Shakespeares Sternenritt. Uta Rabenstein

Читать онлайн.
Название Shakespeares Sternenritt
Автор произведения Uta Rabenstein
Жанр Научная фантастика
Серия
Издательство Научная фантастика
Год выпуска 0
isbn 9783946433101



Скачать книгу

Teil der Wucht einer Roboterpranke zu spüren.

      Sie schaute sich rasch um, während sie ihren lädierten Arm mit der linken Hand umklammerte. Sollte sie ihn mit einem Photonenimpuls ihres Multifunktions-Überlebenskits für eine Weile außer Gefecht setzen? Sie hatte den Kit bisher nur benutzt, um sich die Fußnägel zu schneiden oder Weinflaschen zu öffnen. Selbst den integrierten Kamm hatte sie bisher nicht gebraucht, bei ihrer Kurzhaarfrisur reichte es, morgens einmal mit den Fingern durch den Igel zu fahren.

      Sie entschied, dass sie keinen Wert darauf legen würde, einen vergleichenden Essay über Gefängnisse auf den verschiedenen Planeten dieser Galaxie zu schreiben. Nein, Flucht vor diesem nervtötenden Robot war die beste Lösung.

      Inzwischen hatten beide ein gutes Stück Straße zurück­gelegt und kamen an der Paradies-Bar vorbei. Entgegen ihrem Namen war die Bar eine üble Spelunke, aber sie hatte einen gravierenden Vorteil: Roboter mussten draußen bleiben.

      Also schlüpfte Kira kurz entschlossen, nachdem der in einen braunen Kapuzenmantel gehüllte schattenartige Wächter kurz ihre zelluläre Identität überprüft hatte, durch die Eingangstür.

      Drinnen mussten sich ihre Augen erst einmal an das Halbdunkel gewöhnen. Sie atmete auf: Außer ihr waren nur drei extraterrestrische Typen und der Barkeeper zu entdecken.

      Um die Wahrheit zu sagen: Kira ging äußerst ungern in Kneipen. Das lag nicht daran, dass sie zu schüchtern war, sondern dass sie in mindestens drei Galaxien polizeilich gesucht wurde.

      Jedes Mal war sie in eine harmlos erscheinende Sache hineingeraten, die plötzlich Eigendynamik bekommen und dazu geführt hatte, dass sie sich zum Beispiel im Hochsicherheitstrakt des Staatsgefängnisses von L'turion bei Aldebaran inzwischen recht gut auskannte. Zum Glück konnte man nach l'turionischer Rechtsprechung wegen Handels mit fehlerhaften Bordcomputern nicht zum Tode verurteilt werden.

      Mit Hilfe ihres Mikromanipulators konnte Kira damals nach fünf Wochen Isolationshaft in das zentrale Datenverwaltungssystem des Hochsicherheitstrakts eindringen und ihre gespeicherten Daten von »2000 Umdrehungen des Heimatplaneten Inhaftierung«, die sie natürlich nicht über­lebt hätte (die Dummköpfe hatten Terra mit Tiran, einem Planeten am anderen Ende des Universums, verwechselt), in »sofortige Freilassung« umändern. Glücklicherweise hatte es ohne weitere Probleme geklappt.

      Kira begrüßte die Kneipengäste mit einem betont forschen »Saluton!« und einer Geste, die auf allen Planeten verstanden wurde, indem sie die Handflächen nach oben wendete und gleichzeitig den Kopf senkte.

      Die Typen reagierten nicht, aber der Wirt erwiderte ihre Geste.

      Kira bestellte einen alkoholfreien Twister, sie wollte lieber einen klaren Kopf behalten. Das Zeug hatte es auch so in sich. Man spürte es förmlich in den Eingeweiden prickeln, wenn man die grüne Flüssigkeit mit den türkis­blauen Schlieren herunterschüttete.

      Ihr Glas hatte Kira in Rekordzeit halb ausgetrunken, während sie versuchte, von dem Gespräch der drei anderen schon leicht angetrunkenen Gäste einige Brocken zu verstehen.

      Die Sprache der mit fischähnlichen Köpfen auf unförmigen, tonnenartigen Körpern ausgestatteten Typen konnte sie mit Hilfe ihres in ihr Chronometer am linken Handgelenk eingebauten Dolmetscherchips, den die meisten für einen harmlosen diamantenbesetzten Armreifen hielten, zwar mühelos übersetzen, aber die drei wisperten so leise, dass die Signalerfassung Probleme bereitete.

      Kira gab bald auf und hing stattdessen trüben Gedanken nach. Manchmal packte auch Menschen wie sie, die ihre Gefühle recht gut unter Kontrolle hatten, die Sehnsucht nach einem Wesen, das eine Frau verstand und abends zu Hause mit einem zarten Steak mit Zwiebelringen und Kartoffelbrei auf sie wartete.

      Leider waren Weltraumreisende oft einsam, und ab und zu überfiel auch Kira eine tränenreiche Traurigkeit, die sie am nächsten Morgen aussehen ließ wie einen zehn Tage in Nährlösung gequollenen Mondfisch.

      Plötzlich stockte das Gespräch der drei und sie glubsch­ten in Richtung Tür.

      Kira wandte sich um, denn gehört hatte sie eigentlich nichts. Nahezu lautlos waren zwei neue Gäste in die Kneipe hereingekommen.

      Der eine erinnerte Kira an einen Riesenkraken mit Geierschnabel. Die Lebensform wirkte auf Anhieb unsympathisch, aber sie hatte sich schon mehr als einmal gewaltig getäuscht, was das tatsächliche Wesen einer für menschliche Augen bizarr oder sogar ekelerregend aussehenden Kreatur anging.

      Der andere war – Kira staunte – ein Terrestrier wie sie selbst: Ziemlich groß gewachsen, dunkle ungepflegte Haare, wie sie vor hundertzehn Erdenjahren modern gewesen waren, und legere Kleidung. Eine mit fremden Schriftzeichen bestickte Weste über einem zerknitterten, rotblau karierten Flanellhemd fiel ihr ins Auge. Sie hatte eine leichte Schwäche für mit fremden Schriftzeichen bestickte Westen, aber diese hier sah sehr schmuddelig aus.

      Nachdem der Mann sich kurz umgeschaut und den üblichen Gruß entrichtet hatte, blieb sein Blick einen Augen­blick lang an Kira hängen. Sie fühlte ein merkwürdiges Kribbeln im Bauch, was aber sicher daran lag, dass der Twister wieder ans Tageslicht wollte.

      Der Fremde bestellte für sich und seinen Kumpan Whiskey aus ökologisch unbedenklichem Anbau. Mit seinen schon leicht ergrauten Haaren, die schon länger nicht mehr mit Wasser und Shampoo in Berührung gekommen waren, und den Dreitagebartstoppeln, die alles andere als erotisch wirkten, gehörte er zu dem Typ Mann, den Kira insgeheim »fossiler Weltraumpirat« getauft hatte. Sie wäre gerne einem Kontakt mit ihm aus dem Weg gegangen, aber er redete sie ohne Umschweife an.

      »Bonan vesperon! Kennen Sie vielleicht einen guten Piloten, der ein Raumschiff nach Delta Centauri überführen könnte?«

      Schon wieder wurde Kira einfach angequatscht. Konnte man sie heute nicht mit Belanglosigkeiten in Ruhe lassen und mit ihr stattdessen ausführliche Gespräche über den Sinn des Lebens im Allgemeinen und der Liebe im Besonderen führen, die ihre arme leidende Seele wieder aufbauen würden?

      Sie seufzte innerlich, aber da sie höflich war und außer­dem ein kleines bisschen neugierig, antwortete sie. »Klar kenne ich einen guten Piloten, der für entsprechendes Geld ein Raumschiff egal wohin überführen würde. Aber wer sind Sie überhaupt?«

      Mit einem Blick auf die sie anstarrenden drei Fischköpfe, die unverhohlen herüberglotzten und, ohne dass es Ihnen im Geringsten peinlich war, zuhörten, murmelte Kiras Gegenüber: »Gehen wir dort hinten an den Tisch in der Ecke. Es muss ja nicht jeder mithören.«

      Sie nahm ihren Twister und folgte ihm und seinem Krakengefährten an den weit hinten gelegenen Tisch.

      Er setzte sich so, dass er das Geschehen am Tresen im Blick behielt. »Es klingt vielleicht seltsam, aber wir sind in geheimer Mission für die Geronin von Perseus unterwegs. Wie Sie sicher wissen, ist die Geronin Mitglied des Interga­laktischen Präsidialrates.«

      Kira nickte, obgleich sie sich nur dunkel an die Geronin erinnerte: Ein wunderhübscher, zart gemeißelter Kopf mit langen weißen, seidig schimmernden Haaren auf einem plumpen Körpersack. Sie lebte mit irgendwelchen Würmern in ihrem Körper zusammen, denen es in letzter Zeit, wie die Nachrichten behaupteten, immer schlechter ging.

      Nach Kiras Ansicht war sie allerdings bei weitem nicht das skurrilste Wesen des Präsidialrates: Ein Mitglied lebte als winziger Symbiont in den Leitbündeln eines pflanzen­ähnlichen Kaktuswesens. Mitteilen konnte es sich mittels Gedankenübertragung an das Kaktuswesen, das sozusagen als Sprecher seines Symbionten fungierte.

      Anfangs hatte man daher das Kaktuswesen selbst für eine intelligente Lebensform gehalten. Erst nachdem man die seltsame Gepflogenheit, von Zeit zu Zeit die Symbionten auszuhusten und wieder aufzusaugen, untersucht hatte, entdeckte man die wahren Verhältnisse.

      In der Wissenschaftszeitschrift »Populäre naturwissen­schaftliche Anmerkungen über Sonderformen des Seins« – kurz PNASS – hatte Kira gelesen, dass der kurzzeitige Aufenthalt außerhalb des Wirtes den Symbionten erlaubte, rasch Sonnenenergie zu tanken, die sie zur Aufrechterhaltung ihres Stoffwechsels benötigten.

      Kira fand solche wissenschaftlichen