Die Villa von Reinheim. Andreas Stinsky

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Название Die Villa von Reinheim
Автор произведения Andreas Stinsky
Жанр История
Серия
Издательство История
Год выпуска 0
isbn 9783945751527



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Lage

      Die villa von Reinheim entstand am Unterlauf des kleinen Flusses Blies in einer Talniederung, die von sanft abfallenden Hängen gerahmt wird (Abb. 2). Fruchtbare Muschelkalkböden und ein reiches Vorkommen an Quellen stellten ideale Voraussetzungen für eine landwirtschaftliche Nutzung der Gegend dar. Dies führte dazu, dass in dem abgelegenen Teil der Provinz Gallia Belgica in der römischen Kaiserzeit ein dichtes Netz aus villae rusticae (Gutshöfen) entstand. Nur etwa 300 m südlich der villa von Reinheim war um 40/50 n. Chr. eine Straßensiedlung, der vicus von Bliesbruck, entstanden (Abb. 3). Diese Siedlung, deren antiker Name uns nicht bekannt ist, wies im 2. und 3. Jh. n. Chr. mit Thermen, einer Marktbasilika und dicht bebauten Handwerkervierteln ein kleinstädtisches Gepräge auf und stellte einen Umschlagplatz für regionale Erzeugnisse aus der Landwirtschaft dar. Es ist durchaus möglich, dass der vicus auf dem Grund und Boden der Herren von Reinheim gegründet wurde, die im Hinblick auf wirtschaftlichen Profit dessen Entwicklung förderten. An einer wichtigen Durchgangsstraße am Ufer der für Flachbodenkähne und Flöße schiffbaren Blies gelegen, bot sich den Besitzern der villa eine infrastrukturell hervorragende Ausgangssituation, die über mindestens zwei Jahrhunderte das Wohlergehen der Anlage sicherte.

      Abb. 2 Blick von Südosten auf den Talkessel mit dem vicus von Bliesbruck und der Großvilla von Reinheim (2012).

      Abb. 3 Plan des Talkessels zwischen Bliesbruck und Reinheim mit den bislang bekannten römischen Fundplätzen: 1 Großvilla Reinheim, 2 Vicusgräberfeld „Auf dem Sand“, 3 vicus Bliesbruck, 4 Vicusgräberfeld „Gare de Bliesbruck“, 5 villa rustica Bliesbruck „Les Champs“, 6 villa rustica Reinheim „Am Furtweg“, 7 Gräberfeld „Am Furtweg“, 8 u. 9 römische Anlage (Heiligtum?) mit spätlatènezeitlichem Vorgängerbau Reinheim „Auf dem Horres“, 10 römischer Kultplatz auf dem „Homerich“, 11 römisches Gebäude Reinheim „Brücker Trischer“. Gelb unterlegt: Ausgrabungsflächen; gelblich-transparent: Geophysikalisch prospektierte Flächen.

      Vom Trümmerhügel zum Archäologiepark – Ein forschungsgeschichtlicher Überblick

      Südlich des saarländischen Grenzdorfes Reinheim befanden sich inmitten der flachen Bliesaue zwei schwache Geländeerhebungen. Eine davon wurde im Volksmund „Heidenhübel“ genannt, da man in ihrem Bereich beim Ackerbau stets auf antike Relikte stieß. Die andere, der sog. Katzenbuckel, entpuppte sich 1954 als das Überbleibsel dreier erodierter Monumentalgrabhügel aus der Eisenzeit, darunter auch ein frühlatènezeitliches Fürstinnengrab (370 v. Chr.). Zwar hatte man beim „Heidenhübel“ durch Grabungen im 19. Jh. schon viel früher begonnen, seine Geheimnisse zu lüften, doch sollte sich seine wahre Bedeutung erst in den 1980/90er-Jahren herausstellen.

      Abb. 4 Die Bliesaue südlich von Reinheim 1953, ein Jahr vor der Entdeckung des keltischen Fürstinnengrabes. Die Fläche, unter der sich die Ruinen der römischen villa befinden (linke Bildmitte), wurde damals landwirtschaftlich intensiv genutzt. Die schmalen Ackerparzellen sind das Ergebnis der Realerbteilung.

      Abb. 5 Grabungsplan aus dem 19. Jh., auf dem der Grundriss von Mauerzügen im Badetrakt und im Ostflügel festgehalten ist.

      Erste Ausgrabungen auf dem „Heidenhübel“ sind aus den Jahren 1806, 1809, 1841 und 1879 überliefert. Bei letzteren, welche durch den Historischen Verein der Pfalz aus Speyer durchgeführt wurden, hielt man an dem Fundplatz erstmals freigelegte Mauerzüge in Grundrissen fest (Abb. 5). Die dabei dokumentierten Reste eines Bades sowie eines Wohntraktes waren der erste Beleg dafür, dass es sich bei der Geländeerhebung um den Schutthügel eines großen Gebäudes aus römischer Zeit handelt. Unter den im 19. Jh. gemachten Funden ist besonders eine kleine Sandsteinstatue der kleinasiatischen Göttin Kybele (Abb. 7) zu erwähnen.

      Danach verschwand die antike Ruinenstätte für fast ein Jahrhundert wieder aus dem Fokus der Wissenschaft. In den 1950er- und 60er-Jahren führte dann der großflächige Abbau von Kies und Sand in der Bliesaue zur Entdeckung eines weiteren römischen Gebäudes etwa 50 m südöstlich des „Heidenhübels“. Wie sich später herausstellen sollte, handelte es sich hierbei um das Nebengebäude 13 (vgl. Abb. 72), welches in groben Zügen freigelegt wurde und anschließend vollständig dem Kiesabbau zum Opfer fiel. An dieser Stelle befindet sich heute ein Weiher.

      Abb. 6 Bei Ausgrabungen im 19. Jh. geborgene Keramik.

      Nachdem ebenfalls im Zuge von Kiesförderungen nördlich von Bliesbruck (F) in den 1970er-Jahren eine römische Kleinstadt entdeckt wurde, richtete die archäologische Denkmalpflege im Saarland ihre Aufmerksamkeit erneut auf den „Heidenhübel“. Einhergehend mit der Gründung des Europäischen Kulturparks/Parc Archéologique Européen Bliesbruck-Reinheim startete 1987 unter der Leitung von Erwin Strahl ein Ausgrabungsprojekt zur Erforschung und musealen Präsentation der villa von Reinheim. Ein Jahr später fanden erste kleine Grabungen in den Nebengebäuden 2, 3 und 4 statt, deren Zugehörigkeit zur villa zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht klar war. Anfangs sah man in ihnen Gebäude, die zum vicus von Bliesbruck gehörten. Erst Sondagen im Jahr 1990 lieferten den Hinweis, dass dem Hauptgebäude auf dem „Heidenhübel“ im Süden ein längsaxiales Hofareal mit flankierenden Bauten vorgelagert war. Ab 1993 leitete Florian Sărăţeanu-Müller für 17 Jahre die Grabungen. Im Jahr 1995 wurden Grabungskampagnen gestartet, deren Ziel die planmäßige Untersuchung der pars rustica war. Seit 2011 ist Michael Ecker mit der Grabungsleitung beauftragt.

      Abb. 7 Die im 19. Jh. gefundene sog. Fortuna von Reinheim. Entgegen der alten Deutung dürften vielmehr Kybele und ihr Begleiter Attis, von dem sich nur die Füße erhalten haben, dargestellt sein. Der Mysterienkult stammte aus Kleinasien und fand in der Römischen Kaiserzeit eine weite Verbreitung. 2./3. Jh. n. Chr.; Sandstein; H. 83 cm; Historisches Museum der Pfalz, Speyer.

      Abb. 8 Ebenfalls im 19. Jh. gefunden: Ein auf einem Panther reitender Amor. Bronze; Historisches Museum der Pfalz, Speyer.

      Abb. 9 Der nördliche Teil des Ostflügels während seiner Freilegung 1989.

      Abb. 10 Plan der spätbronzezeitlichen Brandgräber (1.300–800 v. Chr.) und eisenzeitlichen Grabhügel (ca. 800–270 v. Chr.) im Bereich der späteren römischen villa.

      Gegründet auf alten Nekropolen aus der späten Bronze- und Eisenzeit

      Innerhalb des Talkessels zwischen Bliesbruck und Reinheim sind bislang drei größere Gräberfelder mit Bestattungen durchgehend von der späten Bronzezeit (14.–9. Jh. v. Chr.) bis in die Spätlatènezeit (2./1. Jh. v. Chr.) bekannt. Die drei monumentalen, etwas isoliert gelegenen Grabhügel, darunter auch das frühlatènezeitliche Fürstinnengrab (um 370 v. Chr.) (Abb. 11), auf dem „Katzenbuckel“ bildeten