Operation Terra 2.0. Andrea Ross

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Название Operation Terra 2.0
Автор произведения Andrea Ross
Жанр Научная фантастика
Серия
Издательство Научная фантастика
Год выпуска 0
isbn 9783967525373



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      Maier blickte ihn verständnislos an.

      »Stimmt ja, du interessierst dich nicht für Esoterik. Die sogenannte Blume des Lebens besteht aus sich überschneidenden Kreisen, als Sinnbild für die Verschmelzung des männlichen und weiblichen Prinzips. Die Überschneidungsmenge symbolisiert das neu entstandene Dritte … wenn du so willst, das Produkt der Verschmelzung, die nächste Generation. Mehrfach aneinandergereiht sehen die Überschneidungsmengen dann aus wie symmetrische Blütenblätter.«

      »Ach so?«, staunte Maier. »Für mich wirkt das eher, als hätte jemand riesengroße Förmchen benutzt und den roten Marssand damit zusammengepresst, genau wie ein Kind im Sandkasten. Ich frage mich nur ernsthaft, wozu das Ganze dienen soll. Schwer vorzustellen, dass jemand symbolträchtige DekoObjekte von mangelhafter Haltbarkeit herstellen wollte. Wie viele sind das insgesamt? Ich zähle vier Stück – oder?«

      Das Bild blieb auf einmal bewegungslos stehen. Die neunundzwanzigjährige Britt Ballwitz betrat den Raum. Ihre vielen bunten Tattoos verliehen ihr die Optik eines lebenden Bilderbuchs. Motive der alten Kultserie Star Trek verzierten ihre Arme und es sah von weitem aus, als stecke ein rosarotes Laserschwert in ihrem schlanken Hals.

      »Hallo Jungs! Na, schon die starken Beruhigungspillen aus dem Schrank geholt?«, flachste sie.

      »Dass du auch nie ernst bleiben kannst. Was meinst du zum Sinn und Zweck dieser Pyramidenstrukturen?«

      Die Ballwitz verschränkte ihre Arme hinter dem Kopf, streckte sich, bis die Gelenke knackten. Will Urban beobachtete fasziniert, wie sich ihr sehenswerter Busen nach vorne reckte, die Ringe sich durch den Stoff ihres Shirts drückten. Sie bemerkte es, quittierte das offensichtliche Interesse mit einem Lächeln.

      »Was da aussieht wie gepresster Marssand, muss wohl aus einem anderen, stabileren Material bestehen. Seht euch mal die Spitze der zuvorderst stehenden Struktur an, sie glänzt golden im Sonnenlicht. Also ist sie höchstwahrscheinlich aus irgendeinem Metall gefertigt.«

      Drei Augenpaare richteten sich neugierig auf das obere Achtel der Strukturen. Maier atmete tief durch.

      »Mensch, richtig analysiert! Dann handelt es sich vielleicht um eine Maschine, die nur mit diesen sandartigen Platten getarnt ist. Um ein Haar hätten wir sie übersehen. Man muss wirklich nah dran sein, um die Pyramidenformen in der gleichfarbigen Umgebung überhaupt zu erkennen. Aber könnten sie tatsächlich neueren Datums sein? Von uns stammen die Dinger definitiv nicht. Wartet mal, das würde ja bedeuten … «

      » … dass sich außer uns noch jemand anderes auf dem Mars tummelt«, beendete Britt ungeduldig den Satz. »Diese Vermutung wird schließlich schon länger laut, weil wir uns die Entstehung der neuen, noch recht dünnen Atmosphäre nicht anders erklären können. Wenn man genau hinsieht, könnte man meinen, dass über den glänzenden Pyramidenspitzen besonders dichte Wolkenformationen hängen, nicht wahr?«

      »Du meinst, da betreibt – wer auch immer – Marsforming? Das ist nun doch ein wenig weit hergeholt«, protestierte Urban.

      »Wieso? Die Symbolik der Blume des Lebens würde perfekt dazu passen. Schließlich entsteht durch diese Maschinen etwas Neues für die nächste Generation«, sinnierte Thomas Maier.

      Britt nickte, anscheinend war auch sie esoterisch bewandert. Anschließend verschwand sie wieder in ihrem eigenen Büro, um sich mithilfe von Arachnon noch näher heranzutasten. Das stellte sich jedoch als unmöglich heraus. Spitze, etwa fünf Meter hohe, dicht nebeneinander aufragende Felsnadeln versperrten dem Laufrover rundum den Weg, vereitelten ein sicheres Durchkommen.

      »Wetten, diese spitzigen Scheißdinger sind auch nicht natürlichen Ursprungs«, knurrte Maier frustriert.

      »Und wer, glaubst du, könnte sich da oben herumtreiben? Wir hätten es doch sicher gemerkt, wenn sich jemand heimlich von der Erde aus zum Mars aufgemacht hätte.«

      »Ha, den Russen traue ich alles zu. Wer weiß, was die in der Abgeschiedenheit Sibiriens alles ersonnen und getestet haben, ohne dass der Westen Wind davon bekommen hat. Hoffentlich irre ich mich«, seufzte der Astrophysiker und faltete die Hände über seinem feisten Schmerbauch.

       Terra, 26. Oktober 2116 nach Christus, Montag

      

      Wütend schmetterte der fünfunddreißigjährige Philipp André Emmerson die Küchentür aus Hartplastik hinter sich zu. Er hatte die ständige Jammerei seiner um drei Jahre jüngeren Ehefrau allmählich satt. Besonders nach anstrengenden Tagen wie diesem konnte er alles gebrauchen – nur eben keine leidigen Diskussionen um dieses immer gleiche Thema. Seine Swetlana wollte auf Biegen und Brechen eine der neumodischen Mediatapeten kaufen, die seit einiger Zeit den Markt revolutioniert hatten. Weil inzwischen angeblich jeder Haushalt eine besaß.

      Die arbeitslose Frau dachte gar nicht daran, ihn in Frieden seinen wohlverdienten Feierabend genießen zu lassen. Nach dem Vollzeitjob in der städtischen Kläranlage arbeitete Philipp nebenbei noch als Hausmeister für die total heruntergekommene Wohnanlage in BerlinNeukölln, in der sie wohnten. So sparte er einen Teil der Miete.

      Das einstmals todschicke, siebzehnstöckige Apartmenthaus war 2031 in der Hoffnung erbaut worden, aus dem Kiez Neukölln nach und nach ein Wohnviertel für Gutbetuchte zu machen. Die Stadtväter hatten damals alles drangesetzt, die sozialen Brennpunkte zu entschärfen und der Hauptstadt wieder zu einem besseren Ruf zu verhelfen. Täglich negative Schlagzeilen, das war irgendwann untragbar geworden.

      Die Rechnung war allerdings nicht im Geringsten aufgegangen. Zuerst waren die elf neu erbauten Luxuswohnblocks jahrzehntelang nahezu leer gestanden, dann hatte man die geräumigen Apartments notgedrungen in kleine Sozialwohnungen umgestaltet. Dazu waren einfach weiße Plastikcontainer, die je eine vollmöblierte KleinstWohneinheit von ungefähr vierzig Quadratmetern enthielten, in die Apartments eingebaut worden. Seither lebten im Stadtteil Neukölln, wie eh und je, die sozial Schwachen, viele Migranten und gescheiterte Existenzen auf engstem Raum zusammen.

      Heute hatten die Anrufe und das Klingeln an der Türe der Emmersons kein Ende nehmen wollen. Eine kaputte Glühbirne im Treppenhaus, ein klemmendes Fenster, ein versehentlich ausgelöster Feueralarm, eine rüde Prügelei unter Nordafrikanern im Eingangsbereich, ein umgekippter Müllcontainer … er war am Ende seiner Kräfte. Seine depressive Erkrankung machte sich in letzter Zeit wieder stärker bemerkbar.

      Nun stand seine Frau erneut mit verschränkten Armen im Türrahmen, zog ein ärgerliches Gesicht. »Du musst ja schließlich nicht den ganzen Tag hier herumsitzen, darauf warten, dass der Tag vorüber geht und dich langweilen«, meckerte sie vorwurfsvoll.

      »Dann geh gefälligst spazieren oder suche dir sonst irgendeine Beschäftigung. Zum Beispiel könntest du hier drin wieder mal gründlich sauber machen«, gab er wütend zurück.

      »Das kann ich wohl kaum den ganzen Tag lang tun. In dieser scheußlichen Bruchbude ist das ohnehin vergebliche Liebesmüh. Der helle Kunststoff ist dank unserer Vormieter total verkratzt, den bekommt man nie mehr sauber. Und wo wäre eigentlich das Problem, wenn wir uns so eine Mediatapete holen würden? Sogar die asoziale Sabine von nebenan hat schon eine und ist total glücklich damit!«

      Philipp seufzte. Er hatte es ihr schon so oft erklärt. »Weil wir kein überzähliges Geld besitzen! Jetzt haben wir grade erst das alte Auto abbezahlt, auf dem Konto ist Ebbe.«

      »Aber das ist bei der Sabine auch nicht anders. Sie hat sich einfach so eine NullProzentFinanzierung beim MegatechMarkt besorgt. Wenn sie eines Tages die monatlichen Raten nicht mehr bezahlen kann – na und? Dann geht sie eben in Privatinsolvenz. Das hat sie vor ein paar Jahren schon einmal gemacht. Wer nichts hat, dem kann man auch nichts wegnehmen. Wir sind doch eh ständig pleite. Aber mit Mediatapete könnte ich das sicherlich besser ertragen.«

      »Die Sabine arbeitet nicht, das ist ein großer Unterschied. Mir könnte man jedoch im Zweifelsfall den Lohn pfänden.

      Wir würden am Ende unser Auto verlieren, und wie sollte ich dann bitteschön zur Arbeit, ans andere Ende