Название | Weltgeschichte als Stiftungsgeschichte |
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Автор произведения | Michael Borgolte |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783534743469 |
Bemerkenswert ist, dass Michael Attaleiates seinen Häusern keineswegs seinen gesamten Besitz vermachte. Seinen Sohn Theodor und dessen Nachkommen in männlicher Linie bestellte er sogar „auf ewig“ zum Erben, Herrn und Verwalter seiner Stiftung.289 Sobald die vorgeschriebenen Leistungen für Gedenken und Caritas erfüllt waren, sollten Theodor vom nicht verbrauchten Ertrag der Stiftungsgüter zwei Drittel erhalten und nur ein Drittel davon sollte angespart werden.290 Erst wenn die Reihe der Erben Theodors zu Ende komme, sollten die Vorsteher des Armenhauses und die Mönche in der Leitung an die Stelle der Stifterfamilie treten.291 Andererseits waren Theodor und seine Söhne und Nachkommen nicht frei bei der Verfügung über das väterliche Erbe, sondern mussten es in der eigenen Linie bewahren. Beim Aussterben des Mannesstammes sollte schließlich alles an das Armenhaus und Kloster fallen.292 Die Regelungen des Typikons sicherten also einerseits die Nachkommen Michaels in männlicher Linie wirtschaftlich ab, andererseits hatte der Stifter alle seine Güter direkt oder indirekt für Gedenken und Caritas bestimmt.
Von den Praktiken in der griechisch-orthodoxen Kirche war das russische Stiftungswesen geprägt, nachdem das Reich von Kiew 988 das Christentum von Konstantinopel empfangen hatte.293 Allerdings setzt eine reichere Überlieferung, auf die sich die historische Forschung stützen kann, erst am Ende des 15. Jahrhunderts ein, um sich auf die Zeitspanne bis um 1700 zu konzentrieren. In den Urkunden wird betont, dass die Stiftung „zur Erlangung der ewigen Güter“ errichtet und „das Vergängliche dieser Welt“ gegeben werde, „um Unvergängliches“ zu erwerben.294 Der griechischen Bezeichnung für den „Seelteil“ (psychikon) entsprach im Altrussischen zadušie („das für die Seele“) – ein Lehnwort, dem man auch im Serbischen und Bulgarischen begegnet (zadužbina).295 Wie in Byzanz blieben die Vorstellungen über das Jenseits bis zum Endgericht unklar oder widersprüchlich. Der Prediger Kirill von Turov beschrieb im 12. Jahrhundert, wie die Seele vom Engel vor das Gericht geleitet wird, wo Gott sie befragt und dann an einem nur ihm bekannten Ort versteckt. Das Urteil selbst werde erst nach der Vereinigung von Körper und Seele im Jüngsten Gericht gesprochen: „Deshalb gibt es bis zur zweiten Ankunft Christi für keine menschliche Seele, sei es von Gläubigen, sei es von Ungläubigen, Gericht oder Qualen.“296 Erst Ende des Mittelalters scheint das Konzept von einem vorläufigen Gericht unmittelbar nach dem Tod eine größere Verbreitung gefunden zu haben; dementsprechend intensiviert wurden die Gebete in den ersten vierzig Tagen. Auch die Vorstellung von den himmlischen Zollstationen (mytarstva), die die Seele auf ihrem Weg zu Gottes Thron zu passieren hatte, war verbreitet wie in Griechenland. Ein Unterschied zu Byzanz lag in der Ausgestaltung der Listenführung für das Gebetsgedenken. Die Wohltäter konnten ihren Eintrag in den nach dem Vorbild der Diptychen gestalteten sinodik erwarten, der als Grundlage der Memoria diente.297 Um 1500 scheint sich ein differenzierteres System herausgebildet zu haben. In den „ewigen Sinodik“ konnte jeder Weltliche – wie auch die Mönche des betreffenden Klosters – eingetragen werden, gleichgültig, ob er arm oder reich war, viel, wenig oder sogar nichts gegeben hatte. Der Eintrag einer ganzen Familie konnte einen Viertelrubel kosten. Die Namen der dementsprechend schnell anwachsenden Liste zu lesen, dauerte viele Stunden und begleitete litaneiartig unter Umständen mehrere Gottesdienste am Tag. Nur der Eintrag in die „tägliche Liste“ (povsednevnyi spisok) versprach ein individuelles Gedenken, und zwar bei bestimmten Teilen der Liturgie (am Morgen, bei der „Göttlichen Liturgie“, also der Messfeier, nach der Evangelienlesung, bei den Pannychiden, die nach den Abendgottesdiensten gefeiert wurden, usw.).298 Die Dauer des persönlichen Gebetsgedenkens wurde über den Preis geregelt; offenbar bürgerte sich die Regel ein, dass der Aufwand eines Rubels der Memoria über ein Jahr entsprach; für den unbefristeten Eintrag in die tägliche Liste mussten mindestens 50 Rubel aufgewandt werden. Statt Geld konnten Land, Dörfer, Pferde, wertvolle Gefäße und „aller Reichtum, das vergängliche Gold und Silber dieser Welt“ gestiftet werden.299 Als höchste Stufe des Gedenkens galt der korm, eine durch Stiftung begründete Speisung der Mönche zum Gedenken an eine bestimmte Person; eine jährliche Speisung dieser Art kostete hundert Rubel. In den korm für die Mönche konnten die Armen eingeschlossen sein. Im 1479 gegründeten Kloster zum „Entschlafen der Gottesmutter“ bei Volokolamsk, von dem eine reichere Überlieferung erhalten geblieben ist, nahmen regelmäßig zwölf eingeschriebene Arme (zapisnye niščie) an den Mahlzeiten der Mönche teil.300 Wichtiger war die Verteilung der Speisen vor dem Klostertor; das ‚Speisungsbuch‘ von Volokolamsk führt kalendarisch die Namen jener Wohltäter auf, für deren Gedenken Speisungen von Armen stattfinden sollten.301
Ähnlich wie oder eher noch mehr als in Byzanz galten die Klöster in der Rus’ als Stätten der Memoria für Lebende und vor allem Verstorbene. Mit der Stiftung konnte der Anspruch auf eine Bestattung im Kloster verbunden sein; verbreitet war auch der Einkauf ins Kloster, sei es sofort oder zu einem späteren Zeitpunkt, während sich mancher Stifter den Nießbrauch seiner Stiftungsgüter bis zum Tode oder Klostereintritt vorbehielt.302 Iosif Sanin, der Gründer von Volokolamsk, verfasste eine ‚Erzählung über die der Seele nützlichen Bücher‘ und rechtfertigte die Existenz des Klosters überhaupt mit der Führung von ewigem Sinodik und täglicher Liste.303 Um dieser Bücher willen erhielten Priester, Diakone und alle Brüder Ruhe für ihren Körper, dazu Speise und Trank, Kleidung und Schuhe sowie ihre Zellen mit Ausstattung als Behausung. Auch Stiftungsgüter wie Dörfer und Gärten, Flüsse und Seen, Wiesen, vierbeinige und andere Tiere kämen dem Kloster deswegen zu. Mangelhafte Sorgfalt bei der Memoria würde deshalb die Verdammnis der Säumigen nach sich ziehen. Auch die ‚Hundertkapitelsynode‘ von 1551 wies den Klöstern das Totengedenken als erste Pflicht zu. Der Stiftung als Gabe müsse die sorgfältige Ausübung der Memoria als Gegengabe entsprechen. Nach dem Urteil des Zaren lag die Disziplin der Mönche damals danieder. Trotz der ihnen „zum Gedenken“ (na pominok) gegebenen Stiftungen vagabundierten die Mönche (statt in ihren Klöstern zu bleiben) in