Operation Terra 2.0. Andrea Ross

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Название Operation Terra 2.0
Автор произведения Andrea Ross
Жанр Научная фантастика
Серия
Издательство Научная фантастика
Год выпуска 0
isbn 9783967525373



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angeeignet.

      Gleich am ersten Stand waren seine Bemühungen von Erfolg gekrönt. Ein vierschrötiger Händler mit blitzenden Augen packte ihn am Ärmel, nahm ihn beiseite.

      »Bei mir gibt es die allerbesten Boote, sind ganz sicher, beste Qualität. Und ihr braucht auch Schwimmwesten, nur für alle Fälle.« Er schob einen Vorhang im Hintergrund seines Standes beiseite.

      Solaras und Kalmes staunten nicht schlecht. Der Typ schien sich wohl auf Bootsflüchtlinge spezialisiert zu haben, denn an der Wand lehnten Schlauchboote in drei verschiedenen Größen, dazu gab es mehrere Modelle von Außenbordmotoren und einen Stapel billiger Schwimmwesten.

      »Das da wäre sehr gut für euch, viel Platz.« Er zeigte auf ein graues Boot, das für etwa vier bis fünf Menschen gedacht sein mochte.

      »Kleiner auch gut«, radebrechte Solaras. Ihm wurde klar, dass der Mann das Maximale aus seinen ausländischen Kunden herausholen wollte. Am Ende entschied er sich, der mit Fuchteln und herausgedrehten Augäpfeln hervorgebrachten Verkaufsstrategie des Libyers zum Trotz, für ein Zweimannboot und einen eher schwachen Motor, legte noch zwei Paddel, eine Plastikplane und drei Benzinkanister dazu.

      »Was kostet das?«

      Der Mann strahlte über beide Ohren. »Ich mache euch einen Sonderpreis. Nur bei mir und nur heute. Alles zusammen für lediglich fünfzigtausend Libysche Dinare.«

      Solaras überschlug im Kopf den Wechselkurs, wurde blass.

      »So viel besitzen wir nicht.«

      Die aufgesetzt freundliche Miene des Händlers versteinerte augenblicklich. »Wie viel hast du denn dabei?«

      »Ungefähr sechzehntausend Schekel. Und die müssen auch noch für Wasser und Benzin reichen. Das sind rund vierundvierzigtausend Libysche Dinare.«

      Der Libyer kämpfte einen Moment mit sich. Er kannte das Problem. Flüchtlinge besaßen meist nicht viel Geld, da nutzte ihm sein ausgeprägter Geschäftssinn leider nur wenig. Seit die sogenannte Balkanroute dicht war, wurde Libyen von den Flüchtlingen wieder verstärkt als Tor nach Norden benutzt. Entsprechend groß war derzeit die Nachfrage nach Booten, wenn auch meist für die größeren Modelle. Oft waren seine Kunden Schlepper. Er verhandelte für sein Leben gern, erkannte aber auch, wann und wo es keinen Sinn machte.

      ›Nun gut, besser ein mittelmäßiges Geschäft als gar keines‹, überlegte er. Seine Nachbarn zur Linken und zur Rechten verkauften unter der Hand schließlich auch Boote, da hieß es zuschlagen. Er setzte ein bauernschlaues Grinsen auf.

      »Na gut, weil ihr so nette Leute seid. Einundvierzigtausendfünfhundert Dinare. Komm, mein guter Freund, schlag ein oder lass es bleiben. Das ist mein letztes Angebot.« Er streckte Solaras mit einem breiten Lächeln seine rechte Hand hin, auf der schwarze Haare wucherten.

      Kalmes nickte fast unmerklich, und Solaras schloss das Geschäft ab. »Wir tauschen in der Stadt das Geld um und besorgen Vorräte. Dann kommen wir zurück, bezahlen und holen die Sachen ab.«

      Nun war es also beschlossene Sache. Sie würden die rund zweihundertzwanzig Kilometer Luftlinie bis zur griechischen Insel Kreta mit einem kleinen Schlauchboot zurücklegen. Ein äußerst waghalsiges Unterfangen, obwohl die Wetterlage am Mittelmeer im Spätsommer relativ ruhig war.

      »Keine Angst, die Strecke schaffen wir«, sagte Solaras einfühlsam, als er die Tränen in Kalmes‘ Augen bemerkte. »Denk doch daran, was wir zusammen schon durchgemacht haben.

      Diese eine Hürde noch, dann dürfen wir endlich in Frieden zusammenleben. In Mitteleuropa werden wir sicher vor Verfolgung sein – und frei.«

      »Ich weiß … es sind Freudentränen.«

      *

      Solaras benötigte noch mehrere Stunden, bis das gesamte Equipment an einem einsamen, felsigen Strand in der Nähe des östlichen Stadtrandes von Darna bereit lag.

      Das letzte Geld war für ein Taxi draufgegangen, mit dem er die sperrigen Sachen dort hatte anliefern lassen.

      Gemeinsam ließen sie bei Sonnenuntergang das Schlauchboot zu Wasser, sorgsam darauf achtend, dass die messerscharfen Felsvorsprünge den Boden nicht aufrissen. Solaras füllte Benzin in den Tank, verlud die restlichen Kanister und ein bisschen Proviant an Bord, während Kalmes den Holographen unter der stabilen Plastikplane verstaute. Diese war zum Zudecken gedacht, wenn es über Nacht kühl wurde, sowie zum Schutz gegen Regen und Spritzwasser.

      Der Motor sprang gleich beim ersten Versuch an.

      ›Ein gutes Zeichen‹, dachte Solaras, klemmte sich das Navigationsgerät zwischen die Oberschenkel und steuerte Richtung Nordost. Kalmes machte es sich so bequem wie möglich, blickte auf das türkisblaue Meer hinaus, das in der untergehenden Abendsonne glitzerte. In ein paar Stunden würde sie am Ruder sitzen, sobald Solaras sich ausruhen musste. Aufmerksam betrachtete die Tiberianerin rundum den Himmel. Nein, heute Nacht würde es keine Probleme geben. Nicht ein einziges Wölkchen trieb am Firmament.

      Das gleichmäßige Tuckern des Motors lullte beide ein. Kalmes döste. Wie lange würden sie nach Kreta brauchen? So zwei, drei Tage vielleicht? In Gedanken versunken, bemerkte Solaras nicht, dass sich ein Wasserfahrzeug auf das kleine Boot zubewegte. Erst als ein Suchscheinwerfer seine langen Lichtfinger über die ruhige See schickte, schrak er zusammen. Ihm blieb fast das Herz stehen.

      Schnell kam das Boot näher. Mehrere Personen standen an Deck, und sie hielten Waffen im Anschlag.

      »Stoppen Sie sofort, wir kommen längsseits!«, schnarrte es infernalisch laut durch ein Megafon. Kalmes saß augenblicklich senkrecht im Boot, ihr entfuhr ein Schreckenslaut. Bibbernd schlang sie beide Arme um den Oberkörper. Die Lage war schlecht einzuschätzen.

      »Das ist die libysche Küstenwache. Wahrscheinlich befinden wir uns zurzeit noch in den von Libyen kontrollierten Gewässern. Sie haben uns erwischt!«, stieß Solaras aufgeregt hervor. Er tat, wie ihm geheißen worden war, ließ den Motor ersterben und hob die Hände.

      Das Patrouillenboot ließ eine Strickleiter von der Backbordseite fallen. Ein Mann winkte, bedeutete Solaras, unverzüglich an Bord zu kommen und seine Papiere mitzubringen. Der vertäute das schaukelnde Schlauchboot an einer Öse, fischte die israelischen Pässe aus dem Beutel und kletterte die Strickleiter hinauf.

      Kalmes war indessen zur Untätigkeit verurteilt, geriet in Panik. Sie bekam aus ihrem Blickwinkel lediglich mit, wie ihr Lebensgefährte mit den Männern in Uniform gestikulierend verhandelte. Einer von ihnen lachte dreckig. Ihr war nicht wohl bei der Sache. Was, wenn man sie vom Fleck weg verhaftete und das Boot konfiszierte? Sie hatte keine Ahnung, ob oder unter welchen Bedingungen es erlaubt war, hier draußen in der Gegend herumzufahren.

      Eine Viertelstunde später war Solaras zurück. »Wir haben großes Glück! Die sind tatsächlich auf der Suche nach Flüchtlingen, um sie am Abhauen zu hindern. Aber die Küstenwache interessiert sich offenbar nicht für Israelis, die ihr Leben auf dem Meer riskieren wollen.« Er winkte zum Deck hinauf, löste mit zitternden Fingern das Tau und versuchte hektisch, den Motor zu starten. Dieses Mal sprang er erst beim sechsten Ziehen des Anlassers stotternd an, spuckte ein blauschwarzes Rauchwölkchen.

      Die erste Nacht und erste Tag der Überfahrt verliefen ruhig. Kalmes wurde ein wenig seekrank, bekam aber die Übelkeit schnell in den Griff. Für diesen Fall hatte Solaras vorsorglich salzhaltige Kekse eingepackt, die den Magen beruhigten.

      In der zweiten Nacht war die See rauer. Das Schlauchboot schlingerte unkontrolliert zwischen den von Gischt gekrönten Wellenbergen hin und her; es gelang Solaras kaum, halbwegs den Kurs zu halten. Am Horizont zuckten grelle Blitze, der Wind frischte auf.

      »Falls das Unwetter näher kommen und das Meer noch weiter aufwühlen sollte, sehe ich schwarz«, unkte die Tiberianerin ängstlich. Sie und ihr Gefährte zogen sich die Plastikplane eng um die Körper, um nicht patschnass zu werden. Das Schlauchboot drohte mit jeder größeren Welle zu kentern. Einer der Wasserkanister ging über Bord – ausgerechnet der letzte volle.

      Nach einer