Langsam kommt man auch ans Ziel. Monika Laatsch

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Название Langsam kommt man auch ans Ziel
Автор произведения Monika Laatsch
Жанр Книги о Путешествиях
Серия
Издательство Книги о Путешествиях
Год выпуска 0
isbn 9783954889655



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in Bad Wilsnack ist leider verschlossen und so löst sich die Pilgergruppe bald auf.

      Jürgen fährt mit einem Herrn zurück zum Ausgangspunkt, um sein Auto zu holen. Wir haben nämlich beschlossen, dass wir uns in der wunderschönen Therme hier eine Massage gönnen und es uns bis in den späten Abend gut gehen lassen wollen.

      Nach dieser für uns ungewohnt langen Laufstrecke sind wir – vor allem ich – völlig erschöpft.

      In der Therme falle ich regelrecht fix und fertig auf eine Liege. Nach einem längeren Aufenthalt in dem wohlig warmen Salzwasser schlafe erst einmal ein.

      Mein rechter Oberschenkel schmerzt bedenklich, als ich danach wieder aufstehen will. Ich lass’ das mit der Massage sein, denn ich kann nur noch humpeln.

      Ein Glück, dass ich nicht mit dem Auto nach Hause fahren muss. Jürgen fährt mich netterweise bis vor die Haustür.

      In den folgenden Wochen werden die Schmerzen im Oberschenkel weniger, gehen aber nicht weg, so dass ich doch einen Sportarzt konsultiere. Dieser diagnostiziert einen alten Muskelfaserriss, der verklebt ist. „Warum sind Sie nicht eher zu mir gekommen?“ fragt er.

      Jetzt muss ich also zweimal in der Woche zur Physiotherapie gehen.

      Die ist zwar sehr schmerzhaft, wirkt aber Wunder. Ich bin bald wieder schmerzfrei und kann laufen wie ein Wiesel!

      Von der Brandenburger Pilgergemeinschaft erhalten wir gegen Zahlung von sechs Euro fünfzig unseren – für unser Vorhaben im Sommer – sehr wichtigen Pilgerausweis.

      Wer in Portugal und Spanien in Herbergen übernachten will, muss ihn dort immer vorzeigen und bekommt als Bestätigung dann einen Stempel in den Ausweis hinein.

      Nur wer am Ende in Santiago seine entsprechenden Stempel vorzeigen und somit belegen kann, dass er wenigstens die letzten einhundert Kilometer zu Fuß unterwegs war, bekommt schließlich seine Compostela oder die Authentica, also seine Urkunde, ausgehändigt. Sie zeichnet ihn als wahren Pilger aus. –

      Die Monate vergehen wie im Fluge. Je näher der Abreisetermin rückt, desto stärker wird mein Reisefieber. Regelmäßig gehe ich jetzt zum Joggen. Auch versuche ich, möglichst viele Dinge zu Fuß zu erledigen, Schwimmen zu gehen und mich so oft wie möglich sportlich zu betätigen.

      Wenn meine gut bürgerlichen Bekannten und Verwandten von meinem Vorhaben hören, stoße ich bei denen auf die unterschiedlichsten Reaktionen. Sie reichen von Unverständnis wie: „… Na, wenn Du das nötig hast?“ – über: „… Geh’ doch ins Kloster, wenn Du Ruhe brauchst, dann brauchst Du wenigstens nicht zu laufen!“ bis Ansporn: „… Toll, dass Du so was in Deinem Alter wagst!“ und „… Ich bewundere Dich dafür!“

      So unterschiedlich sind halt die Menschen. Viele haben aus Bequemlichkeit auch das Laufen regelrecht verlernt, denke ich.

      Außerdem: Als so spektakulär empfinde ich meinen Plan gar nicht. Es gehen doch so viele Menschen auf weit abenteuerlichere Reisen!

      Also, auf geht’s!

      Es ist jetzt halb acht Uhr am Morgen. Ich liege noch verschlafen in meinem Bett und döse vor mich hin. Weil unsere Hündin mich in der Nacht ein paar Mal wach gemacht hat, bin ich noch nicht bereit aufzustehen.

      Mit einem Mal schießt es mir durch den Kopf: Heute geht es ja los, heute ist es endlich so weit, heute geht es auf den Jakobsweg von Porto nach Santiago de Compostela und weiter zum Cap Finisterre – „ans Ende der Welt“! – Worauf lasse ich mich da ein?

      Ich habe mit einem Mal Bedenken, ob ich das alles auch bewältigen werde und bekomme Bauchschmerzen. Werde ich die körperlichen und psychischen Anstrengungen aushalten?

      Wie reagiere ich, wenn ich die nur wenigen Sachen vielleicht mal nicht waschen kann und mehrere Tage müffelnd vor mich hin laufen muss? Und wie sieht es aus mit dem Verzicht auf Bequemlichkeit und gewissen Luxus? (Das „Monchen“ ist nämlich etwas verwöhnt!)

      All das will ich herausfinden, das ist der eigentliche Grund! Ich will mich testen!

      Einmal wirklich raus aus der Betriebsamkeit und der Hektik des Alltags, sich die Dinge bewusster machen, und sich dabei auch mal ein bisschen treiben lassen.

      In Gedanken gehe ich noch einmal meine Reiseliste durch. Habe ich auch alles eingepackt und nichts vergessen? Ich wusele dabei etwas geistesabwesend durch die Wohnung. Die Blumen werden noch einmal gegossen. Das Essen, das ich vorgekocht habe, ist portioniert eingefroren und reicht bestimmt für sechs Wochen.

      Hundefutter ist auch da. Es wird schon keiner verhungern und mein lieber Mann Herwig wird auch einmal ein paar Tage ohne mich klarkommen.

      Ungeduldig und zunehmend nervöser warte ich darauf, dass wir um dreizehn Uhr die Wohnung verlassen und Jürgen und Rosi abholen. Unser zuverlässiger Sohn Mario ist auch pünktlich zum „Tschüss“ sagen gekommen. Herwig fährt uns alle zum Flughafen Schönefeld.

      Um nicht sentimental zu werden, sagen wir uns dort ziemlich schnell Lebewohl und gehen rasch durch die Sicherheitskontrollen.

      Beim Einchecken haben wir Glück und dürfen unsere Rucksäcke als Handgepäck mit in die Maschine nehmen. Das ist uns lieber, weil wir ja in Lissabon noch zwischenlanden werden. So haben wir gleich alles bei uns. Natürlich müssen wir dann doch noch unsere Rucksäcke öffnen. Der nette Zollbeamte will nachsehen, wo wir irgendwelche Plastikflaschen haben, und in welcher Größe wir sie mitführen.

      Ein Blick in den jetzt etwas durchwühlten Rucksack und alles ist okay. Jürgen wird allerdings sein Taschenmesser los, weil die zugelassene maximale Klingengröße von neun Zentimetern überschritten wird.

      Er kann sein Messer nach seiner Rückkehr wieder abholen.

      Dann begeben wir uns in den Flieger, der auch planmäßig startet.

      Herrlich ist es, in 11.000 Metern über den Wolken zu schweben! Vieles verliert doch hier oben an Bedeutung, alles wird – frei nach Reinhard Mey –: „… wirklich nichtig und klein.“

      Bis auf ein wenig Ohrenschmerzen im linken Ohr war der Flug hierher nach Lissabon ganz gut. Auf einem Monitor haben wir verfolgen können, wo wir uns bereits befinden.

      Die Ohrstöpsel, zu denen mir mein Sohn geraten hat, haben wirklich geholfen. Auch die Nasentropfen zum Abschwellen, die mir der Apotheker empfohlen hat, haben ihre Wirkung nicht verfehlt, und ich hatte nicht – wie sonst – so einen fürchterlichen Druck auf den Ohren.

      Wir sitzen jetzt auf dem Flughafen von Lissabon und warten auf den Anschlussflug nach Porto. Dort soll es regnen.

      Na toll!

      Ich bin schon ziemlich müde, denn der Tag war lang.

      Micki, unsere Jack-Russell-Hündin, hatte mich nämlich schon um halb fünf aus dem Bett geholt. Sie musste dringend Gassi gehen und wollte unbedingt in Ruhe schnüffeln. Richtig schlafen war da hinterher nicht mehr so wirklich drin.

      Ich frage mich jetzt die ganze Zeit, was ich von meinen Sachen aus dem viel zu schweren Rucksack eventuell wegwerfen könnte. Zirka siebeneinhalb Kilogramm schleppe ich mit mir mit. Für meine Größe und mein Gewicht ist das ziemlich viel.

      Aber zu Anfang brauche ich doch alles, wegwerfen kommt erst später dran, zum Ende der Reise. Ich habe schon extra eher ältere Kleidung mitgenommen, von der ich mich später eventuell trennen kann.

      Jürgen bietet mir an, dass er noch etwas bei sich verstauen würde. Ich gebe ihm dankbar etliche Müsliriegel, und meine alten