Название | Das Namibia-Lesebuch |
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Автор произведения | Almut Irmscher |
Жанр | Книги о Путешествиях |
Серия | |
Издательство | Книги о Путешествиях |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783955032012 |
Doch Namibia besteht bei weitem nicht nur aus der prachtvollen Wüste Namib. Einen wesentlichen Teil des Landes nimmt auch die Kalahari ein, eine große Savanne, die sich über die Grenzen Namibias hinaus bis nach Botswana und in den Nordwesten Südafrikas hinein erstreckt. Weil sie im Wesentlichen von Sand und trockenem Dorngebüsch geprägt ist, wird auch die Kalahari oft als Wüste bezeichnet. Dank zahlreicher Fernsehdokumentationen über ihre faszinierende Tierwelt, die ich in meiner Kindheit gesehen habe, stellte auch die Kalahari für mich persönlich stets ein Wunschziel dar. Wollte ich doch einmal ihre stolzen Bewohner in freier Wildbahn sehen, die Elefanten, Nashörner, Giraffen, Strauße, Zebras, Löwen und all die anderen, statt immer nur hinter den Gittern ihrer begrenzten Gehege im heimischen Zoo.
Später las ich nicht minder faszinierende Berichte über die humanethologische Erforschung der Kalahari-Buschleute, über deren Sitten, deren Lebensweise und deren Fähigkeit, in der offensichtlich so lebensfeindlichen Umwelt der Trocken–savanne als Jäger und Sammler zu überdauern. Sie bilden zahlreiche ethnische Gruppen, die unter dem Oberbegriff „San“ als Volk zusammengefasst werden. Die San gelten als direkte Nachfahren der ersten Menschen, die das südliche Afrika besiedelten. Zeichnerische Darstellungen von Tieren, die 1969 in einer Höhle im Süden Namibias entdeckt wurden, zeugen nicht nur davon, dass die Region schon seit langer Zeit von Menschen bewohnt ist. Mit ihrem Alter von 27.000 Jahren zählen sie auch zu den ältesten Malereien Afrikas, nach den noch älteren Höhlenbildern Indonesiens und Australiens sogar zu den ältesten von Menschenhand geschaffenen Kunstwerken überhaupt. Ob diese Zeichnungen allerdings von den Ahnen der San angefertigt wurden, ist unbekannt. Vielleicht sind die San auch erst vor deutlich kürzerer Zeit, nämlich vor rund 2.000 Jahren, aus Zentralafrika ins heutige Namibia eingewandert. Diese Frage ist in der Wissenschaft umstritten.
Neben den San sind Menschen aus der Volksgruppe der Damara die ältesten Siedler Namibias. Auch sie durchzogen seit Jahrtausenden als nomadisierende Jäger und Sammler die Region, ohne jedoch in einer kulturellen oder ethnischen Verbindung zu den San oder den anderen Völkern Afrikas zu stehen.
Dass Namibia heute ein Vielvölkerstaat ist, in dem die verschiedensten ethnischen Gruppen leben, ist auf mehrere Wanderungsbewegungen zurückzuführen. Ab dem 16. Jahrhundert kamen zunächst die Ovambo, ein Volk von Viehzüchtern und Bauern, das zu den Bantustämmen gehört. Diese Bantustämme, die im ganzen südlichen Afrika verbreitet sind, werden als solche aufgrund der gemeinsamen Wurzeln ihrer Sprachen zusammengefasst, auch wenn es etwa 500 verschiedene Bantusprachen gibt. Die Ovambo stellen heute mit fast 50 Prozent den größten Teil der Bevölkerung Namibias.
Im 17. und 18. Jahrhundert kamen die Herero, ein ebenfalls zu den Bantustämmen gehörendes Hirtenvolk. In der Folge drangen immer mehr Angehörige afrikanischer Völker nach Namibia vor, was durch die Kolonialpolitik der Europäer und die Willkür, mit der diese den Kontinent mit Grenzen durchzogen, verursacht wurde. Damit sorgten die Kolonialisten nicht nur für Unruhe unter den ursprünglich dort lebenden Menschen, die sich ihrer traditionellen Wege beraubt sahen. Sie trugen auch durch gewaltsame Vertreibungen zum allgemeinen Aufruhr bei. Bedingt durch die Kolonialherrschaft siedelten sich zudem Weiße verschiedenster Herkunft im Bereich des heutigen Namibia an.
Nun sind wir schon mitten in der Bevölkerungsstruktur Namibias und deren historischer Entwicklung angekommen, dabei wollten wir uns zunächst nur einen kurzen Überblick über das Land verschaffen. Doch gerade dem Kolonialismus ist es geschuldet, dass es den Staat Namibia in dieser Form überhaupt gibt, und auf jeden Aspekt des Landes hat er bis in die heutige Zeit maßgeblichen Einfluss. Sei es die Bevölkerung, die Pflanzen- und Tierwelt, die Infrastruktur, die sozialen Verhältnisse, die Wirtschaft oder die offizielle Amtssprache Englisch, immer wieder fällt der Blick auf die Folgen des Kolonialismus. Wir werden deshalb nicht umhinkommen, uns mit diesem Thema später noch ausführlicher zu befassen.
Doch kehren wir zunächst zum Land selbst zurück. Das Gebiet des heutigen Namibia zählt zu den allerältesten Teilen unserer Erdkruste, sein Festlandsockel erhob sich aus dem Urmeer, lange bevor der riesige Kontinent Gondwana in der Erdfrühzeit vor etwa 550 Millionen Jahren entstand. Das Festland Namibias, das später ein Teil Gondwanas werden sollte, ist dagegen schon unfassbare zwei Milliarden Jahre alt.
Neben der Namib im Westen und der Kalahari im Osten wird es durch das dazwischenliegende zentrale Binnenhochland geprägt, das durchschnittlich 1.700 Meter über dem Meeresspiegel liegt und von einigen Bergmassiven durchzogen ist. Markante Gebirge sind der Waterberg, ein etwa 240 Kilometer nördlich der Hauptstadt Windhoek befindliches Tafelbergplateau, und die noch einmal etwa 85 Kilometer nördlicher gelegenen Otaviberge. Windhoek wurde übrigens während der deutschen Kolonialzeit „Windhuk“ geschrieben, und noch heute ist das die offizielle Schreibweise des Auswärtigen Amts. Ich habe mich dennoch in diesem Buch für die Verwendung der namibischen Schreibweise „Windhoek“ entschieden.
Die höchste Erhebung Namibias ist mit 2.573 Metern der Königstein im Brandbergmassiv, das im Damaraland liegt, einer Region im Nordwesten des Landes. Sie entspricht annähernd dem ursprünglichen Siedlungsgebiet des Volks der Damara, ist aber keine historisch gewachsene Region, sondern hat eine willkürlich festgelegte Begrenzung. Es handelt sich dabei um ein sogenanntes „Homeland“, ein im Rahmen der Apartheidpolitik definiertes Heimatgebiet von Schwarzen. Diese Einteilung sollte die Verwaltung vereinfachen, diente aber natürlich vor allem dazu, die betroffenen Menschen von den anderen zu trennen, dauerhaft zu isolieren und zu kontrollieren. Doch derartige Themenbereiche wollten wir ja zunächst ausklammern.
Namibia ist 824.116 Quadratkilometer groß. Damit ist es mehr als doppelt so groß wie Deutschland, genauer gesagt, 2,3-mal so groß. Ein kurioser Zufall ist, dass das Land Namibia rund 2,3 Millionen Einwohner hat. In Deutschland leben dagegen etwa 83 Millionen Bürger. Hätte Namibia eine vergleichbare Bevölkerungsdichte, so müssten dort rund 190 Millionen Menschen leben. Anhand dieses Vergleichs bekommt man eine gute Vorstellung davon, wie extrem dünn Namibia tatsächlich besiedelt ist. Es gehört sogar zu den am dünnsten besiedelten Staaten unserer Welt. Und das hat natürlich seinen Grund.
Wir wissen ja schon, dass Wüste und Steppe die vorherrschenden Landschaftsformen Namibias sind. Das bedeutet auch, dass Regen hier ein wahrlich rares Gut ist. Ackerbau, Obst- und Gemüsegärten bleiben deshalb ein schöner Traum, mal abgesehen von kleinen Gebieten im regenreicheren Norden des Landes.
Im sogenannten Caprivizipfel, einem in weiten Teilen nicht mehr als 30 Kilometer breiten Streifen, der an der nördlichen Landesgrenze wie ein ausgestreckter Arm 450 Kilometer weit ostwärts ins afrikanische Binnenland hineinreicht, gibt es sogar tropische Bedingungen mit enormem Wasserreichtum, der sich in heftigen Regenfällen und einer Luftfeuchtigkeit von bis zu 70 Prozent manifestiert. Der Caprivizipfel unterscheidet sich deshalb grundlegend vom restlichen Namibia.
Dass es diesen merkwürdigen Landstreifen überhaupt gibt, ist der deutschen Kolonialpolitik zu verdanken, die auf Biegen und Brechen eine Landverbindung quer durch den Kontinent nach Deutsch-Ostafrika hin schaffen wollte. Deutschland schloss daher 1890 einen Vertrag mit Großbritannien, durch den wechselseitig Ländereien verschachert wurden. Dabei entstand nicht nur der Caprivizipfel, auch die Insel Helgoland fiel im Zuge dessen an Deutschland. Im Austausch dafür erhielten die Briten unter anderem das Recht, die Insel Sansibar zu annektieren, deshalb bezeichnet man das Vertragswerk auch als Helgoland-Sansibar-Vertrag. Aber nun sind wir schon wieder bei der Kolonialpolitik gelandet, kehren wir lieber schnell zurück zu den Lebensbedingungen in Namibia.
Auch die Viehhaltung stellt in dem kargen Land ein Problem dar, sie ist im Grunde nur im namibischen Hochland möglich, wobei