Der Engel, der seine Flügel verbrannte. Markus Saxer

Читать онлайн.
Название Der Engel, der seine Flügel verbrannte
Автор произведения Markus Saxer
Жанр Публицистика: прочее
Серия
Издательство Публицистика: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783961450831



Скачать книгу

in ihren hohen, geschnürten Stiefeln. Als die Frau im schwachen Schein einer Laterne aus der Flasche trank, drehte sich die Gestalt wortlos zu ihr um und bohrte ihr die Daumen in den Hals. Dark Annie brachte nur noch ein Röcheln hervor. Die Flasche fiel ihr aus der Hand und zersplitterte auf dem Boden. Die Gestalt drückte noch fester zu, erwürgte die Hure fast und zwang sie auf den Boden. Dann kniete sie sich neben ihrem Opfer nieder, holte ein Messer aus dem Koffer hervor und schnitt Dark Annie mit kräftigen Schnitten die Kehle durch, so tief, dass sie ihr fast den Kopf abtrennte. Mit dem Messer in der Hand, von dessen Klinge Blut triefte, blickte sich die Gestalt um. Keine Zeugen in Sicht. Ausgezeichnet. Nun beugte sie sich vor und schlug Annie die Röcke hoch, um ihren Unterleib zu entblößen und sich an ihm mit dem Messer zu vergehen. Wie stets, wenn die Gestalt in Raserei und Blutrausch geriet, atmete sie in tiefen, schnellen Zügen, während ihre Hände ohne zu zittern ihr grausiges Werk fortführten und Haut wegschnitten, Organe und Gewebe hervorzerrten und über Annies Oberkörper drapierten. Als sie die Gebärmutter entfernt und im Koffer verstaut hatte, hörte die Gestalt das Geräusch einer sich öffnenden Tür. Sie stieß einen Fluch aus, stand auf und entfernte sich rasch mit ihrem Koffer. Augenblicke später hatte der Nebel sie verschluckt.

      Als John Davis an jenem feucht-kalten Septembermorgen aus der Tür seiner Unterkunft trat, gähnte und mit tief in die Stirn gezogener Schiebermütze die Treppenstufen herabstieg, war die Dunkelheit, die ihn umgab, fast undurchdringlich. Die wenigen Straßenlaternen vermochten den schmalen Hof hinter dem Haus nicht wirklich zu erhellen. Der betagte Dienstmann hatte schlecht geschlafen. Während er mit hochgeschlagenem Mantelkragen müde und fröstelnd einen Fuß vor den anderen setzte, spürte er, dass an diesem Morgen etwas nicht stimmte. Die menschliche Art hat sich genug Instinkte bewahrt, um die Anwesenheit von Bösem zu spüren. Irgendetwas in seinem Inneren flüsterte Davis zu, sich in Acht zu nehmen. Aber wovor? Obschon es zu jeder Tages- und Nachtzeit im ganzen East End nach Schlachthaus und Kanalisation stank, glaubte er, noch einen anderen Geruch wahrzunehmen, der ihm Angst einjagte, da er von einem verletzten Tier oder einem Menschen herrühren musste: den Gestank von Blut und Exkrementen. Mit geballten Fäusten näherte er sich vorsichtig der Quelle dieses Geruchs. Der jähe Anblick einer verstümmelten Frauenleiche, die mit gebrochenen Augen vor ihm erschien, raubte ihm den Atem. Schockiert starrte er auf sie herab, wie sie mit gespreizten Beinen einer Gebärenden gleich auf den Steinplatten lag, den linken Arm auf der linken Brust. »Hilfe!«, krächzte er tonlos. »Mord …« Von Übelkeit überwältigt sackte der alte Davis in die Knie und übergab sich.

      Die Gestalt stellte den Krug mit dem heißen, gebutterten Bier ab, mit dem sie sich nach der langen, aufreibenden Nacht stärkte. Die Standuhr schlug sechs Mal hintereinander, als sie im Kerzenschein den blutigen Uterus von Annie Chapman vor sich auf dem Tisch betrachtete. Die Gestalt wischte sich über den Mund und lachte leise. Genauso wie ihr erstes Opfer Mary Nichols war Dark Annie völlig arglos gewesen, sodass es ein Leichtes war, sie zu überrumpeln und zu töten. Inspektor Frederick Abberline und sein Haufen dummer Polizisten tappten noch immer wie Idioten im Dunkeln. Die Gestalt war sich gewiss, dass die Polizei sie nicht verdächtigen würde, denn wer käme schon auf die Idee, dass eine Hebamme Huren ermordete. Wer erregte weniger Aufmerksamkeit als eine Geburtshelferin, wenn sie sich in den frühen Morgenstunden mit ihrem Koffer auf den Straßen von Whitechapel bewegte und ohnehin von oben bis unten mit Blut bedeckt war?

      Auf ihrer Todesliste standen noch folgende Namen: Elizabeth Stride. Catharine Eddowes. Mary Jane Kelly. Nach deren Ermordung wäre ihre Mission hier erledigt und sie würde sich nach Amerika absetzen, denn auch dort gab es gewiss einen Bedarf an Hebammen. Seitdem sie ihr Mann − ein bedeutender Arzt in London − wegen ihrer Unfruchtbarkeit verlassen hatte, musste sie selbst für ihren Unterhalt sorgen. Alle Huren, die von ihr heimgesucht wurden, hatten einst ihre Kinder im Mutterleib abgetrieben. Ihr selbst hatte jedes Mal das Herz gestockt, wenn ihr Mann einen Fötus, der friedlich in der Gebärmutter schlummerte, die ihn eigentlich schützen sollte, in Stücke schnitt. Ungeborene Kinder, und − obschon von Hurenböcken gezeugt − unschuldige, winzige Menschlein, wie sie stets selbst eines ersehnt hatte. Und die Straßendirnen, die ihren Gatten nicht bezahlen konnten, hatten ihm stattdessen ihre Liebesdienste offeriert. Nachdem sie ihrem Mann mehrmals nachts hinterherspioniert hatte, musste sie verbittert feststellen, dass er diese Art der Bezahlung durchaus akzeptierte.

      Als sie zum ersten Mal mordete, musste sie immerfort an die zerstückelten Föten denken, und aus Wut darüber hatte sie deren Mütter nach ihrer Tötung entstellt. Bald, dachte sie, würde sie Inspektor Abberline ein bisschen an der Nase herumführen und ihm eine halbe Niere ihres nächsten Opfers schicken, zusammen mit einem Bekennerschreiben, das sie mit Jack the Ripper signieren würde.

      Конец ознакомительного фрагмента.

      Текст предоставлен ООО «ЛитРес».

      Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.

      Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.

/9j/4AAQSkZJRgABAgAAAQABAAD/2wBDAAMCAgMCAgMDAwMEAwMEBQgFBQQEBQoHBwYIDAoMDAsK CwsNDhIQDQ4RDgsLEBYQERMUFRUVDA8XGBYUGBIUFRT/2wBDAQMEBAUEBQkFBQkUDQsNFBQUFBQU FBQUFBQUFBQUFBQUFBQUFBQUFBQUFBQUFBQUFBQUFBQUFBQUFBQUFBQUFBT/wAARCAE1AMgDASIA AhEBAxEB/8QAHwAAAQUBAQEBAQEAAAAAAAAAAAECAwQFBgcICQoL/8QAtRAAAgEDAwIEAwUFBAQA AAF9AQIDAAQRBRIhMUEGE1FhByJxFDKBkaEII0KxwRVS0fAkM2JyggkKFhcYGRolJicoKSo0NTY3 ODk6Q0RFRkdISUpTVFVWV1hZWmNkZWZnaGlqc3R1dnd4eXqDhIWGh4iJipKTlJWWl5iZmqKjpKWm p6ipqrKztLW2t7i5usLDxMXGx8jJytLT1NXW19jZ2uHi4+Tl5ufo6erx8vP09fb3+Pn6/8QAHwEA AwEBAQEBAQEBAQAAAAAAAAECAwQFBgcICQoL/8QAtREAAgECBAQDBAcFBAQAAQJ3AAECAxEEBSEx BhJBUQdhcRMiMoEIFEKRobHBCSMzUvAVYnLRChYkNOEl8RcYGRomJygpKjU2Nzg5OkNERUZHSElK U1RVVldYWVpjZGVmZ2hpanN0dXZ3eHl6goOEhYaHiImKkpOUlZaXmJmaoqOkpaanqKmqsrO0tba3 uLm6wsPExcbHyMnK0tPU1dbX2Nna4uPk5ebn6Onq8vP09fb3+Pn6/9oADAMBAAIRAxEAPwD4Iao2 71I1Rt3reG4IiPWirUGlXt5p95fwWc81jZsiXNzHGzRQM5OwOwGFLYOAeuDiquMVsWFFFKOtAAep pKD1ooAO4opeDSY4oAKUd6Q0o70AGOeaSl5oxQAtJjNLj9KkgglupRHDG0sh6Kikk/hQBH3pQM9s 16J4I+B2v+NnjMQWzty215J8ZU+y7sn9K77xL+yDrXh2086TUrMrjcC84RmHsuOvtmspVqUJcspa lqEn0Pns/lRkg10eteDb7RJHE8e/YSrbTkY9Qe/X86wJoWhlZG6jitvNEtNaMjyaMmkoouIXJozS UGi7AXPtRTe9FFwLbDGKs6HLPBrVlLarBJcxzo8aXNslzGzAggNE6skgJ6qykHoQQarP2qzol5Dp +s2V1cQw3EEMyyPFcx+ZEwBzh1wdy+q45GRXPEhHofxFOtan4btYNZvLh7/T7NdVOkW9wRZaXBcy qUQwkkRzOJYn2IRtR4gVyj7PKT1r0fVtF1LV/B+teItd1Gxv5v3T2kGl3lrO8O6VV3SrCWW3gCl1 WA7G3urImxZSPOT1rZFiUopKAcUwA9aKU9aSgBVoIoA70daAEFKOlApR