Название | Psychodynamische Psychotherapie im Kindes- und Jugendalter |
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Автор произведения | Arne Burchartz |
Жанр | Медицина |
Серия | |
Издательство | Медицина |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783170326477 |
Im zweiten topischen Modell oder Strukturmodell rückt das Ich an bedeutende Stelle zwischen dem nun sogenannten Es und dem Über-Ich. Das Ich – teils bewusst, teils unbewusst – vermittelt zwischen den Triebansprüchen des Es, den moralischen und kulturellen Forderungen des Über-Ichs und der vorfindlichen Realität. Es nimmt dazu Abwehrvorgänge zu Hilfe.
Merke
Die Psychoanalyse begann als Traumatherapie. Aufbauend auf der Verführungstheorie entwickelte Freud die Triebtheorie, die mit der Entdeckung der infantilen Sexualität einherging. Die Struktur der Psyche wurde in den beiden topischen Modellen beschrieben.
2.2 Die infantile Sexualität
Für die Psychodynamische Psychotherapie mit Kindern und Jugendlichen ist das psychoanalytische Verständnis der infantilen Sexualität von großer Bedeutung. Sie ist durch drei Merkmale gekennzeichnet (Burchartz et al. 2016, S. 61 ff.).
Sie vollzieht sich in Anlehnung an Körperfunktionen. Sexuell sind nicht die Körperfunktionen selbst, wie etwa das Stillen, sondern die begleitenden Lustempfindungen. Diese Lustempfindungen verlangen nach Wiederholung, sie lösen sich von den Körperfunktionen und können auch hervorgerufen werden etwa durch das Lutschen an anderen Körperteilen oder Gegenständen, unabhängig von Funktionen wie z. B. der Nahrungsaufnahme (Freud 1905d, S. 82).
Damit sind die Körperteile und Gegenstände nicht selbst lusterregend oder einfach Ersatz für die Mutterbrust, vielmehr entsteht die Erregung an sog. erogenen Zonen, z. B. der Mundschleimhaut, später dem Analbereich oder den Genitalien. Die erogenen Zonen sind nicht Ursprung des Sexualtriebes, sondern Orte der Erregungsabfuhr.
Die infantilen Sexualbetätigungen sind autoerotisch, kennen noch kein Objekt, an dem ein Triebziel erreicht wird.
In dieser Konzeption ist der Trieb vornehmlich ein psychisches Geschehen, das sich körperlicher Vorgänge bedient. Die infantile Sexualität ist noch nicht von Scham, Ekel oder kulturellen Verboten gehemmt, sie ist vielgestaltig und primär objektlos. Erst im Verlauf der Umgestaltungen der Sexualität in der Pubertät ordnen sich die »Partialtriebe« dem »Primat der Genitalität« unter (Freud 1905d, S. 92, 109 ff.), ohne jedoch gänzlich in dieser aufzugehen.
Allmählich aber taucht ein Objekt auf, welches das Kind findet oder besser: wiederfindet. Freud geht noch einen Schritt weiter: Das Kind erschafft sich das Sexualobjekt, das es mit seinen libidinösen Strebungen besetzt.
Umgekehrt aber besetzen auch die Eltern das Kind in sublimer Form als Sexualobjekt. »Der Verkehr des Kindes mit seiner Pflegeperson ist für dasselbe eine unaufhörlich fließende Quelle sexueller Erregung und Befriedigung von erogenen Zonen aus, zumal da letztere – in der Regel doch die Mutter – das Kind selbst mit Gefühlen bedenkt, die aus ihrem Sexualleben stammen, es streichelt, küßt und wiegt und ganz deutlich zum Ersatz für ein vollgültiges Sexualobjekt nimmt.« (Freud 1905d, S. 124). Die infantile Sexualität hat demnach seine Wurzel in einer Beziehung, in welcher das Begehren von den Erwachsenen ausgeht. Diesen Gedanken griff später Jean Laplanche in seiner »allgemeinen Verführungstheorie« auf (Laplanche 2004, 2017).
2.3 Die Phasen der infantilen Sexualentwicklung
Im Lauf der kindlichen Entwicklung treten bestimmte erogene Zonen in den Vordergrund. Nach ihnen benennt die frühe psychoanalytische Entwicklungstheorie Phasen. Freud geht von einer »zweizeitigen Sexualentwicklung« des Menschen aus: die frühkindlichen Sexualkonflikte kommen in der Latenz vorläufig zur Ruhe, um in einem zweiten Entwicklungsschub in Pubertät und Adoleszenz zur erwachsenen genitalen Sexualität zu reifen.
Die einzelnen Phasen, angelehnt an körperliche Vorgänge, beschreiben psychische Modalitäten, die lebenslang das Seelenleben des Menschen begleiten, jedoch in der jeweiligen Phase in den Vordergrund treten.
In der oralen Phase geht es um Modi des Aufnehmens und Empfangens, um emotionale Sicherheit und Vertrauen in eine haltende und lebensspendende Umwelt, aber auch um die Modulation von Gier und Neid.
Die anale Phase ist geprägt von Konflikten um Zurückhalten und Loslassen, Macht und Kontrolle, Beherrschung und Unterwerfung, Geben und Nehmen.
In der genital-ödipalen Phase rückt das Thema Liebe und Hass in einer Dreiecksbeziehung in den Mittelpunkt. Stolz, Schau- und Zeigelust, Rivalität und Ausschluss und die Anerkennung der grundlegenden triadischen Struktur des Lebens stellen sich als Entwicklungsaufgaben.
In der Latenz entfaltet das Kind Lern- und Wissbegier, den Wunsch, die Dinge der Welt zu entdecken, Fähigkeiten zu verfeinern und Können zu erwerben, Selbstvertrauen zu verankern. Die Affektsteuerung ist nun gereift, neue soziale Räume und außerfamiliäre Beziehungen werden wichtiger.
Die Pubertät und Adoleszenz stellt den jungen Menschen vor die zwei zentralen Aufgaben der Ablösung von den Primärobjekten und des Aufbaus einer eigenen Identität.
Erik H. Erikson (1966) arbeitete diese psychoanalytische Entwicklungspsychologie weiter aus zu einem »epigenetischen Entwicklungsmodell«. Ähnlich wie Havighurst (1972), vgl. OPD-KJ 2 (2016, S. 30), ordnet er jeder Phase einen spezifischen Grundkonflikt zu, den zu lösen sich dem Individuum als Entwicklungsaufgabe stellt. Dabei dehnt er das Konzept der Entwicklung über das Kindheits- und Jugendalter aus auf den gesamten Lebenszyklus des Menschen. Es ist die Leistung des Ichs, das in der Balance von Konflikten auch zwischen Individuum und den Anforderungen der Gesellschaft vermittelt (
Neuere psychodynamische Entwicklungsmodelle sind in der OPD-KJ 2 (2016) eingearbeitet (
Ein zentrales Theorem der Psychoanalyse ist der Ödipuskomplex. Sein Name leitet sich her vom antiken Mythos von Ödipus, der ohne Wissen seinen Vater tötet und seine Mutter heiratet. In der Entwicklung tritt er hervor, wenn dem Kind etwa ab dem Alter von 2,5 Jahren der Geschlechtsunterschied bedeutend wird. Das Kind möchte Teil des Elternpaares sein und richtet sein erotisches Begehren auf den gegengeschlechtlichen Elternteil. Nun entsteht Rivalität zum gleichgeschlechtlichen Elternteil. Das Kind hat es mit zwei Strebungen zu tun: Es empfindet Rivalität und Hass, möchte aber doch die Liebe zu beiden Eltern nicht missen. Das zieht Schuldgefühle nach sich. Freilich muss es auch erkennen, dass es einerseits zu klein ist, um diesen erotischen Wünschen wirklich gerecht zu werden, andererseits wird es gewahr, dass – wenn alles gut geht – das begehrte Liebesobjekt den anderen Elternteil erotisch vorzieht und es aus der sexuellen Elternbeziehung ausgeschlossen ist. »Der Verzicht auf das begehrte Sexualobjekt, die Verschiebung und der Aufschub des Triebwunsches auf nicht-inzestuöse Liebespartner und die Identifizierung mit dem eigenen Geschlecht und seinen Rollenausprägungen sind die Lösung dieser vertrackten Konstellation.« (Burchartz et al. 2016, S. 64). Damit sind die Voraussetzungen geschaffen für eine reife Geschlechtsidentität und eine Ausbalancierung von Nähe und Distanz sowie ein Internalisieren kultureller Verbote als Über-Ich.
Der Ödipuskomplex ist als metapsychologische psychoanalytische Konstruktion umstritten. Gleichwohl enthält er einige Grundbedingungen menschlicher Existenz: die Zweigeschlechtlichkeit, die grundlegend triadische Struktur der Psyche, das Inzestverbot, die Ambivalenz dem anderen gegenüber. Ödipale Verstrickungen lassen sich im Laufe des Heranwachsens unschwer beobachten. Im