadt gehen.

      Zur Schule gehen war für Moses keine Wahl gewesen. Sein Dorf war zu klein für eine Schule, und um zur nächsten Schule zu kommen, musste er mindestens einen Tag laufen. Außerdem kostete Schule auch Geld, das sein Großvater nicht hatte. Dazu kamen dann auch noch Bücher, Bleistifte und Papier oder Schreibhefte, die es auch nicht umsonst gab. Diese Sachen waren viel zu teuer für jemanden, der nur wenig Einnahmen hatte. Moses war bewusst, dass er die Gelegenheit zum Lernen nur in der Stadt bekommen konnte. Da er auch sehr gläubig war, betete er jeden Tag und hoffte, dass irgendeine Hilfe von oben ihm helfen würde, in die Stadt zu kommen.

      Als er ungefähr 17 Jahre alt war, meinte sein Großvater, er solle heiraten. Es gab ein Mädchen in seinem Dorf, das zeigte ihm, dass er ihr sehr gefiel. Moses respektierte den Wunsch seines Großvaters und ging zu dem Dorfältesten. Er musste die Genehmigung von ihm bekommen, das Mädchen heiraten zu dürfen. Das war das Tribalgesetz (Stammesgesetz) und galt für jedes Dorfmitglied. Das Dorfoberhaupt gab seine Zustimmung, und Moses konnte heiraten. Innerhalb eines Jahres wurde er Vater eines Mädchens. Er nannte sie Queeny, in der Hoffnung, dass sie ein gutes Leben haben würde. Sie sollte mit diesem Namen so königlich behandelt werden wie eine richtige Königin.

      Moses nahm seine Pflicht als junger Vater sehr ernst. Nach dem Tod seines Großvaters ein Jahr später, entschied er sich, zuerst alleine in die Stadt zu gehen, um dort Arbeit zu finden. Ihm war klar, dass es nicht einfach werden würde. Seine Frau machte sich große Sorgen und war überzeugt, dass sein aufbrausendes Temperament ihm Schwierigkeiten bereiten würde. Wenn er auf andere Menschen traf, genügte eine kleine Provokation, und schon flogen seine Fäuste. Moses hatte nie gelernt, sein aggressives Temperament unter Kontrolle zu bringen. Als Kind wurde er oft gehänselt wegen seiner Segelohren, seiner angeblichen Hässlichkeit und seiner geringen Körpergröße. Wenn die Wut in ihm hoch kam, wurde sein Gesicht furchterregend. Die Augenbrauen zogen sich zusammen, die Augen blitzten vor Zorn, und seine Lippen pressten sich verbissen aufeinander. Oft sind die Kinder, und später auch so mancher Erwachsene, dann in Furcht vor ihm weggelaufen. Zeigte er aber sein strahlendes Lächeln, war sein ganzes Gesicht wie verzaubert. Dann wurden die Menschen in seiner Nähe davon anzogen, mussten mitlachen und freuten sich, bei ihm zu sein. Er zeigte sich dann von seiner anderen Seite, die freundlich, feinfühlig und amüsant war. Besonders liebten es die Dorfbewohner, wenn er anfing, überzeugende, aber auch fantasievolle Geschichten in seiner Tribalsprache (Stammessprache) und mit seinem muskulösen Körper theatralisch zu erzählen. Moses hatte sehr starke Muskeln bekommen, von der vielen Landarbeit und den Faustkämpfen mit einigen Dorfbewohnern. Das war auch der Grund, weshalb seine Frau Angst um ihn hatte. Moses schreckte vor niemandem zurück, egal, ob der Gegner größer war als er, gefährlicher oder aus der gebildeten Schicht kam. Seine Frau war sich sicher, dass er im Gefängnis landen würde, wie schon einige andere Dorfbewohner vor ihm, die in die Stadt gezogen waren.

      Moses war vielleicht 20 Jahre alt, als er den langen Bus- und Fußweg nach Abuja machte, der Hauptstadt von Nigeria, eine Stadt mit über 1 Million Einwohnern. Viele dieser Menschen waren auch auf Arbeitssuche, wie er sehr schnell herausfand. Verzweifelt versuchte er eine Arbeit zu finden, um endlich Geld zu verdienen. Er wollte nicht betteln, wie es viele machten. Dazu war er zu stolz. Da er sehr gut zeichnen konnte, verdiente er sich manchmal mit seinen Bildern ein paar Nairas dazu. Oft malte er die Natur, besonders gerne die Eule und andere Tiere, die er seit seiner Kindheit kannte. Er hatte sehr großes Talent, nur selbst wusste er das nicht. Einmal gab ihm ein Schuljunge einen Bleistift und ein Schreibheft. Moses war im siebten Himmel. Jetzt konnte er auf jeder Seite ein Bild malen und sie in einem Vorzeigeheft zusammenhalten. Er hoffte, dass er dadurch mehr Bilder verkaufen konnte.

      Außerdem musste Moses sich schnell bemühen, etwas Englisch zu lernen, denn nur wenige Leute verstanden seine Tribalsprache. Er fand sehr schnell heraus, dass die Menschen, die zur Schule gegangen waren, ein Englisch sprechen konnten, das fast jeder verstand. Deshalb lernte er in kürzester Zeit genügend englische Wörter, um sich bei der Arbeitssuche verständigen zu können. Jetzt vermischte er seine Tribalsprache mit englischen Wörtern, wie es auch viele andere Arbeitsuchende taten. Es gab sogar einen besonderen Namen für diese Sprache: »Pidgeon English«, also »Tauben Englisch«.

      Nach einigen Wochen in Abuja fand Moses endlich eine feste Arbeit als Wachmann. Er sollte ein zweistöckiges Gebäude, umgeben von einer hohen Steinmauer, bewachen. In dieser Gegend wurden viele solcher Häuser, die man Compound nennt, von Reichen oder Ausländern bewohnt. Die hohe Wand und der Wachmann sollten die Bewohner vor Einbrechern schützen. Für diese Arbeit wurde 10$ im Monat gezahlt. Das war viel mehr Geld, als sein Großvater oder er je verdient hatten. Er nahm den Job sofort an. Wohnung und Essen musste er von den 10$ selbst bezahlen. »Wie kann ich nur Geld sparen, wenn ich es für mich verwende?«, dachte er. Also schlief er in der ein mal einen Meter kleinen Wachstube hinter der hohen Hauswand und in Sprungweite zum Tor. Jetzt musste er nur noch Geld für Essen ausgeben. Er war für den Moment zufrieden. Manchmal bekam er auch etwas Essen von den Bewohnern des Hauses. Jetzt konnte er anfangen, Geld zu sparen, um seine Frau und sein Kind nach Abuja zu holen.

      Als Wachmann musste