Maria - Fräulein der Friesen. Andreas Scheepker

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Название Maria - Fräulein der Friesen
Автор произведения Andreas Scheepker
Жанр Исторические детективы
Серия
Издательство Исторические детективы
Год выпуска 0
isbn 9783839269329



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am Wegesrand, aber keiner von ihnen war in der Fährtensuche geübt. So ritten sie den Weg genauso schweigend zurück, wie sie ihn vorhin gekommen waren. Die Sonne stand jetzt hoch am Himmel. Sie waren erleichtert, endlich durch eine waldige Gegend zu kommen, die etwas Schatten bot.

      Fockena hielt sein Pferd an und hob die Hand. »Seht hier. Das kann sogar ich erkennen.«

      Hufspuren führten vom schmalen Weg durch den Wald ins Dickicht.

      Boing wandte sich an den jungen Reitknecht. »Du wartest hier mit den Pferden. Ich weiß nicht, was uns dort im Wald erwartet. Aber ich möchte nicht, dass jemand die Tiere hört und auf uns aufmerksam wird.«

      Der Junge nickte, ging ein Stück mit ihnen und leinte die Pferde dann an niedrigen Ästen an.

      »Seid Ihr bewaffnet?«, fragte Drost Boing.

      Fockena klopfte mit der Hand auf den Griff des Schwertes, das er an der Seite trug. Rimberti fasste nach seiner kurzen Klinge, die er bei Ausflügen dieser Art bei sich trug. Der Graf, bei dem er nach dem Studium als Jurist im Dienst gewesen war, hatte Wert darauf gelegt, dass all seine Beamten eine gute Ausbildung im Umgang mit einer Waffe erhielten. Der Fechtmeister wiederum hatte eine eiserne Disziplin bei der Ausbildung seiner Schüler an den Tag gelegt, sodass Rimberti eigentlich gegen seine Neigung doch ein guter Kämpfer mit der Klinge war.

      Boing nickte, und sie folgten den Spuren.

      Einen Weg konnte Rimberti nicht erkennen, aber die Reiter waren hintereinander geritten, sodass die Spuren im weichen Waldboden gut zu sehen waren. Jemand hatte genau gewusst, wohin er wollte. Machte am Ende Isko Onninga mit Owelacker und seinen Landsknechten gemeinsame Sache? Vielleicht gab er ihnen nützliche Ratschläge, wo sie ohne großes Risiko reiche Beute machen konnten. Und sie gaben ihm dafür einen Anteil an ihrem Raub. Und die Ängste, die durch ihre Überfälle geschürt wurden, spielten den ostfriesischen Grafen in die Hände.

      Plötzlich blieb Boing stehen und hob die Hand. Auf einer kleinen Lichtung mussten Isko und seine Männer eine kurze Rast gemacht haben. Man sah, dass Gras und unten hängende Zweige von den Pferden abgefressen waren. Die Spuren führten nicht weiter.

      »Sie sind umgekehrt«, sagte Fockena. »Und dann sind sie ihren Weg weiter geritten zur Friedeburg. »Darum waren sie so kurz vor uns bei den Häusern.«

      »Und ihre drei Gefangenen haben sie hier freigelassen«, stellte der Drost fest.

      »Aber warum?«, wollte Rimberti wissen. »Warum haben sie sie nicht einfach dort hinten am Weg freigelassen? Warum sind sie mit ihren Pferden diesen beschwerlichen Weg geritten?«

      Seine beiden Begleiter sahen ihn ratlos an.

      »Sie haben sich hier verborgen«, erklärte Rimberti mit gedämpfter Stimme. »Hier muss ein Versteck sein, und einer von Iskos Männern kannte sich hier aus.«

      »Das ist gut möglich«, antwortete Drost Boing leise. »Einige von Iskos Männern stammen aus dem Jeverland. Sie sehen für sich hier keine Zukunft und dienen sich den neuen Herren an.«

      »Ich denke, wir suchen, ob wir hier Spuren von den drei Gefangenen finden. Aber wir bleiben zusammen.«

      Sie gingen vorsichtig in einem Bogen um die kleine Lichtung. Ewert Owelackers Männer waren erfahrene Soldaten. Sie würden jedes Geräusch, das nicht zum Wald gehörte, sofort wahrnehmen. Die drei mussten Owelackers Lager auf jeden Fall finden, bevor man sie entdeckte.

      Fast gleichzeitig sahen Rimberti, Fockena und Drost Boing, was sie eigentlich nicht erwartet hatten. Im Dickicht stand eine Holzhütte. Sie stand umgeben von dichtem Gebüsch, und das Strohdach war schon mit Moos überwachsen und eingesunken.

      Fockena zog seine Waffe.

      »Sollen wir nicht Verstärkung aus Jever holen?«, fragte Rimberti kaum hörbar. »Die Männer da drin sind erfahrene Kämpfer.«

      »Nicht so erfahren wie wir«, flüsterte Boing und zog ebenfalls geräuschlos sein Schwert. »Wenn möglich, sollten wir einen von ihnen am Leben lassen, damit wir ihn befragen können.«

      Auch Rimberti zog seine kurze scharf geschliffene Klinge, die ihm in der engen Hütte vermutlich bessere Dienste leisten würden als ein langes Schwert.

      Fast geräuschlos näherten sich die drei der Hütte. Fast. In dem Augenblick, in dem Fockena den vertrockneten Ast unter seinem Fuß bemerkte, war es schon zu spät. Das Knacken war nicht laut, aber hörbar.

      Im gleichen Moment sprang Boing von Oldersum auf und warf sich gegen die Tür. Das brüchige Holz brach sofort in Stücke, und Boing stolperte in den dunklen Raum. Im gleichen Moment waren Fockena und Rimberti über ihm und hielte ihre Waffen in die düstere Leere.

      Ihre Augen brauchten einen Augenblick, um sich an den dunklen fensterlosen Raum zu gewöhnen, in den auch durch die kleine Tür wenig Licht kam. Nichts. Niemand regte sich dort. Sie verharrten kurz, während Boing sich wieder aufrichtete. Und dann sahen sie sie. Im hinteren Teil der Hütte lagen drei Männer. Regungslos.

      Fockena beugte sich zu ihnen hinunter und drehte den ersten um. Er hatte immer noch die Hände auf dem Rücken gefesselt. Jemand hatte ihm die Kehle durchgeschnitten. Mit einem Blick sah Fockena, dass die beiden anderen Männer das gleiche Schicksal erlitten hatten.

      Rimberti blieb der Atem weg. Er wusste, dass diese drei ein Dorf überfallen und unschuldige Einwohner umgebracht hatten, vermutlich ohne zu zögern. Und doch lagen hier drei Menschen vor ihm, die man einfach getötet hatte, um sie zum Schweigen zu bringen. Für immer. Ein jammervoller Anblick.

      »Die werden niemanden mehr überfallen«, brummte Fockena.

      »Isko Onninga«, zischte der Drost. »Irgendwann wirst du für all das bezahlen.«

      »Hier hat es zumindest nicht die Falschen getroffen«, bemerkte Fockena. »Warum holt er die drei aus ihrem Verlies, um sie dann hier umzubringen?«

      »Damit sie nicht mehr reden können«, antwortete Boing.

      »Doch, sie werden reden, auf ihre Weise«, entgegnete Rimberti. »Wir müssen schweigen über das, was wir hier vorgefunden haben. Dann werden andere uns sagen, was wir über diese drei wissen müssen.«

      10

      Als die drei Gefährten in der Burg Jever angekommen waren, lief ihnen schon ein Bediensteter entgegen. Da Rimberti sein Pferd gerade einem Knecht übergab, konnte er nicht hören, was der Drost und der Bedienstete miteinander sprachen.

      Der Drost schickte den Mann wieder fort und wandte sich Rimberti und Fockena zu. »Ich fürchte, Eure Mahlzeit muss noch etwas warten«, sagte er. »Die Fräulein sind in großer Aufregung und wollen sofort mit uns sprechen.«

      »Das ist nicht Euer Ernst!«, platzte es aus Fockena heraus.

      »Keine Sorge. In der Küche wird sich etwas finden. Aber vorerst müssen wir zu unseren Fräulein. Aber: Kein Wort von dem, was wir gesehen haben. Wir dürfen sie nicht über die Maßen beunruhigen.«

      Fräulein Anna saß über ihre Stickerei gebeugt am Fenster, als die drei eintraten. Sie schreckte kurz hoch und wandte sich dann wieder ihrer Handarbeit zu.

      Maria stand regungslos am anderen Fenster und blickte in den Innenhof. Mit einem Ruck drehte sie sich um und fuhr den Drosten an: »Wo wart Ihr, Boing? Wie könnt Ihr einfach davonreiten, ohne mir Bescheid zu geben? Hier geschehen Dinge, die alles zerstören, und Ihr macht mit Euren Freunden einen Ausflug?«

      Boing schnappte nach Luft. Fockena antwortete: »Wir mussten in einer dringenden Angelegenheit zur Friedeburg. Doktor Rimberti war auf der Suche nach einer Urkunde, die sich dort in der Kanzlei befinden soll. Es geht um Eure Sache, Fräulein Maria. Und der Drost ist persönlich mitgeritten, um der Sache Nachdruck zu verleihen.«

      Offenbar fiel Fockena das Schwindeln mit leerem Magen nicht schwerer als in gesättigtem Zustand. Vielleicht wollte er aber das Gespräch abkürzen, um schneller zu seiner Mahlzeit zu gelangen, dachte Rimberti. Er nickte nur bestätigend.

      »Wir wollen